Doch auch mit dem Bioschwein ist die Gefahr nicht gebannt. „ Zu glauben, wenn man alles an sich heranholt und auf den Biobauernhof verlagert, würde alles verbessern, wäre naiv“, sagt der Skandalforscher. „Auch die Hühner und Schweine vom Biobauern werden geschlachtet.“ Vielleicht würden die Skandale dadurch seltener, aber es gäbe sie. Und wir würden uns wieder nur dann damit beschäftigen, wenn es akut – sprich: medial allgegenwärtig – ist. Ansonsten will man es lieber gar nicht so genau wissen.
Verbraucher hat eine Verantwortung
Die Betrachtungen des Risikoforschers sind erschreckend – vor allem, wenn man einen Blick auf den Konsumenten in diesem Chaos wirft. Wir Endverbraucher erfahren in unzähligen Presseberichten von globalen Lieferketten, die kaum zu kontrollieren sind. Wir lesen mal von Pandemien, mal von Panikmache und dann wieder von Forderungen der Politiker. Es ist ein Kreislauf: Erst ist das Geschrei groß, der Konsument dadurch verunsichert, für eine gewissen Zeit verzichtet er dann auf bestimmte Lebensmittel – bis der Alltag wieder Einzug erhält und damit die gewohnten Verhaltensmuster.
Natürlich konnte kein Verbraucher ahnen, dass Pferdefleisch in der Tiefkühl-Lasagne ist. Dass die Hack-Kost für 1,99 Euro aber nicht sonderlich nachhaltig produziert sein kann, dürfte jedem halbwegs aufgeklärten Menschen klar gewesen sein. Gleiches gilt für die beliebten schwedischen Hackbällchen bei IKEA. Dennoch wurde wider besseres Wissen beherzt zugegriffen. So schwierig die Stellschrauben im Bereich der Lebensmittelkontrollen zu lösen sind, der Verbraucher hat eine Verantwortung, die er durchaus wahrnehmen kann. Dafür muss das Gewohnheitstier Mensch allerdings seine üblichen Verhaltensmuster durchbrechen. Genau hierin besteht ein Problem, das Georg Felser, Konsumpsychologe an der Hochschule-Harz, intensiv studiert hat.
Das Gewohnheitstier Mensch
„Selbst wenn man weiß, was richtig ist, hat man noch lange keine konkrete Vorstellung davon, was man eigentlich tun kann“, sagt er. Konkret bedeutet das, dass man seine gut gemeinten Absichten zu konkreten Arbeitsschritten herunterbrechen muss. Die Idee, auf Billig-Kost zu verzichten, reicht also nicht. Es muss im Gehirn die Entscheidung verankert werden, sich an der Tiefkühltheke auch entsprechend zu verhalten. Die Tatsache, dass wir über vieles nicht mehr nachdenken, sondern einfach machen, erschwert diesen Prozess. „Wenn die entsprechende Situation auftaucht, muss ich mich auch an meinen Entschluss erinnern“, erklärt Felser. Dieser Transfer der Entscheidung, die beim Nachrichten gucken auf dem Sofa getroffen wurden, hin zu einem Handeln im Supermarkt ist ein Vorgang, der sich nicht nur bewusst verankern muss – er muss auch immer wieder wiederholt und so gelernt werden. „Ein Umdenken setzt nur durch Übung ein“, ist sich der Konsumpsychologe sicher.