Immer wieder Lebensmittelskandale Warum sich nichts ändern wird

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Der ewige Verhaltenskreislauf

Zehn Entscheidungsfallen, in die wir regelmäßig tappen
Spontan macht großzügigWer spontane Entscheidungen trifft, ist spendabel – wer dagegen lange zögert, neigt eher zur Knausrigkeit. Das fanden Forscher der Universität Harvard in einer Studie mit 2000 Teilnehmern heraus. In einem Experiment wurden die Probanden in Vierergruppen eingeteilt und sollten jeweils Geld in einen Topf werfen. Das wurde später verdoppelt und auf alle Gruppenmitglieder aufgeteilt. Die Personen, die ihr Geld schneller in die Gemeinschaftskasse warfen, gaben in der Regel auch mehr Geld  ab als diejenigen, die sich mit ihrer Entscheidung länger Zeit ließen. Quelle: Fotolia
Weniger ist manchmal mehr Wer bei seinen Kaufentscheidungen zwischen einer großen Auswahl an Produkten wählen kann, wird mit seiner Entscheidung am Ende nicht unbedingt glücklicher sein. Das Phänomen beschreibt Verhaltenspsychologe Barry Schwartz oft am Beispiel des Jeans-Kaufs. Wer vor einer riesigen Auswahl an Jeans mit verschiedenen Farben und Schnitten steht, hat es schwer die richtige zu finden. Zum einen dauert die Entscheidung deutlich länger als bei einer kleinen Auswahl, zum anderen kommen zu Hause die Selbstzweifel: Habe ich das richtige Model gewählt, gibt es vielleicht bessere? Ähnliches passiert in Restaurants mit umfangreichen Speisekarten. Studien zeigen, dass Kunden im Supermarkt mehr kaufen, wenn die Auswahl kleiner ist. Quelle: REUTERS
Actionspiele beeinflussen Entscheidungen positivVerhaltensforscher der Universität Rochester haben herausgefunden, dass Actionspiele dabei helfen, Entscheidungen schnell und korrekt zu treffen. Die Spieler können der Studie zufolge besser einschätzen, was um sie herum vorgeht. Das hilft im Alltag beim Autofahren oder anderen Multitasking-Situationen. Probanden der Studie waren 18 bis 25-Jährige, die nicht regelmäßig spielten. Quelle: dpa
Sport macht effektivÄhnlich positiv wirkt sich Sport auf Entscheidungen aus. Wer sich im sportlichen Wettkampf gegen den Gegner durchsetzen will, muss schnelle Entscheidungen treffen. Eine Studie an 85 Handballern zeigte, dass deren Aktionen umso effektiver waren, je weniger Zeit sie vorher zum Nachdenken hatten. Quelle: dpa
Wahl nach ÄußerlichkeitenVersuchen zufolge hängen Wahlentscheidungen stark von der äußeren Erscheinung des jeweiligen Politikers ab. In einer Studie beurteilten die Testpersonen Wahlplakate aus der Schweiz. Obwohl sie nichts über die Politiker wussten, sondern nur ihr Aussehen kannten, trafen sie insgesamt fast die gleiche Wahlentscheidung wie die echten Wähler.   Quelle: dpa
Bequemlichkeit für mehr Gesundheit Wer sich vornimmt, im neuen Jahr, ab morgen oder nächster Woche endlich gesünder zu essen, wird voraussichtlich scheitern: Denn nur wenn gesünder auch gleichzeitig bequemer heißt, ist das Vorhaben erfolgversprechend. Ist die Salatbar näher als das Nachspeisenbuffet, greifen mehr Menschen zur Tomate. Schließt die Tür des Aufzugs sehr langsam, benutzen mehr Leute die Treppe. Dies zeigten Versuche an der Universität Cambridge.  Quelle: Creative Commons-Lizenz
Sohn zur Mutter, Tochter zum VaterBei der Partnerwahl lassen sich Menschen offenbar stark von ihrer Familie beeinflussen. Einer Studie der ungarischen Universität Pécs zeigt, dass Männer sich gerne für Lebenspartnerinnen entscheiden, deren Gesichtszüge denen der Mutter ähneln. Andersherum wählen Frauen gerne Männer, in denen sich der Vater wiedererkennen lässt. Quelle: dpa

Doch auch mit dem Bioschwein ist die Gefahr nicht gebannt. „ Zu glauben, wenn man alles an sich heranholt und auf den Biobauernhof verlagert, würde alles verbessern, wäre naiv“, sagt der Skandalforscher. „Auch die Hühner und Schweine vom Biobauern werden geschlachtet.“ Vielleicht würden die Skandale dadurch seltener, aber es gäbe sie. Und wir würden uns wieder nur dann damit beschäftigen, wenn es akut – sprich: medial allgegenwärtig – ist. Ansonsten will man es lieber gar nicht so genau wissen.

Verbraucher hat eine Verantwortung

Die Betrachtungen des Risikoforschers sind erschreckend – vor allem, wenn man einen Blick auf den Konsumenten in diesem Chaos wirft. Wir Endverbraucher erfahren in unzähligen Presseberichten von globalen Lieferketten, die kaum zu kontrollieren sind. Wir lesen mal von Pandemien, mal von Panikmache und dann wieder von Forderungen der Politiker. Es ist ein Kreislauf: Erst ist das Geschrei groß, der Konsument dadurch verunsichert, für eine gewissen Zeit verzichtet er dann auf bestimmte Lebensmittel – bis der Alltag wieder Einzug erhält und damit die gewohnten Verhaltensmuster.

Natürlich konnte kein Verbraucher ahnen, dass Pferdefleisch in der Tiefkühl-Lasagne ist. Dass die Hack-Kost für 1,99 Euro aber nicht sonderlich nachhaltig produziert sein kann, dürfte jedem halbwegs aufgeklärten Menschen klar gewesen sein. Gleiches gilt für die beliebten schwedischen Hackbällchen bei IKEA. Dennoch wurde wider besseres Wissen beherzt zugegriffen. So schwierig die Stellschrauben im Bereich der Lebensmittelkontrollen zu lösen sind, der Verbraucher hat eine Verantwortung, die er durchaus wahrnehmen kann. Dafür muss das Gewohnheitstier Mensch allerdings seine üblichen Verhaltensmuster durchbrechen. Genau hierin besteht ein Problem, das Georg Felser, Konsumpsychologe an der Hochschule-Harz, intensiv studiert hat.

Das Gewohnheitstier Mensch

„Selbst wenn man weiß, was richtig ist, hat man noch lange keine konkrete Vorstellung davon, was man eigentlich tun kann“, sagt er. Konkret bedeutet das, dass man seine gut gemeinten Absichten zu konkreten Arbeitsschritten herunterbrechen muss. Die Idee, auf Billig-Kost zu verzichten, reicht also nicht. Es muss im Gehirn die Entscheidung verankert werden, sich an der Tiefkühltheke auch entsprechend zu verhalten. Die Tatsache, dass wir über vieles nicht mehr nachdenken, sondern einfach machen, erschwert diesen Prozess. „Wenn die entsprechende Situation auftaucht, muss ich mich auch an meinen Entschluss erinnern“, erklärt Felser. Dieser Transfer der Entscheidung, die beim Nachrichten gucken auf dem Sofa getroffen wurden, hin zu einem Handeln im Supermarkt ist ein Vorgang, der sich nicht nur bewusst verankern muss – er muss auch immer wieder wiederholt und so gelernt werden. „Ein Umdenken setzt nur durch Übung ein“, ist sich der Konsumpsychologe sicher.

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