Auch Teile der Millionenstadt Boston an der Ostküste der USA werden Ende des Jahrhunderts bei Flut unter Wasser liegen – darunter das historische Viertel Back Bay. Üblicher Preis für ein Haus hier: 20 Millionen Dollar. Vergangenen Sommer setzten sich Stadtplaner in Boston zusammen. Ihr Vorschlag: Aus Straßen sollen Kanäle werden, die das Flutwasser kontrolliert aufnehmen. Boston würde das Venedig der Ostküste.
Der holländische Architekt Koen Olthuis denkt sogar noch weiter: „Wir werden nicht nur am Wasser leben, sondern auf dem Wasser“, sagt er. Um zu zeigen, was er damit meint, klettert er an einem Herbsttag am Stadtrand von Delft auf einen Deich. Dahinter: ein Kanal, auf dem ein halbes Dutzend Häuser schwimmt. Seit mehr als zehn Jahren perfektioniert Olthuis mit seinem Architekturbüro Waterstudio Pontons, auf denen ganze Villen Platz haben.
„Bald bauen wir ganze Quartiere auf dem Wasser“, sagt Olthuis, „mit Straßen, Häusern und Bäumen darauf.“ Los geht es auf den Malediven. Der Inselstaat im Indischen Ozean könnte bis Ende des Jahrhunderts untergehen. Dort baut Olthuis auf dem Wasser eine Ferienanlage mit 185 Häusern. Zu Luxuspreisen. Doch in Massen produziert, sollen die Plattformen preiswerter werden. „Steigt der Meeresspiegel“, sagt Olthuis, „dann steigen die Häuser mit.“
Zahlen zur Erderwärmung
...forderte die Hitzewelle von 2003 allein in Frankreich.
...Dollar Mehrkosten für den globalen Küstenschutz.
weniger Hitze in Wüstenstädten dank optimaler Luftströmung.
In einem Slum in Doha, Bangladesch, plant Olthuis ein schwimmendes Klassenzimmer. Die Viertel der Armen ließen sich so auch schnell mit Kraftwerken oder öffentlichen Toiletten aufrüsten, glaubt er. Es ist eine von vielen Ideen, auf die Entwicklungsländer sehr bald angewiesen sein werden.
Die Flut steht sehr hoch an diesem Sommerabend in Beira, Mosambiks zweitgrößter Metropole, und als Daviz Simango das Marktviertel am Strand erreicht, baden schon Dutzende Häuser im Wasser. Der Bürgermeister ist mit einer Gruppe deutscher Entwicklungshelfer und Journalisten unterwegs, er will trommeln für sein großes Flutschutzprojekt, das Beira vor Überschwemmungen schützen soll. Plötzlich hört Simango es krachen, in einer Seitengasse springen Menschen zur Seite, und dann stürzt die Veranda eines Fischerhauses ächzend in die Wogen.
Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Die Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung.
Trotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU.
Während Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Benzinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren.
Der seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren.
Das Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid.
Rinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen.
Nicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus.
Flugzeuge stoßen CO2, Stickoide, Wasserdampf, Ruß, Sulfat und andere Partikel aus und verpesten so die Umwelt. Die größte Klimawirkung hat laut atmosfair.de das reine CO2, das immer beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht. Außerdem die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon in einem sensiblen atmosphärischen Stockwerk sowie der Abbau von Methan.
Der Bürgermeister schaut sich den Schaden an, es ist nicht das erste Haus, das dieses Jahr in die Brüche geht. „Die Wellen werden aggressiver“, sagt Simango. „Das Wasser steigt und zerstört Stück für Stück unsere Küste.“
Experten aus Südafrika haben Beiras Küste akribisch untersucht. Steigt das Meer um einen Meter, sind ganze Straßenzüge, die dem Ozean am stärksten ausgeliefert sind, nicht mehr zu retten. Und großen Teilen der Stadt drohen verheerende Flutschäden. Bürgermeister Simango holt seinen Blackberry aus der Tasche und tippt ein paar Zahlen ein. „16 Millionen Euro“, sagt er schließlich, „das ist das ganze Budget der Stadt.“ Davon könnte Beira sich gerade mal einen oder zwei Kilometer Wellenbrecher leisten.
In Mosambik an der flachen Ostküste Afrikas, wo 90 Prozent der Menschen von weniger als zwei Dollar pro Tag leben, muss Flutschutz ohne teure Deiche auskommen. Wie, das will Beira mit einem Projekt im Herzen der Stadt beweisen. Dort, wo sich bisher der Rio Chiveve schlängelte, ein Fluss, der mit jeder Flut vom Meer her anschwillt, sind seit Monaten Bauarbeiter im trockenen Erdreich unterwegs. Sie baggern den Rio Chiveve auf drei Kilometer Länge frei, damit das Wasser wieder abfließen kann. An der Mündung errichten sie ein Wehr aus Beton und Stahltoren, die sich schließen, sobald eine Sturmflut zu viel Wasser in den Fluss drängt. Bei Ebbe öffnen sich die Schleusen, und das gestaute Flusswasser kann ins Meer fließen.
Umwelt
Am Ufer pflanzen Bauarbeiter Tausende Mangrovenbäume, deren Wurzeln das Erdreich vor Erosion schützen. Knapp 16 Millionen Euro kostet das Projekt. 13 Millionen Euro davon steuert die deutsche Förderbank KfW bei. Es wird nur eines von vielen Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern sein, die die Industrieländer künftig finanzieren. Bis 2020 sollen dazu jährlich 100 Milliarden Dollar in den Green Climate Fund (GCF) fließen, einen Klimaschutzfonds der Vereinten Nationen. Bislang haben allerdings rund 20 Staaten nur zehn Milliarden Dollar zugesagt – und noch weniger tatsächlich eingezahlt.
Es wird also Orte auf der Welt geben, an denen die Menschen vergeblich auf teure Deiche hoffen. „Dünn besiedeltes Land“, sagt Klimafolgenforscher Hinkel, „werde wir vermutlich aufgeben.“ Und was Metropolen droht, wenn das Klima sich um mehr als zwei Grad erwärmt, vermögen selbst Küstenschützer nicht zu prophezeien.
Sieben, zehn oder mehr Meter Wasseranstieg – die gigantischen Deiche und Sperrwerke, die dann nötig wären, hat noch niemand erprobt.
Hier geht es zu unserem großen Multimedia-Spezial zum Klimawandel. Darin: Infografiken, Animationen und Videoreportagen aus Spitzbergen, Mosambik und den Niederlanden.