
Das Unternehmen CEP hat am 17. Juni an der Ostseeküste gefr... „Nein, nein, nein, was wir tun, hat mit Fracking nichts zu tun!“ Sobald jemand das böse F-Wort in den Mund nimmt, schreitet Jens Müller ein. Er ist bei dem deutsch-kanadischen Unternehmen CEP für die Kommunikation verantwortlich. Fakt ist: CEP, spezialisiert auf die Erdölförderung in Deutschland, hat in der Nähe des Örtchens Saal an der mecklenburgischen Ostseeküste eine mit Chemikalien versetzte Flüssigkeit in den Boden gepumpt, um den Zufluss zu seiner Erdölprobebohrung zu verbessern. In normalen Zeiten wäre dies allenfalls einem Energie-Fachmagazin eine Meldung wert gewesen. Doch als in Saal die Bohrung losging, wurde demonstriert, sogar das Fernsehen war vor Ort.
Damit ist die höchste Stufe der öffentlichen Hysterie erreicht. Seit Jahrzehnten wird in Deutschland im weiteren Sinn „gefrackt“, also die Förderung von Erdöl oder Erdgas durch den Einsatz chemisch aufbereiteter Flüssigkeiten unterstützt. Nie hat das jemanden interessiert. Doch seit aus den USA die Bilder brennender Wasserhähne ihren Weg nach Deutschland gefunden haben, ist alles anders. In Niedersachsen, wo die meisten Energierohstoffe lagern, gilt ein Moratorium für neue Bohrungen jeder Art; gerade wird es zwar auf Schiefergestein beschränkt, dafür aber verlängert. In Nordrhein-Westfalen hat sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sogar auf die bastahafte Aussage festgelegt: „Solange ich Ministerpräsidentin bin, wird es in NRW kein Fracking geben.“ Zugleich stimmt das Bundeswirtschaftsministerium dieser Tage einen Gesetzentwurf mit den Kollegen aus dem Umweltressort ab, der Fracking noch in diesem Sommer, spätestens aber ab Herbst, regeln soll. All das trägt jedoch nicht zur Klärung der entscheidenden Frage bei: Hat Fracking in Deutschland noch eine Chance?
Was hinter „Fracking“ steckt
Das umstrittene „Fracking“ wird seit mehreren Jahrzehnten zur Gewinnung von Erdgas aus Gesteinsporen eingesetzt. Bei dem „Hydraulic Fracturing“ wird Gestein in 1000 bis 5000 Metern Tiefe mit hohem hydraulischen Druck aufgebrochen.
Um das Gas fördern zu können, werden künstliche Fließwege geschaffen. Dazu wird ein flüssiges Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst, so dass Risse im Gestein entstehen. Durch sie entweicht das Gas und gelangt schließlich an die Oberfläche.
Unter den Chemikalien sind auch gefährliche Stoffe, die bei unsachgemäßer Verwendung Mensch und Umwelt gefährden können. Kritiker weisen darauf hin, dass der Chemikalien-Cocktail bei Bohrpannen oder dem Durchstoßen von Wasserspeichern ins Grundwasser gelangen kann. Auch das Umweltbundesamt äußert Bedenken.
Energiekonzerne wie ExxonMobil betonen dagegen die Beherrschbarkeit des Verfahrens: Jeder Eingriff („Frac“) werde durch eine stabile Ummantelung der Bohrung von der Umwelt getrennt.
In Deutschland wird das Gas in „unkonventionellen Lagerstätten“ vor allem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Nord-Hessen und dem Oberrheingraben vermutet.
Über das weltweit größte Vorkommen verfügt laut einer Studie des US-Energieministeriums China, danach kommen die USA und Argentinien. In den USA sind die Energiepreise durch die massive Erschließung von Gasvorkommen eingebrochen - allerdings gibt es Berichte über massive ökologische Folgen.
Bernd Westphal zumindest will nicht aufgeben. „Ich hoffe, wir können eine faktenbasierte Debatte über die Chancen und Risiken von Fracking führen.“ Westphal, SPD, Mitglied im Energieausschuss des Deutschen Bundestags und Bergmannssohn, will Fracking wenigstens erforschen. Denn wie soll man die Gefahren einschätzen, wenn man es noch nicht mal ausprobiert? Doch so einfach ist das nicht, juristisch herrscht in Sachen Fracking gerade ein Schwebezustand, der sich an den Standards eines Rechtsstaat nur schwer messen lässt.
Auf der einen Seite schreibt das Bergrecht den Behörden vor, nach welchen Kriterien Bohrlizenzen zu vergeben sind. Ihr Spielraum ist begrenzt, denn es handelt sich nicht um Ermessens-, sondern um gebundene Entscheidungen. Das heißt: Sind bestimmte Kriterien erfüllt, muss die Lizenz erteilt werden. Zuständig für die Gesetzgebung ist der Bund, die Ausführung dagegen ist den Ländern überlassen. Zwar kann der Bund das Bergrecht ändern. Doch wenn Unternehmen ihre Anträge jetzt stellen, gilt das Recht in seiner aktuellen Form. Nur: Wegen der Länder-Moratorien haben die Unternehmen bislang keine Anträge gestellt. NRW und Niedersachsen – wo die meisten Vorkommen lagern – haben ihre Behörden angewiesen, Anträge auf Schiefer-Fracking nicht zu prüfen, solange die Risiken nicht endgültig geklärt sind.
Nun räumen aber selbst die Vertreter von Bergbehörden ein: Um diese Risiken zu klären, müsste man eine Probebohrung vornehmen. Theoretische Expertise liegt zur Genüge vor. Einer Studie von ExxonMobil, welche die grundsätzliche Unbedenklichkeit der Technologie ergab, haben die Folgegutachten von Bund und NRW im Kern nicht widersprochen.
So ergibt sich eine rechtlich höchst bedenkliche Lage: Behörden schieben Entscheidungen vor sich her und verweisen auf Bedingungen, die Unternehmen gar nicht erfüllen können – und das auf unbestimmte Zeit. Entsprechend klar ist die Meinung von Experten: „Die Moratorien der Bundesländer gegen Fracking sind eindeutig rechtswidrig“, sagt Walter Frenz, Professor für Bergrecht an der Universität Aachen. Sollte nun der Bund ein Gesetz erlassen, das die Bedingungen für Fracking detaillierter regelt, wären die Moratorien endgültig hinfällig: „So ein Gesetz müssten Gerichte als eindeutige Indizien werten, dass der Bund den Abbau grundsätzlich befürwortet“, sagt Bergrechtler Frenz. Fehlt nur noch ein Unternehmen, das sich traut.