Die Geschichte von David Bustabad ist auch die vom Kampf eines Sohnes gegen die Zweifel seines Vaters. Denn als der heute 40-Jährige aus dem Örtchen Arico auf der spanischen Kanareninsel Teneriffa seinen Vater davon überzeugen wollte, das elterliche Sägewerk um einen Recyclingbetrieb für gebrauchte Holzpaletten zu erweitern, winkte der Senior ab.
„Zu risikoreich fand er die Idee, zu schlecht die Geschäftsaussichten“, erzählt Bustabad junior. Also zog er das Palettenrecycling nach dem Betriebswirtschafts- und Managementstudium an der Universität in Santa Cruz de Tenerife kurzerhand mit einem anderen Investor hoch. „Das hat das Verhältnis mit meinem Vater nicht unbedingt verbessert“, so der Unternehmer.
Wie Sie Elektronik recyclen können
Auktionsportale wie eBay oder Kleinanzeigenplattformen sind eine gute Anlaufstelle, um Altgeräte loszuwerden. Was bei Auktionen zu beachten ist: Es kann passieren, dass Geräte unter Wert den Besitzer wechseln.
Über Portale wie reBuy, Wirkaufens oder Flip4New können alte Geräte noch zu Geld gemacht werden: Oft liegen die Angebote der Portale deutlich unter den Preisen, die man auf zum Beispiel auf eBay erzielen würde, dafür spart man sich das Risiko, Smartphone und Co. unter Wert zu verkaufen.
Wer möchte, kann mit seinen alten Geräten einen guten Zweck unterstützen. Einige Mobilfunkanbieter arbeiten dafür mit gemeinnützigen Organisationen zusammen. Alternativen: Vor Ort nach Institutionen wie der Obdachlosenhilfe schauen.
Ist ein Gerät kaputt, kann man es bei einer lokalen Sammelstelle, zum Beispiel beim Wertstoffhof, abgeben. Die Entsorgung kostet in den meisten Kommunen nichts, sofern man haushaltsübliche Mengen anliefert.
Wer sich den Weg zum Wertstoffhof sparen will, kann seine Elektrokleingeräte per Post verschicken. Die Deutsche Post bietet mit Electroreturn einen einfachen Dienst an. Online lassen sich kostenlose Versandmarken herunterladen und ausdrucken, mit denen die Geräte in die Post gegeben werden dürfen.
Wohl aber seinen Weg in die grüne Wirtschaft vorgezeichnet, der über Palettenrecycling und Ökolandwirtschaft 2012 in der Gründung eines weiteren Müllverwertungsunternehmens mündete: des Elektroschrott-Recyclers E-Waste. Und was Bustabad da am Südostfuß des ehemaligen Kanarenvulkans Teide in Sichtweite der Küste aufgebaut hat, ist eines der wohl effizientesten und vermutlich auch eines der profitabelsten Elektroschrott-Recyclingunternehmen Europas.
Effizient und vermutlich auch profitabel
Nur gerade einmal zwei Jahre nach dem Start verwertet E-Waste ein Viertel des gesamten Elektroschrotts, der auf den Kanaren anfällt. Zuvor wurden Kühl- und Klimageräte, Mikrowellen, Fernseher und sonstiger Technikmüll entweder aufs spanische Festland verschifft, gelangten als illegaler Müllexport auf die riesigen Schrotthalden Afrikas – oder landeten irgendwo im Hinterland oder an den Stadträndern der Insel.
Nicht nur auf Teneriffa. Jüngst erst zählten spanische Umweltschützer landesweit auf wilden Müllkippen rund eine halbe Million Kühlschränke.
Für Bustabad, einen passionierten Surfer, der mit wallendem Lockenkopf und Vollbart aber genauso gut als Bergführer durchginge, ist der Schrott in der Landschaft – natürlich – ein ökologisches Problem: „Ein nicht ordentlich entsorgter Fernseher kann bis zu 80.000 Liter Grundwasser kontaminieren.“
Ökologisches Problem und ökonomische Verschwendung
Aber er ist auch eine immense ökonomische Verschwendung. Denn längst lassen sich die in den Maschinen verbauten Rohstoffe wieder profitabel weiterverkaufen. Wenn sie denn sortenrein aufbereitet sind.
Seine Kunden sind Stiftungen wie Ecolec, die in Spanien für die Gerätehersteller die Entsorgung übernehmen, und Unternehmen, die an den Rohstoffen interessiert sind, die er durch das Recyceln gewinnt; darunter Aluminium, Silber, Stahl und Kupfer.
Und so zerlegen in den 10.000 Quadratmeter großen grau-orange gestrichenen Hallen am Rand der Mülldeponie von Arico inzwischen gut 30 Mitarbeiter mehr als 100 verschiedene Gerätetypen in ihre Bestandteile, darunter alleine 320.000 Kühlschränke im Jahr.
Bustabads Truppe neutralisiert mit modernster Technik giftige Kühl- und Schmiermittel und bereitet die wertvollen Rohstoffe im Schrott für den Weiterverkauf auf. Im Fall von Kühlschränken, sagt der Ökounternehmer, seien immerhin etwa 80 Prozent der gewonnenen Materialien wiederverkäufliche Wertstoffe.
Soziales Unternehmertum
Das ist zwar nur ein winziger Teil jener nach Schätzungen rund 50 Millionen Tonnen Elektromüll, den die Industriestaaten jährlich weltweit produzieren. Aber es ist die Blaupause für einen prosperierenden Wirtschaftszweig.
Schließlich ist das Geschäft für E-Waste hoch profitabel – bei knapp vier Millionen Euro Jahresumsatz blieb für den grünen Pionier vergangenes Jahr ein Nachsteuergewinn von 1,3 Millionen Euro – und der Beweis, wie symbiotisch sich Umweltschutz und ökonomischer Erfolg ergänzen können.
Und soziales Unternehmertum, denn der Multiunternehmer belässt es nicht bei der umwelt- und ressourcenschonenden Aufarbeitung von alter Elektrik.
Mitarbeiter sollen die Idee international verbreiten
Sein Geschäftsmodell sieht vor, viele Auszubildende zu beschäftigen und dass 40 Prozent der Mitarbeiter behinderte oder benachteiligte Menschen sind, etwa Langzeitarbeitslose. Parallel dazu betreibt Bustabads Umweltstiftung Recicla Ökoaufklärung: Direktorin Carlota Cruz organisiert etwa Führungen für rund 30.000 Besucher der Fabrik pro Jahr: „Sie sollen erfahren, wie Giftstoffe neutralisiert werden, statt in Afrika, Asien oder Lateinamerika auf illegalen Halden zu landen.“
Daneben schleust Bustabad Dutzende Studenten als Praktikanten durch die Abteilungen, um seine Idee weiterzutragen, auch über die Kanaren hinaus. In den kommenden Jahren will er beispielsweise E-Waste Lateinamerika aufbauen.
Auch deshalb hat Bustabad viele nationale und internationale Preise bekommen, darunter eine Auszeichnung der englischen Organisation European Business Awards. 2012 zeichnete ihn zudem der mittlerweile auf den Thron aufgerückte damalige spanische Kronprinz Felipe mit dem spanischen Erfinderpreis aus.
Trotzdem war der Start von E-Waste alles andere als ein Selbstläufer: Von der ersten Idee 2008 bis zum Start der Schrottverwertung vergingen rund vier Jahre zäher Investorensuche. „Die Kanaren sind kein idealer Ort für Unternehmen wie unseres“, sagt Bustabad und ergänzt: „Es ist ein Kampf gegen viele Interessen.“
Was er nicht sagt: Die spanischen Inseln, nur ein paar Hundert Kilometer vor der Küste von Marokko und Westsahara gelegen, gelten als großer Umschlagplatz für illegale Müllexporte nach Afrika.
Gase neutralisieren
Statt bei privaten Investoren wurde der Recycling-Unternehmer mit seiner Geschäftsidee daher bei Förderfonds der Europäischen Union fündig. Weiteres Geld für den Aufbau der neun Millionen Euro teuren High-Tech-Anlage im Hinterland der Touristeninsel stammt aus staatlich geförderten Krediten.
Das Geld steckte Bustabad in Technik des österreichischen Herstellers Untha Shredding Technology und der italienischen Ventilazione Industriale. Mit deren Hilfe fängt E-Waste die Gase in den alten Geräten – etwa umweltschädliche Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) – auf und recycelt sie. Die Technik erlaubt etwa, die FCKW zu 99,8 Prozent zu neutralisieren und in ungefährliche Salze umzuwandeln, versichert der Spanier.
Inzwischen stehen in den Hallen bei Arico auf fünf verschiedenen Recycling-Linien komplexe Fließband-, Neutralisierungs- und Schredderanlagen. Ein normaler Kühlschrank beispielsweise ist in gerade einmal einer Minute zerlegt und sortenrein entsorgt. Die zurückgewonnenen Materialien, aufs Kleinste zerstückelt, sauber eingetütet oder in Kartons gepackt, verkauft E-Waste an Wertstoffhändler weiter. „Diese Geschwindigkeit und Effizienz machen uns so profitabel“, sagt Bustabad.
Recyceln – das bessere Geschäft?
Auch deshalb glaubt der Unternehmer, dass sein Vorbild auf lange Sicht auch der „Müll-Mafia“, wie er sie nennt, das Geschäft abgraben könnte. Der Spanier will mit seinen Kampagnen, in seiner Stiftung und an Unis und Businessschulen zeigen, dass Recyceln das bessere Geschäft ist: „Wenn die Zahlen und die rechtlichen Grundlagen stimmen, werden mehr und mehr Firmen in das Geschäft investieren und die Kriminalität in diesem Sektor verdrängen.“
Bustabad selbst sieht sich für wachsende Nachfrage jedenfalls gerüstet. Derzeit laufe die Anlage im Zwei-Schicht-Betrieb, „aber wir könnten locker auch drei fahren“.
Selbst die eigene Familie, erzählt der grüne Pionier augenzwinkernd, spannt er ein: „Eines der ersten Worte, das meine drei Kinder gelernt haben, war ,Recycling‘.“ Und auch der Vater habe inzwischen eingelenkt und dem Sohn zugestanden, „dass man mit Umweltbewusstsein sehr wohl Geld verdienen kann“.