
Wenn sich Ben Strauss die Zukunft ausmalt, entstehen Bilder wie aus Katastrophenfilmen: Hongkongs Finanzviertel – vom Meer verschlungen. Big Ben in London: ein Solitär in den Wogen. Sogar das Pentagon, der Sitz des US-Verteidigungsministeriums, steht für Strauss eines Tages in den Fluten.
Noch sind das Simulationen des US-Thinktanks Climate Central, bei dem Strauss als Klimaforscher arbeitet. Aber die Schreckensbilder beruhen auf Zahlen. Strauss hat Daten über den Höhenverlauf der Küsten und die Zahl der Einwohner in seine Programme gespeist. Dann ließ er in seinem Computermodell den Meeresspiegel steigen. Das Ergebnis: Falls wir die Erde um vier Grad Celsius aufheizen, steigen die Meere in den nächsten Jahrhunderten vermutlich um neun Meter. Gebiete, auf denen heute 630 Millionen Menschen leben, liegen dann unterhalb des Meeresspiegels. „Dämmen wir den CO2-Ausstoß nicht kurzfristig ein“, warnt Strauss, „ist es kaum vorstellbar, dass viele der größten Küstenstädte den Anstieg des Meeresspiegels langfristig überleben.“
Big Player beim Klima-Poker in Paris
Der weltweit größte CO2-Emittent hat in seiner Klimapolitik eine Kehrtwende vollzogen: Galt die Volksrepublik bei der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen noch als großer Verweigerer, erwarten Beobachter nun, dass sich das Land in Paris für einen erfolgreichen Klimagipfel einsetzen wird. Staatspräsident Xi Jinping und Frankreichs Präsident François Hollande sagten Anfang November in einer Erklärung zu, sich für regelmäßige Kontrollen der in Paris vereinbarten Ziele stark zu machen. Demnach soll alle fünf Jahre eine komplette Überprüfung der erreichten Fortschritte erfolgen. Peking hatte im Juni angekündigt, seine bisherigen Klimaziele für den Gipfel zu erhöhen. Der Ausstoß von Kohlendioxid soll demnach möglichst vor 2030 den Höhepunkt im Land erreichen. 20 Prozent des Energiebedarfs sollen bis dahin aus nicht fossilen Quellen gedeckt werden. Zudem sollen die Emissionen gemessen an der Wirtschaftsleistung bis 2030 um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden. Durch drastisches Einsparen von Kohle hofft China, auch die Smogprobleme in den Großstädten zu lösen.
US-Präsident Barack Obama hat sich früh zum Klimagipfel in Paris bekannt und zeigt sich zuversichtlich. Die größte Volkswirtschaft der Welt hat angekündigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 17 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Bis 2025 sollen sie um 26 bis 28 Prozent sinken und bis 2050 um 80 Prozent. Gegen teils erbitterten Widerstand der konservativen Republikaner hat Obama zuletzt Zeichen gesetzt. So verbot er den Weiterbau der umstrittenen Keystone-Pipeline, die Ölsand-Abbaugebiete in Kanada mit dem Golf von Mexiko verbinden sollte. Allerdings hatte Außenminister John Kerry in Europa Verärgerung ausgelöst, als er erklärte, eine Vereinbarung auf dem Klimagipfel werde „definitiv“ nicht den Status eines Vertrages haben. Dies wird in den USA als innenpolitische Taktik gewertet – einen rechtlich verbindlichen Vertrag müsste Obama wohl durch den von den Republikanern dominierten Senat boxen.
Die EU hat sich selbst im internationalen Vergleich ehrgeizige Ziele gesetzt. So soll sich etwa der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 vermindern. Zudem macht sich der Staatenverbund dafür stark, dass der CO2-Ausstoß bis zum Ende des Jahrhunderts auf Null sinkt. In Paris, so die Forderung, muss ein verbindliches Klimaschutzabkommen vereinbart werden. Zudem soll ein Mechanismus vereinbart werden, bei dem die Weltgemeinschaft ihre Klimaschutz-Anstrengungen alle fünf Jahre auf den Prüfstand stellt und falls nötig nachjustiert. Denn langfristig soll die Erderwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden.
Diese heterogene Gruppe reicht von Bangladesch und anderen stark durch den Klimawandel gefährdeten Staaten bis Saudi Arabien. Viele der Länder haben zwar auch nationale Klimaschutzpläne vorgelegt, die Erfüllung der Ziele jedoch oftmals von finanzieller oder technischer Unterstützung durch die Industrienationen abhängig gemacht. Diese hatten unter bestimmten Bedingungen Klimahilfen zugesagt, die bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar erreichen sollen. Nun pochen die Entwicklungsländer auf konkrete Vereinbarungen dazu. „Das wird ein grundlegender Vertrauenstest für Paris“, sagte der Geschäftsführer der Organisation Germanwatch, Christoph Bals.
Das aufstrebende Schwellenland will bis 2030 etwa ein Drittel weniger Treibhausgase im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt ausstoßen als 2005. Das soll vor allem durch den massiven Ausbau der Solarenergie sowie eine Reduktion der Subventionen für fossile Brennstoffe und eine Kohle-Steuer gelingen. Indiens Formel lautet: 175 Gigawatt aus erneuerbaren Energien schon bis 2022, das ist viermal so viel wie heute. Doch Neu Delhi macht auch klar: Dafür braucht es richtig viel Geld und Technologietransfer. Weil die Industrieländer historisch gesehen den Klimawandel fast allein verantworten, sollten sie nun auch zahlen.
Ein Planet, dessen Landkarten neu geschrieben werden: Das ist es, was die Menschheit sich im Zeitalter der fossilen Brennstoffe gerade erschafft. Um 22,5 Zentimeter sind die Weltmeere seit 1880 gestiegen, also seit der Hochphase der Industrialisierung in Europa und den USA. Städte wie Venedig, London oder New York spüren die anschwellenden Wassermassen schon: Sie müssen sich für Milliarden Dollar hinter Deichen und Sperrwerken verschanzen. Investieren die großen Metropolen nicht massiv in Flutschutz, dann steigen die Schäden laut Weltbank bis 2050 auf eine Billion Dollar pro Jahr. Im Jahr 2100 droht gar der volkswirtschaftliche Kollaps: „Wenn wir nichts tun“, warnt Klimafolgenforscher Jochen Hinkel vom Berliner Thinktank Global Climate Forum, „vernichtet der Anstieg des Meeresspiegels dann jedes Jahr 100 Billionen US-Dollar an Vermögen.“ Mehr, als die gesamte Zivilisation heute jährlich erwirtschaftet.
Wenn sich Ende November die Staatschefs aus aller Welt in Paris treffen, um über den Klimaschutz zu verhandeln, geht es also nicht um Umweltschutz. Es geht darum, wie viel die Weltbevölkerung künftig ausgeben muss, um Landstriche und Metropolen vor dem Untergang zu bewahren.
Vor acht Jahren war der Weltklimarat (IPCC) noch optimistisch: Bis zum Jahr 2100, schrieben die Experten in ihrem Bericht, stiegen die Ozeane höchstens um 59 Zentimeter. Seitdem hat die Realität die Befürchtungen überholt: Die beiden größten Eismassen des Planeten, die Eisschilde in Grönland und der Antarktis, schmelzen schneller als erwartet. Inzwischen glauben etwa Forscher der US-Weltraumbehörde Nasa: Wir müssen eher mit einem Meter Anstieg bis zum Jahr 2100 rechnen – wenn nicht mit mehr. Das hat gravierende Folgen:
- Überschwemmungen, die bisher statistisch alle 100 Jahre auftraten, treffen dann New York zwei Mal im Jahr – und Kalkutta sogar fast einmal im Monat. Allein in Bangladesch sind laut einem Bericht der Asiatischen Entwicklungsbank künftig 36 Millionen Einwohner von den Fluten bedroht.
- Meerwasser dringt durch den Boden ins Land und verseucht Brunnen und Äcker. Längst geschieht das auf den Atollen des Inselstaats Kiribati im Pazifik, wo Menschen nur noch das Wasser nutzen können, das sie in Regentonnen sammeln.
- Manche Gebiete versinken bis 2100 für immer, etwa Teile Floridas. Denn Miami und Co. sind auf porösem Kalkstein gebaut, durch den das Meerwasser unaufhaltsam einsickert – selbst Deiche helfen nicht.
Einige der wichtigsten Fragen der Gegenwart lauten daher: Wie viel CO2 darf die Menschheit noch in die Atmosphäre blasen, um eine Megaflut zu verhindern? Haben Millionen Menschen eine Chance, ihre Heimat zu retten? Und welcher technische und ökonomische Aufwand ist dazu nötig?
Die große Schmelze
Eisbären sind heute nicht unterwegs in Ny-Ålesund, also lässt Kathrin Lang das Gewehr im Schrank. Die Sonne strahlt ihr ins Gesicht, als die Forscherin aus Deutschland mit Mütze und Wollschal vor die Tür tritt und durch den Schnee stapft, hinüber zur Wetterstation. Jeden Tag um kurz vor zwölf lässt sie einen Wetterballon in den Himmel über der Arktis steigen.
Ny-Ålesund, auf dem Archipel Spitzbergen gelegen, ist eine der nördlichsten Siedlungen der Welt, nur 1300 Kilometer vom Nordpol entfernt. 70 Wissenschaftler leben hier, einmal im Monat landet ein Flugzeug mit Lebensmitteln. Lang leitet eine Forschungsbasis des deutschen Alfred-Wegener-Instituts. Abgeschiedener als sie kann man kaum arbeiten. Und trotzdem ist sie einer der ersten Menschen, die mitbekommt, was mit dem Planeten nicht mehr stimmt.
Von ihrer Wetterstation aus sieht Lang den Fjord, der seit ein paar Jahren im Winter nicht mehr zufrieren will. Sie hört von Kollegen, dass sie jetzt Makrelen im Meer fangen, Fische also, die vor Kurzem nur viel südlicher, in wärmeren Gewässern lebten. Vor allem aber sieht Lang die Daten ihrer Wetterballons.





Und die sprechen eine klare Sprache: „Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest des Planeten“, sagt Lang. War das Jahr 2015 weltweit im Schnitt bisher ein Grad Celsius wärmer als die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, sind es in der Arktis schon zwei Grad. Am Boden sind die Temperaturen im Winter seit 1993 sogar im Schnitt um sechs Grad gestiegen. Ursache ist eine tückische Rückkopplung: Am Pol reflektiert das helle Eis 80 Prozent des Sonnenlichts ins All. Je mehr Eis aber schmilzt, desto mehr Wärme bleibt am Boden. Und desto schneller schmilzt das Eis.
Was die Forscher auf Spitzbergen wie im Labor untersuchen, nimmt 1000 Kilometer weiter westlich, in Grönland, gigantische Ausmaße an. Vom Jakobshagen-Gletscher etwa, einem Eiskoloss so groß wie Österreich und die Schweiz zusammen, fließen 17 Kilometer pro Jahr ins Meer – drei Mal schneller als vor 20 Jahren. „Dieser eine Gletscher enthält genug Wasser“, sagt Eric Rignot, leitender Erdsystemwissenschaftler bei der Nasa, „um den Meeresspiegel um einen halben Meter anzuheben.“ Ein halber Meter mehr – dann wären die deutschen Deiche schon zu flach, um eine Sturmflut abzuwehren.
Und das Schmelzen hat gerade erst begonnen. „Der Meeresspiegelanstieg ist wie ein Riesenstein, den wir langsam ins Rollen bringen“, sagt Anders Levermann, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Einmal in Bewegung, sei er nicht zu stoppen.
Wie viel Eis schmilzt – das sagen Computersimulationen immer genauer vorher. Wie schnell – das ist viel schwerer zu berechnen. Klimafolgenforscher Levermann geht von 200 bis 2000 Jahren aus, bis ganze Eisschilde verschwinden. Dass es erheblich rascher gehen kann, zeigen Sedimentproben vom Ende der letzten Eiszeit: Vor 14 500 Jahren stiegen die Meere mehr als drei Meter pro Jahrhundert. Bei dem Tempo wären viele Städte schon im Jahr 2100 ausradiert. Aber auch ohne Turbo-Schmelze wird es ungemütlich.
Mögliche Folgen der Erderwärmung
Der zweitgrößte Eispanzer der Welt enthält genug Wasser, um die Meere um mehr als sechs Meter anzuheben. Schon bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,6 Grad könnte eine unumkehrbare Schmelze starten, haben Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung berechnet.
In der Westantarktis frisst sich das warme Meerwasser unter die Gletscher. Vermutlich sind dadurch Hunderte Kilometer Eis schon instabil geworden. Langfristige Folge: 3,3 Meter höhere Meere. Die Eismassen in der Ostantarktis sind mit harten CO2-Einsparungen noch zu retten. Sonst drohen weitere vier Meter Pegelanstieg.
In New York haben die Menschen schon einen Vorgeschmack auf diese Welt im Wasser bekommen. Die Bilder gingen um die Welt, als Hurrikan Sandy 2012 durch die Metropole fegte: Manhattan im Dunkeln, U-Bahn-Schächte unter Wasser, Tausende Menschen auf der Flucht. Kraftwerke fielen aus, Krankenhäuser mussten evakuiert werden, geschätzte 250 000 Autos zerstörte der Sturm. 53 Menschen starben.
New York rüstet nun seine 840 Kilometer lange Küste gegen die Monsterstürme auf – für 20 Milliarden Dollar. Rund um Lower Manhattan entsteht eine Kette aus Böschungen und Schutzmauern, die bei Sturmflut das Wasser abwehren soll. Unter dem FDR Drive, einer Hochstraße am East River, werden Schutzwände befestigt. Bei Hochwasser lassen sie sich herunterklappen. Südlich von Staten Island schütten Boote Riffe auf, die die Wellen brechen.
Auch Deutschland verstärkt seine Küsten: 1471 Kilometer Deiche, Sperren und Wehre werden um 50 Zentimeter aufgestockt. Allein Hamburg lässt sich den Ausbau ab nächstem Jahr 550 Millionen Euro kosten, Niedersachsen investiert 800 Millionen Euro. Alle neuen Bauten sind so angelegt, dass sie sich in Zukunft leicht erhöhen lassen. „Wir wehren problemlos einen Meter Meeresspiegelanstieg ab“, sagt Rainer Carstens, Planungsleiter beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Doch das verschlingt weitere Milliarden.

In den Augen der Küsteningenieure wird die Anpassung an den Klimawandel zum gigantischen Bauprojekt: Teuer, aber machbar – zumindest in den reichen Industrieländern. „Viele reden davon, dass wir uns von der Küste zurückziehen müssen“, sagt Robert Nicholls, Professor für Küsteningenieurwesen an der Universität Southampton, „aber das ist Unsinn.“ Es gebe viele Wege, das Land zu schützen: erneuerte Dünen, künstliche Sandbänke, Hochwassermauern.
Aber auch er muss einräumen, dass die Zukunft böse Überraschungen bereithält: „Wir werden größere Desaster an den Küsten erleben“, sagt Nicholls, „als wir je gesehen haben.“ Denn wenn mehr Menschen in die Städte ziehen, mehr Vermögen hinter Deichen sitzt, wächst auch der Schaden, sobald ein Wall bricht oder eine unerwartet hohe Sturmflut eintritt. Allein die chinesische Millionenstadt Guangzhou muss laut einer in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlichten Studie im Jahr 2050 mit Schäden von 13,2 Milliarden Dollar pro Jahr rechnen – selbst wenn sie ihren Küstenschutz anpasst.
Wo die Wellen aggressiver werden
Auch Teile der Millionenstadt Boston an der Ostküste der USA werden Ende des Jahrhunderts bei Flut unter Wasser liegen – darunter das historische Viertel Back Bay. Üblicher Preis für ein Haus hier: 20 Millionen Dollar. Vergangenen Sommer setzten sich Stadtplaner in Boston zusammen. Ihr Vorschlag: Aus Straßen sollen Kanäle werden, die das Flutwasser kontrolliert aufnehmen. Boston würde das Venedig der Ostküste.
Der holländische Architekt Koen Olthuis denkt sogar noch weiter: „Wir werden nicht nur am Wasser leben, sondern auf dem Wasser“, sagt er. Um zu zeigen, was er damit meint, klettert er an einem Herbsttag am Stadtrand von Delft auf einen Deich. Dahinter: ein Kanal, auf dem ein halbes Dutzend Häuser schwimmt. Seit mehr als zehn Jahren perfektioniert Olthuis mit seinem Architekturbüro Waterstudio Pontons, auf denen ganze Villen Platz haben.
„Bald bauen wir ganze Quartiere auf dem Wasser“, sagt Olthuis, „mit Straßen, Häusern und Bäumen darauf.“ Los geht es auf den Malediven. Der Inselstaat im Indischen Ozean könnte bis Ende des Jahrhunderts untergehen. Dort baut Olthuis auf dem Wasser eine Ferienanlage mit 185 Häusern. Zu Luxuspreisen. Doch in Massen produziert, sollen die Plattformen preiswerter werden. „Steigt der Meeresspiegel“, sagt Olthuis, „dann steigen die Häuser mit.“
Zahlen zur Erderwärmung
...forderte die Hitzewelle von 2003 allein in Frankreich.
...Dollar Mehrkosten für den globalen Küstenschutz.
weniger Hitze in Wüstenstädten dank optimaler Luftströmung.
In einem Slum in Doha, Bangladesch, plant Olthuis ein schwimmendes Klassenzimmer. Die Viertel der Armen ließen sich so auch schnell mit Kraftwerken oder öffentlichen Toiletten aufrüsten, glaubt er. Es ist eine von vielen Ideen, auf die Entwicklungsländer sehr bald angewiesen sein werden.
Die Flut steht sehr hoch an diesem Sommerabend in Beira, Mosambiks zweitgrößter Metropole, und als Daviz Simango das Marktviertel am Strand erreicht, baden schon Dutzende Häuser im Wasser. Der Bürgermeister ist mit einer Gruppe deutscher Entwicklungshelfer und Journalisten unterwegs, er will trommeln für sein großes Flutschutzprojekt, das Beira vor Überschwemmungen schützen soll. Plötzlich hört Simango es krachen, in einer Seitengasse springen Menschen zur Seite, und dann stürzt die Veranda eines Fischerhauses ächzend in die Wogen.
Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Die Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung.
Trotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU.
Während Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Benzinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren.
Der seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren.
Das Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid.
Rinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen.
Nicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus.
Flugzeuge stoßen CO2, Stickoide, Wasserdampf, Ruß, Sulfat und andere Partikel aus und verpesten so die Umwelt. Die größte Klimawirkung hat laut atmosfair.de das reine CO2, das immer beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht. Außerdem die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon in einem sensiblen atmosphärischen Stockwerk sowie der Abbau von Methan.
Der Bürgermeister schaut sich den Schaden an, es ist nicht das erste Haus, das dieses Jahr in die Brüche geht. „Die Wellen werden aggressiver“, sagt Simango. „Das Wasser steigt und zerstört Stück für Stück unsere Küste.“
Experten aus Südafrika haben Beiras Küste akribisch untersucht. Steigt das Meer um einen Meter, sind ganze Straßenzüge, die dem Ozean am stärksten ausgeliefert sind, nicht mehr zu retten. Und großen Teilen der Stadt drohen verheerende Flutschäden. Bürgermeister Simango holt seinen Blackberry aus der Tasche und tippt ein paar Zahlen ein. „16 Millionen Euro“, sagt er schließlich, „das ist das ganze Budget der Stadt.“ Davon könnte Beira sich gerade mal einen oder zwei Kilometer Wellenbrecher leisten.
In Mosambik an der flachen Ostküste Afrikas, wo 90 Prozent der Menschen von weniger als zwei Dollar pro Tag leben, muss Flutschutz ohne teure Deiche auskommen. Wie, das will Beira mit einem Projekt im Herzen der Stadt beweisen. Dort, wo sich bisher der Rio Chiveve schlängelte, ein Fluss, der mit jeder Flut vom Meer her anschwillt, sind seit Monaten Bauarbeiter im trockenen Erdreich unterwegs. Sie baggern den Rio Chiveve auf drei Kilometer Länge frei, damit das Wasser wieder abfließen kann. An der Mündung errichten sie ein Wehr aus Beton und Stahltoren, die sich schließen, sobald eine Sturmflut zu viel Wasser in den Fluss drängt. Bei Ebbe öffnen sich die Schleusen, und das gestaute Flusswasser kann ins Meer fließen.
Umwelt
Am Ufer pflanzen Bauarbeiter Tausende Mangrovenbäume, deren Wurzeln das Erdreich vor Erosion schützen. Knapp 16 Millionen Euro kostet das Projekt. 13 Millionen Euro davon steuert die deutsche Förderbank KfW bei. Es wird nur eines von vielen Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern sein, die die Industrieländer künftig finanzieren. Bis 2020 sollen dazu jährlich 100 Milliarden Dollar in den Green Climate Fund (GCF) fließen, einen Klimaschutzfonds der Vereinten Nationen. Bislang haben allerdings rund 20 Staaten nur zehn Milliarden Dollar zugesagt – und noch weniger tatsächlich eingezahlt.
Es wird also Orte auf der Welt geben, an denen die Menschen vergeblich auf teure Deiche hoffen. „Dünn besiedeltes Land“, sagt Klimafolgenforscher Hinkel, „werde wir vermutlich aufgeben.“ Und was Metropolen droht, wenn das Klima sich um mehr als zwei Grad erwärmt, vermögen selbst Küstenschützer nicht zu prophezeien.
Sieben, zehn oder mehr Meter Wasseranstieg – die gigantischen Deiche und Sperrwerke, die dann nötig wären, hat noch niemand erprobt.
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