Kampf den Plastikabfällen Wie eine Dresdner Firma Plastikmüll zu Diesel machen will

Plastikmüll: Wie eine Firma aus Plastikabfällen Diesel machen will Quelle: dpa

Weltweit wachsende Müllberge werden immer mehr zu einem Problem für die Umwelt. Eine Firma bei Dresden hat ein Verfahren entwickelt, um aus Plastikabfällen Diesel herzustellen. Eine Chance im Kampf gegen Plastikmüll?

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Ein großer, grauer Container, darin eine Anlage mit Dutzenden Rohren, Behältern und jeder Menge Technik. Es brummt und rattert, in der Luft hängt der schwere Geruch von Öl. Für Oliver Riedel ist „WASTX Plastic“ ein „Herzensprojekt“. Der nach vielen Jahren Forschungsarbeit nun fertiggestellte Prototyp soll Plastikabfälle, die nicht mehr verwertbar sind, zu Kraftstoff verarbeiten – etwa 250 Kilogramm pro Tag. „Ein Kilo Plastik ergibt etwa ein Liter Kraftstoff“, sagt der Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Biofabrik mit Sitz in Rossendorf bei Dresden.

Riedel hat eine Vision: Vermüllte Strände, an denen Kommunen oder Hotels die Anlagen aufstellen. Touristen und Einheimische, die ihren Plastikmüll hineinschmeißen und Geld dafür bekommen, etwa über den Zahldienst Paypal. Fischer, die den Müll aus ihren Netzen entsorgen – oder gleich eine Anlage an Bord stehen haben. „Dann fangen die Leute vielleicht an, mehr Plastik am Strand oder im Meer aufzusammeln“, sagt der 43-Jährige. So würde nicht nur der Müllberg schrumpfen, sondern zugleich Kraftstoff produziert: Der kann für Schiffe oder Stromgeneratoren verwendet werden. „Denn viele Inseln, die ein Plastikmüllproblem haben, haben auch ein Energieproblem.“

Das Verfahren, auf das Riedel setzt, ist nicht neu: Bei der Pyrolyse werden Kunststoffe bei hohen Temperaturen zu Gas oder in Flüssigkeit umgewandelt. Riedel und sein Team haben spezielle Reaktoren entwickelt: Die kleingehäckselten Plastikabfälle werden darin unter Entzug von Sauerstoff bei 500 Grad erhitzt, Abfälle wie Sand und Salz herausgefiltert. Am Ende tropft eine dunkle, zähe Flüssigkeit mit Diesel-Eigenschaften heraus. „Gelee Royal“, sagt Riedel schmunzelnd.

Wie Malaysia gegen die Müllberge kämpft
Dieser Berg aus Müll hat die 30.000-Einwohner-Stadt Jenjarom bekannt gemacht, in Malaysia und weit darüber hinaus. Neben einer Palmölplantage haben Unbekannte Tonnen über Tonnen von Plastik aufgeschüttet. Auf den zwei Hektar Land stapeln sich die Kunststoffabfälle Meter hoch. Hier fanden Journalisten der WirtschaftsWoche Verpackungen für Pizza-Käse, Kochschinken, Süßigkeiten, sogar schwäbische Maultaschen aus Deutschland. Auch jede Menge französische oder amerikanische Spezialitäten sind auf diesem Berg zu finden.Plastik fürs Paradies: Wie Plastikmüll von Aldi & Co. in Asien landet, können Sie hier lesen. Quelle: Ahmad Yusni für WirtschaftsWoche
In der Fabrik nebenan gab es vor wenigen Wochen ein großes Feuer. Die Schmuggler haben versucht, ihre Spuren zu verwischen, vermuten die Anwohner. Die illegalen Recycler in der Gegend verbrennen regelmäßig ihre Reste, vor allem nachts. Dabei kann der Rauch giftig sein. Quelle: Ahmad Yusni für WirtschaftsWoche
Die Behörden versuchen, die illegalen Fabriken dicht zu machen. Über 100 Razzien hat das Umweltministerium angekündigt. Nicht nur wegen des Rauchs. Die Fabriken nutzen auch keine Wasser- oder Luftfilter. Chemikalien und Dreck geraten deshalb in die Umwelt. Quelle: Jacqueline Goebel für WirtschaftsWoche
Eine Plane soll vor neugierigen Blicken schützen. Reihen von Säcken stapeln sich dahinter, das meiste randvoll mit Plastik. Es handelt sich um Gewerbeabfälle: Produktionsrückstände, Randschnitte, Fehlchargen. Auf den Säcken sind japanische, türkische und auch deutsche Schriftzüge zu lesen. Quelle: Jacqueline Goebel für WirtschaftsWoche
Eine Polizistin steht vor Ballen mit Gehäusen von alten Fernsehern und anderen Elektrogeräten. Die Maschinen werden in Europa zerlegt, dann werden die billigen Plastikreste ins Ausland gekarrt. So ist es seit Jahrzehnten. Früher gingen Lieferungen wie diese vor allem nach China. Doch vor einem Jahr hat China einen Importstopp erlassen, die Grenzen sind dicht. Nun schlägt dieser Müll auf einmal in Malaysia auf. Und auch die chinesischen Kriminellen, sagen manche. Quelle: Jacqueline Goebel für WirtschaftsWoche
In winzigen Wohncontainern hausten die Arbeiter auf dem Gelände der illegalen Fabrik. Auch sie waren wahrscheinlich illegal hier, vermuten die Ermittler. Oft kommen Arbeiter aus Indonesien oder Bangladesch. Tag und Nacht nahmen sie den Schrott auseinander, und das für 900 Ringgit im Monat – nicht mal 200 Euro. Quelle: Jacqueline Goebel für WirtschaftsWoche
Pua Lay Peng ist in Jenjarom aufgewachsen. Sie will ihre Heimatstadt schützen. Deshalb gründeten sie und ihre Nachbarn die Kuala Langat Environmental Protection Association. Mit Rollern und einer Drohne erkundschafteten sie die Gegend. Sie fanden mehr und mehr Fabriken und Deponien. Im November machte die Organisation mit der Hilfe von Greenpeace öffentlich, was in ihrer Heimat geschah.Plastik fürs Paradies: Wie Plastikmüll von Aldi & Co. in Asien landet, können Sie hier lesen. Quelle: Ahmad Yusni für WirtschaftsWoche

Bedruckte Aludeckel, Verpackungen mit Lebensmittelresten, Dachpappe oder Fischernetze kann die Anlage zu Öl umwandeln – Sachen, die nicht recycelt werden können und deshalb zum Großteil verbrannt werden. Kürzlich veröffentlichte Zahlen im „Plastikatlas“ der Umweltorganisation BUND sind drastisch: Über 400 Millionen Tonnen Kunststoff werden pro Jahr weltweit hergestellt, zwischen 1950 und 2015 waren es insgesamt 8,3 Milliarden Tonnen. Nicht einmal ein Zehntel wurde recycelt. Jeder Deutsche verursachte 2016 durchschnittlich 38 Kilogramm Plastikmüll.

Riedel arbeitet mit einem 25-köpfigen Team aus Wissenschaftlern, Mechatronikern und Ingenieuren. In Asien sah er Berge von Plastikmüll und kam auf die Idee, daraus Kraftstoff zu machen. Ein Jahr lang reiste er durch die Welt, um sich verschiedene Anlagen anzuschauen, erzählt der Geschäftsmann. Was er sah, war meist zu teuer oder zu wenig effizient. „Wir wollten kleine, dezentrale Anlagen, die jeder mit dem Tablet bedienen kann, die profitabel sind und deutsche Umweltstandards erfüllen.“ Sechs Jahre lang forschten Riedel und sein Team – mit vielen Rückschlägen.

Roman Maletz, der am Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden über Kunststoffrecycling forscht, hält die Umwandlung von Plastik in Rohstoffe für einen richtigen Ansatz zur nachhaltigen Verwendung von Kunststoffabfällen. Die Erfahrung habe aber gezeigt, dass die technische Umsetzung schwierig sei. Wirtschaftlich sei das Verfahren nur sinnvoll, wenn man große Anlagen betreibe. Diese wiederum seien aber oft störungsanfällig durch den sehr unterschiedlichen Abfall. „Wenn das eine konkurrenzfähige Technologie wäre, hätte sich das schon viel stärker durchgesetzt“, glaubt Maletz.

Zudem sei die Umwandlung ein energieintensiver Prozess. Maletz sieht daher vor allem Potenzial bei großen Energiekonzernen, die Anlagen in ihre Prozesse einbinden könnten. So will etwa der Chemiekonzern BASF mit dem Projekt „ChemCycling“ aus Kunststoffen Synthesegas oder Öle herstellen, die fossile Rohstoffe in der Produktion teils ersetzen sollen. Auch der österreichische Energiekonzern OMV hat ein Verfahren entwickelt, mit dem aus Plastikabfällen Rohöl gewonnen werden kann. Dabei werden gebrauchte Plastikverpackungen und -folien durch Hitze- und Druck zu synthetischem Rohöl. Pro Stunde können so aus rund 100 Kilogramm Verpackungsmüll 100 Liter Rohöl gewonnen werden.

In den vergangenen zwei Jahren habe sich viel bei der Rückverwandlung von Kunststoffen in seine ursprünglichen Ausgangsbausteine getan, so Maletz. „Aber eine Wundermaschine, wo man allen Plastikabfall reinsteckt und mit einer guten Energiebilanz ein super Öl herauskommt, kann ich mir schwer vorstellen.“

Biofabrik-Chef Riedel ist dennoch optimistisch, dass sich seine Anlage bewährt: Die erste „WASTX Plastic“ soll demnächst beim Verpackungsspezialisten Schur Star Systems in Flensburg laufen. 1000 Kilogramm Plastikmüll kann sie pro Tag verarbeiten. Mit lokalen Händlern in 35 Ländern ist Riedel im Gespräch, Verträge gebe es etwa mit Händlern in Australien, Japan, USA, Korea und der Türkei. Bis Jahresende will er in den 20 größten Industrienationen mit Händlern vor Ort arbeiten – unter dem Motto: „Trash to cash“ (Müll zu Geld).

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