Der Energiehunger wächst stetig. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet, dass der Energieverbrauch im Jahr 2050 um rund 80 Prozent höher liegen wird als heute - mit katastrophalen Folgen für das Klima.
Denn auch, wenn Deutschland verstärkt auf erneuerbare Energien setzt, folgt der Rest der Welt noch lange nicht. Die OECD erwartet daher, dass sich der globale Energiemix, also die Zusammensetzung unserer Energiequellen, nicht wesentlich verändern wird. Auf erneuerbare Energieträger wie Solar- oder Windkraft sowie Biokraftstoffe dürften bis 2050 nur rund 10 Prozent entfallen.
Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Die Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung.
Trotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU.
Während Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Benzinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren.
Der seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren.
Das Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid.
Rinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen.
Nicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus.
Flugzeuge stoßen CO2, Stickoide, Wasserdampf, Ruß, Sulfat und andere Partikel aus und verpesten so die Umwelt. Die größte Klimawirkung hat laut atmosfair.de das reine CO2, das immer beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht. Außerdem die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon in einem sensiblen atmosphärischen Stockwerk sowie der Abbau von Methan.
Zugleich schreitet die Ausbeutung der natürlichen Energiereserven mit aggressiven und umstrittenen Methoden wie etwa dem Fracking weiter voran, um auch das letzte bisschen fossile Energie aus der Erde zu holen. Eine neue Studie, die im britischen Fachjournal "Nature" veröffentlicht wird, zeigt nun, wie dringlich der Umstieg auf erneuerbare Energieträger ist, um den Ausstoß des Treibhausgases CO2 zu reduzieren. Denn wenn die voranschreitende Klimaerwärmung noch gebremst werden soll, dürfen längst nicht alle Reserven, die förderbar wären, auch genutzt werden.
Ausbeute unvereinbar mit Klimazielen
Wie die Forscher des University College London UCL Institute for Sustainable Resources errechneten, müssen sogar erhebliche Mengen an Öl, Gas und Kohle ungenutzt bleiben, um den Klimawandel aufzuhalten. Bis zum Jahr 2050 müssen demnach ein Drittel der Ölreserven, die Hälfte der Gasreserven und sogar 82 Prozent der derzeit noch vorhandenen Kohlereserven im Boden verbleiben, um das politisch vorgegebene Ziel, die Erderwärmung unterhalb von zwei Grad Celsius zu halten, überhaupt noch erreichen zu können.
Für ihre Berechnungen nutzten die Forscher mathematische Modelle, die die Kosten und Nutzen der Förderung gegenüberstellten und auch den CO2-Ausstoß durch die Verbrennung einbezogen. Der leitende Studienautor Christophe McGlade erklärte: "Wir haben jetzt greifbare Zahlen über die Mengen und Lagen fossiler Energieträger, die für das Zwei-Grad-Temperatur-Limit unberührt bleiben sollten."
Die Politik müsse endlich verstehen, dass das Streben nach einer Ausbeute der fossilen Energiereserven ihrer Länder bis zum letzten Tropfen "völlig unvereinbar" mit den Klimazielen sei. Letztere besagen, dass ein Temperaturanstieg um zwei Grad gegenüber der weltweiten Durchschnittstemperatur der vorindustriellen Zeit für die Erde gerade noch vertretbar ist.
Um auch nur eine 50-prozentige Chance zu haben, dieses ambitionierte Ziel noch zu erreichen, muss der weltweite Ausstoß von CO2 stark heruntergefahren werden. Schätzungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gehen davon aus, dass hierfür zwischen 2011 und 2050 nur rund 1100 Gigatonnen CO2 freigesetzt werden dürfen - also ein begrenztes Budget. Aktuellen Schätzungen zufolge würde durch die fossilen Energiereserven, die derzeit bekannt und unter ökonomischen wie technologischen Gesichtspunkten als förderbar anzusehen sind, etwa das Dreifache an klimaschädlichem Gas freigesetzt. Daraus folgt: Wir dürfen das, was an Öl, Gas oder Kohle abbaubar wäre, gar nicht nutzen.
Besonders wenig Kohle nutzbar
Die Forscher warfen einen Blick darauf, wo besonders große potenzielle Reserven liegen, die besser ungefördert bleiben sollten: Demnach sollte der Großteil der Kohlereserven in China, Russland und den USA nicht genutzt werden. Ebenso rund 260 Milliarden Barrel Öl im Mittleren Osten. "Das entspricht von der Menge her etwa den kompletten Ölreserven Saudi Arabiens", erläutert McGlade.
Zusätzlich sollten mehr als 60 Prozent der Gasreserven im Mittleren Osten im Boden gelassen werden. Der Mittlere Osten hält etwa die Hälfte der globalen Gasreserven. Schaut man etwa nach Europa, haben die Länder zwar geringere Reserven - wegen eines besseren Kosten-Nutzen-Verhältnisses können sie aber einen größeren Anteil davon nutzen. Hier muss etwa durch kürzere Wege zwischen Förderung und Verbrauch weniger zusätzliche Energie in den Transport gesteckt werden.
Der Klimawandel in Zahlen
Um 70.000 km² – das entspricht etwa der Größe Bayerns – ist der Eispanzer der Arktis in diesem Sommer gegenüber 2007 geschrumpft. 2050 könnte das nördliche Polarmeer im Sommer eisfrei sein.
Fast verfünffacht hat sich die Zahl der Wetterkatastrophen in Nordamerika seit 1980. In Asien legte sie um das Vierfache, in Europa um das Zweifache zu.
Rund ein Drittelsaurer sind die Meere geworden. Folge: Korallen, Muscheln und Fische wachsen langsamer. Bis 2100 könnte die Versäuerung um 150 Prozent steigen.
0,4°C ist die Erde seit 1980 wärmer geworden. Bis 2100 könnte sich das Klima um rund vier Grad aufheizen.
Um 5 cm sind die Meeresspiegel seit 1990 im Mittel gestiegen. Bei einer globalen Erwärmung um zwei Grad werden die Pegel wahrscheinlich um 2,7 m höher sein.
Um 15 Prozent sinkt die Reisproduktion bis 2050 in den Entwicklungsländern als Folge der globalen Erwärmung. Bei Weizen werden 13 Prozent weniger geerntet werden.
Die Kohlereserven sollten laut den Berechnungen von allen fossilen Energieträgern am wenigsten genutzt werden: weltweit sollten 82 Prozent im Boden verbleiben. Das liegt daran, dass beim Brennstoff Kohle pro gewonnener Energieeinheit wesentlich mehr Kohlendioxid freigesetzt wird, als bei Gas oder Öl. Allein in den USA und den Ländern der früheren Sowjetunion sollten 200 Gigatonnen Kohle bis 2050 nicht verbrannt werden. Die gleiche Menge sollten China und Indien unangetastet lassen.
Jegliche Vorkommen, die in der Arktis vermutet werden, müssten als "nicht nutzbar" deklariert werden, so die Forscher. Dies sei eine rein ökonomische Kosten-Nutzen-Berechnung. Die Computermodelle zeigen also auf, welche Reserven in welchen Regionen am günstigsten ausgebeutet werden können.
"Die ökologischen Folgen, etwa einer Ausbeute der Reserven in der Arktis, haben wir nicht mit einbezogen - diese könnten durchaus verheerend sein. Dazu muss man nur an den Golf von Mexiko und die Deepwater-Horizon-Katastrophe denken."
Wenn bislang ungenutzte Reserven abgebaut oder neue Quellen gesucht und gefunden würden, müsse man sich eben immer fragen: Wenn ich diese Quelle ausnutzen möchte, welche andere lasse ich dafür ungenutzt? Eine spannende Frage auch und vor allem für die Politik, wenn es etwa darum geht, ob Fracking angewendet werden soll oder nicht. Jede zusätzliche Förderung von eigentlich schwer erreichbaren Reserven wie in Gestein gebundenes Schiefergas führt dazu, dass das CO2-Budget für die Klima-Ziele strapaziert wird.
Warnung an Investoren in Öl und Co.
Neue Technologien zur Speicherung und Abscheidung von CO2, die in den kommenden Jahrzehnten möglicherweise eingesetzt werden können, erhöhten die nutzbaren Mengen fossiler Energieträger nur leicht, schreiben die Forscher weiter. Das Vorhaben ist, mit sogenannter CCS-Technologie (für Carbon Dioxide Capture and Storage) das bei der Verbrennung entstehende Kohlendioxid nicht mehr in die Atmosphäre entweichen zu lassen, sondern einzulagern. Bei der Verbrennung von Biomasse hoffe man, ab 2050 sogar "negative Emissionen" zu erreichen, erklärte McGlade. Weil Pflanzen für ihr Wachstum CO2 einlagern, könne beim Einsatz von Biomasse in CCS-Kraftwerken der Atmosphäre wieder entzogen werden. So weit die Theorie.
Die Berechnungen zeigten nun, dass selbst unter Nutzung solcher CCS-Technologien nur etwa sechs Prozent mehr Kohle verbraucht werden dürfte. Der förderbare Gas- und Öl-Anteil steige um gerade einmal zwei Prozent. Dass diese Auswirkungen so gering seien, habe die Forscher selbst überrascht, erklärte McGlade. Das Problem sei, dass diese Technologie eben noch nicht in großem Stil kommerziell einsetzbar sei. Für ihre Untersuchung nahmen die Forscher an, dass der großtechnische Einsatz in Kraftwerken ab dem Jahr 2025 machbar sein wird - einige Kollegen hielten aber selbst dies für zu optimistisch, schränkte McGlade weiter ein.
Investoren sollten Strategie überdenken
Co-Autor Paul Ekins sprach bei der Vorstellung der Studie vor Journalisten in London auch warnende Worte an Investoren aus, die Geld etwa in Ölfirmen stecken: Allein im Jahr 2013 seien mehr als 562 Milliarden Euro in die Suche und Ausbeute neuer fossiler Energiequellen gesteckt worden. "Aber warum tun sie das", fragte Ekins. Weil mehr fossile Energien im Boden steckten, als wir uns zu verbrennen leisten können, seien die Unternehmen dringend gefordert, diese Strategie zu überdenken.
Es sei wahrscheinlich, dass die Politik am Zwei-Grad-Limit festhalte, da immer mehr Menschen die negativen Auswirkungen des Klimawandels leidvoll zu spüren bekämen, betonte er. "Und auch die Investoren in solche Firmen sollten ihre Geldanlage überdenken", mahnte Ekins. Für langfristige Geldanlagen würden diese Unternehmen zunehmend riskanter. "Gewissenhafte Investoren, die auf das Feld Energie setzen, sollten das Geld zunehmend in solche mit geringem CO2-Ausstoß stecken", so Ekins.
Die Stärke der Studie liege in der detaillierten regionalen Aufspaltung der Analyse, die es so zuvor noch nicht gegeben habe, sagt Michael Jakob vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Gemeinsam mit Jérôme Hilaire vom gleichen Institut hat der Klimaforscher auch einen Kommentar zu der „Nature“-Studie geschrieben. „Eine erfolgreiche Klimapolitik ist letztlich eine Frage der Entschädigung“, sagt Jakob. „Einige Entwicklungsländer fragen sich natürlich, warum sie ihre vorhandenen Reserven ungenutzt lassen sollten, wenn dies doch ihr vorrangiges Ziel - die Bekämpfung der Armut - erschwert.“
Nur ein globales Klimaübereinkommen, das Verlierer entschädige und von allen Teilnehmern als gerecht empfunden werde, könne auf lange Sicht die Nutzung fossiler Energieträger streng begrenzen, heißt es in dem Kommentar. Künftige Technologien zum CO2-Entzug aus der Atmosphäre könnten es möglicherweise erlauben, auch nach 2050 weitere fossile Reserven zu verbrennen, es sei jedoch noch sehr unsicher, etwas über diese Verfahren zu sagen.
Das Fazit der Studienautoren: Die Angst davor, dass uns die fossilen Energieträger ausgehen, ist in einer Welt, die Klimazwängen unterworfen ist, nicht länger relevant. Denn große Teile bereits verfügbarer Reserven und noch in viel größerem Maße bislang unerreichbare oder unentdeckte Quellen dürfen gar nicht angetastet werden, wenn wir den globalen Temperaturanstieg im Zaum halten wollen.
Mit Material von dpa