In der Halle des Landwirts stehen verschiedene große Geräte, die er regelmäßig an seinen Traktor hängt. An den zehn Scharen des Pflugs klebt noch feuchter Torf. „Wenn ich den Boden maschinell bearbeite, kann ich Stroh und Ernterückstände in die Erde einarbeiten, das sind alles Nährstoffe“, sagt er. „Meine Methode ist aufwendig, aber ich finde das einfach sinnvoller, als alles einfach wegzuspritzen“, sagt er.
Bauer Adolphi ist damit eine absolute Ausnahme. Aus der konventionellen Landwirtschaft ist Glyphosat nicht mehr wegzudenken. Bei manchen Früchten gibt es kaum noch glyphosatfreie Felder: Bei Raps werden rund 90 Prozent aller Flächen damit bespritzt, bei der Gerste zwei Drittel. 5,5 Millionen Tonnen wurden so allein im vergangenen Jahr ausgebracht – mehr als von allen anderen Pflanzengiften zusammen.
Der maximale Erfolg des Stoffs erklärt sich aus dem besonderen Wirkmechanismus. Glyphosat wird nicht nur über die Wurzel, sondern auch über die grünen Pflanzenteile aufgenommen. Landwirte können es deshalb verwenden, wenn die Saat noch im Boden ist, die Unkräuter aber schon sprießen. Alle anderen Mittel, die ähnliche Eigenschaften aufweisen, sind dabei so toxisch, dass sie entweder keine Zulassung bekommen – oder schon lange verboten sind.
Kein Glyphosat = teureres Brot?
Glyphosat befreit die Felder von allem, was stört. Der Wirkstoff hat die Landwirtschaft hochproduktiv gemacht. Die Erfolgsgeschichte von Glyphosat geht einher mit steigenden Erträgen und Deckungsbeiträgen der Landwirte. Vor einiger Zeit haben Forscher des Julius-Kühn-Instituts die Konsequenzen eines Glyphosatverbots untersucht. Ihre Prognose: Die zusätzlichen Kosten betragen bei Weizen bis zu 17 Prozent des Deckungsbeitrags. Denn nur der Pflug sei annähernd wirkungsäquivalent – die teuerste Art der Bodenbehandlung. Klingt ärgerlich, aber besser als Krebs.
Adolphis maschineller Kampf gegen Unkraut ist also im Vergleich teuer. „Natürlich ist mein Deckungsbeitrag geringer als bei anderen“, sagt er. Dass er darauf verzichtet, ist auch eine Frage des Sich-leisten-Könnens. Denn er hat einen Vorteil: Adolphi bewirtschaftet ausschließlich eigene Felder und konkurriert nicht mit anderen Landwirten auf dem Pachtmarkt. Das entlastet ihn von dem Druck, auf jeder einzelnen Fläche die dafür ausgegebene Pacht mitverdienen zu müssen. Für alle anderen gilt: Wer kein Biobauer ist und derzeit versuchen würde, auf Glyphosat zu verzichten, wäre in wenigen Monaten ruiniert.
Kann es wirklich sein, dass es zu einem Wirkstoff keine einzige brauchbare Alternative gibt?
In Brüssel sind die Lobbyisten längst auf Hochtouren. Führende Herbizidhersteller haben 2008 einen Interessenverband gegründet, die „European Crop Protection“. Von den 18 Mitarbeitern haben vier Zugang in die Parlamentsräume. Daneben sponsert der Verband Veranstaltungen im Europaviertel, wie zuletzt Ende April zur Zukunft der Landwirtschaft. Das Mantra: Landwirtschaft ist unmöglich ohne Herbizide.
In ihrer jüngsten Kampagne zeichnen die Lobbyisten ein Szenario, laut dem weltweit 80 Prozent der Erntemengen wegfallen würden, gäbe es keine Herbizide mehr. Das klingt mindestens ebenso absurd wie die von Glyphosatkritikern benannte Krebsgefahr von Bier, von dem man 1000 Liter täglich trinken müsste, um etwas von den Glyphosatrestmengen zu spüren.
Neue Chance für Europas Chemiekonzerne?
Die Aufregung der Industrie endet erst auf jenen Ebenen, auf denen nicht mehr die Kaufleute und Juristen den Ton angeben, sondern die Wissenschaftler. Hermann Stübler, 63, ist ein solcher, der auf dem elterlichen Hof ausgebildete Landwirt leitet beim Chemiekonzern Bayer die Herbizidforschung. Er hat erlebt, wie eine ganze Branche Stück für Stück dem süßem Gift verfiel, einfach weil es so praktisch war. Und gleichzeitig hohe Renditen versprach. Allein der Erfinder und Marktführer Monsanto macht jährlich mit Glyphosatprodukten fünf Milliarden Dollar Umsatz und zwei Milliarden Dollar Gewinn. Macht eine Umsatzrendite von 40 Prozent.