Hungersnöte, Kriege, Artensterben – zuletzt gab es kaum noch eine Geißel der Menschheit, an der der Klimawandel nicht schuld sein sollte. Doch sobald die Forscher näher hinsehen, ergibt sich ein differenzierteres Bild, löst sich manche Behauptung in Luft auf.
Hunger? Nie zogen Fischer aus dem US-Bundesstaat Maine mehr Hummer aus dem Atlantik als zurzeit. Meeresbiologen erklären das Phänomen mit wärmeren Strömungen – eine Folge der Erwärmung der Ozeane. Das Überangebot hat die Preise für die einstige Luxus-Delikatesse so stark gedrückt, dass sie nicht einmal mehr die Kosten der Fischer decken.
Kriege? Weil Wasser und Nahrungsmittel knapp und immer mehr Regionen wegen Extremwetters nahezu unbewohnbar würden, warnen Klimawissenschaftler vor einer Zunahme gewalttätiger Auseinandersetzungen. Tatsächlich jedoch sinkt die Zahl internationaler Konflikte seit den Fünfzigerjahren kontinuierlich. Vor allem wegen des wachsenden Wohlstands in vielen Entwicklungsländern. So haben es Forscher der Simon-Fraser-Universität im kanadischen Vancouver analysiert.
Artensterben? Auch hierfür schoben Klimaforscher der Erderwärmung den Schwarzen Peter in die Schuhe. Vorschnell – fanden Biologen der Universitäten in Toulouse und Utrecht gerade in einer Studie heraus. Zumindest für die Vielfalt der Süßwasserfische, so die Wissenschaftler, seien die Verschmutzung und Zerstörung von Lebensräumen weitaus bedrohlicher.
Die drei Beispiele illustrieren das Dilemma der aktuellen Klimapolitik. Im Drang, die Welt wegen der vermeintlich existenziellen Risiken zu raschem Handeln zu bewegen, zeichneten Forscher und Politiker immer bedrohlichere Horrorszenarien.
Doch jetzt zeigt sich: Die Fakten widerlegen viele Untergangsprophezeiungen oder relativieren sie zumindest stark. Wir sollten daher innehalten und die Fakten analysieren. Statt weiter einem Phantom hinterherzujagen, ist die Zeit reif für eine neue Klimapolitik.
Nichts belegt das besser als der gerade in Stockholm vorgelegte fünfte Klimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Kleinlaut muss der Weltklimarat darin eingestehen, dass der zentrale Mechanismus für die Erderwärmung zumindest derzeit nicht so funktioniert, wie die Forscher erwartet haben. Laut ihrer Theorie steigt die globale Durchschnittstemperatur umso rascher, je mehr Kohlendioxid sich in der Atmosphäre befindet. Doch obwohl die CO2-Konzentration zunimmt, pausiert die Erwärmung seit 15 Jahren. Kein Klimamodell des IPCC hat das vorausgesehen (siehe Grafik).
Jetzt mutmaßt der Rat, der Pazifik könne einen Großteil der Erwärmung aufgenommen haben. Eine ausreichende Erklärung ist das nicht. Hans von Storch, Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum in Geesthacht, sieht seine Zunft daher in Erklärungsnot: „Wir müssen schleunigst klären, wie lange die Stagnation anhalten darf, ohne dass wir die gängige Erwärmungstheorie hinterfragen müssen.“
Forscher in Erklärungsnot
Irgendetwas an den bisherigen Simulationen, so viel ist klar, kann nicht stimmen. Das Klima reagiert offenbar weit weniger sensibel auf den Anstieg der Treibhausgase als befürchtet.
Trotz dieses Befunds wird nicht automatisch alles gut. Die Gefahren einer Erderwärmung sind nicht ausgeräumt. Auch wenn Klimaskeptiker die Ungereimtheiten der Forschung jetzt dazu ausschlachten, dem Publikum genau dies zu suggerieren. Das aber ist ebenso unverantwortlich wie die Horrorgemälde der Mahner.
Nicht auszuschließen ist zum Beispiel, dass die Risiken an ganz anderer Stelle auftauchen, als die Klimatologen bisher vermuteten. Gerade hatten diese in Stockholm verhaltene Entwarnung für die Weltmeere gegeben, da meldeten sich in London Meeresforscher zu Wort. Ihre Warnung: Das CO2 versaure die Ozeane so stark wie zuletzt vor 300 Millionen Jahren. Mögliche Folge: Selbst Gewässer wie vor Maine, wo die Fischbestände wegen der Erwärmung gerade stark zunehmen, könnten sich in Todeszonen verwandeln.
Es wäre kurzsichtig, solche Risiken zu ignorieren. Niemand kann wollen, dass eine Nahrungsquelle für Milliarden Menschen versiegt. Doch der Streit der Experten zeigt auch, auf welch unsicherer Basis sich viele wissenschaftliche Aussagen zu Ursachen und Wirkung des Klimawandels bewegen. Weit öfter gibt es mehr Fragen als Antworten.
Die Verfasser des aktuellen Klimareports räumen diese Unsicherheiten an vielen Stellen erstmals ein, anstatt sie wegzudiskutieren. Das ist ein Fortschritt – und zugleich Anlass, die bisherige Klimapolitik neu zu justieren. Der Däne Bjørn Lomborg, Leiter des Copenhagen Consensus Center, sieht stellvertretend für viele Kritiker des IPCC in dem Report die große Chance, „die Klimadiskussion endlich realistischer und intelligenter zu führen“. Die Triebfedern, so ihr Appell, sollten diesmal Rationalität und wirtschaftliche Vernunft statt Alarmismus und blinder Aktionismus sein.
Die Reiter der Apokalypse dagegen malten wahre Schreckensbilder, um die Menschen auf ihren Kurs einzuschwören. Die Spiegel der Meere könnten bis 2100 um bis zu sechs Meter ansteigen und New York überfluten, prophezeite etwa der frühere US-Vizepräsident Al Gore. Selbst ein besonnener Mann wie der Ex-Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern ließ sich dazu hinreißen, mit Rechentricks einen Schaden von 20 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts herbeizurechnen Am Ende musste der Professor einräumen, zu hoch gegriffen zu haben.
Politiker fast aller Couleur ließen sich dennoch nicht zwei Mal bitten. Unter Berufung auf den Stern-Report und die Berichte des IPCC, erließen sie in schneller Folge Gesetze und erfanden Instrumente, die Wirtschaft und Verbrauchern Milliardenlasten aufbürden. Es war chic und galt als förderlich für die Wiederwahl, sich als Klimaretter zu präsentieren. Dass viele Maßnahmen auf äußerst unsicheren Annahmen der Klimaforschung beruhten, störte augenscheinlich nur wenige Mahner.
Hohe Kosten, wenig Ertrag
Die Liste der Eingriffe wird stetig länger: Emissionshandel, Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Autos, Flugzeugen und Kraftwerken, Ökosteuern auf Strom und Benzin, Dämmvorschriften. Die Kosten für Bürger und Unternehmer klettern und klettern. Bundesumweltminister Peter Altmaier rechnet damit, dass allein die Umstellung der Energieversorgung in Deutschland auf Wind und Sonne bis zu einer Billion Euro kostet. Ulrich Eichhorn, der beim Verband der Automobilindustrie den Bereich Technik und Umwelt leitet, schätzt, dass strengere Limits für den CO2-Ausstoß den Bau jedes Fahrzeugs um 3600 Euro verteuern wird. Hintergrund der Rechnung: Die EU-Kommission will die Emissionen bis 2020 auf 95 Gramm pro Kilometer begrenzen.
Zahlen zum Klimawandel
Nur 0,05 Grad Celsius weniger würde die Temperatur durch die EU-Klimapläne ansteigen.
Es ist 300 Euro teurer, eine Tonne CO2 mit Solar- statt mit Windstrom zu vermeiden.
Um 3.600 Euro verteuern schärfere CO2-Grenzwerte jeden Neuwagen.
Mit 15 Billionen Euro will die EU bis 2100 die Erderwärmung bekämpfen.
So gut wie nie hat die Politik ihre Maßnahmen auf die ökonomischen Folgen überprüft. Ebenso wenig achtete sie darauf, ob die Erlässe und Gesetze dem Klima tatsächlich helfen. Das hätte sie aber besser getan. Dann hätte etwa die EU frühzeitig gemerkt, dass ihr Klimapaket, mit dem sie die CO2-Emissionen Europas bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 reduzieren will, zwar viel kostet, aber wenig bringt.
Der niederländische Umweltökonom Richard Tol hat Kosten und Nutzen verglichen. Danach pumpen die EU-Staaten bis 2100 fast 15 Billionen Euro in den Klimaschutz. Den Temperaturanstieg bremst die Summe jedoch nur um 0,05 Grad Celsius. Für fast nichts verspielt die EU jedes Jahrzehnt ein Jahr Wirtschaftswachstum.
Auch an der Zwischenbilanz der selbst ernannten grünen Weltmacht Deutschland zeigt sich das Scheitern bisheriger Klimapolitik: Zuletzt stieg der CO2-Ausstoß wieder – trotz der milliardenschwerer Subventionitis in Wind und Sonne.
Es geht nicht darum, die Erderwärmung zu leugnen. Doch wem die Rettung des Klimas wirklich am Herzen liegt, der muss wollen, dass die eingesetzten Mittel wirken und dass sie effizient eingesetzt werden.
Sonst sind sie schlicht Fehlinvestitionen. Wenn aber am Ende Wirtschaft und Klima am Boden liegen, ist niemandem geholfen. Wir haben daher mit Experten gesprochen und Klimaforscher interviewt – und aus diesen Recherchen fünf Vorschläge für eine effektivere Klimapolitik entwickelt.