Kyocera Das Vorbild der grünen Kapitalisten

Mit hohem technischen Einsatz hat Kazuo Inamori den Konzern Kyocera zum Ökovorreiter entwickelt. Sein Motto: "Tue das, was menschlich wichtig ist". Das könnte ein Beispiel für andere Unternehmen sein.

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Das größte schwimmende Solar-Kraftwerk in Hyogo. Quelle: imago images

Wenn auf den knappen und dicht bebauten Küstenregionen Japans kein Platz mehr für Solarzellen ist, warum installieren wir sie dann nicht auf dem Wasser? Die Idee leuchtete den Ingenieuren des japanischen Technologiekonzerns Kyocera ein, und so schwimmen seit Kurzem schimmernde Siliziumscheiben auf einem Bewässerungsteich für Reisfelder nahe der japanischen Stadt Kasai. Die weltgrößte Anlage dieser Art mit 9100 Zellen – jede nur einen halben Millimeter dick – bedeckt die Fläche von rund zwei Fußballfeldern. Sie liefert 2,7 Megawattstunden Strom pro Jahr, genug für 820 Haushalte. Und sie hat Vorbildcharakter: Ein sechs Mal größeres Kraftwerk entsteht gerade auf dem Yamakura-Stausee südöstlich von Tokio.

Beiden gemein sind zahlreiche Vorteile gegenüber vergleichbaren Anlagen an Land. Sie erzeugen fast 60 Prozent mehr Strom, weil das Wasser die Fotovoltaikzellen kühlt. Zudem dringt weniger Licht ins Wasser, dadurch wachsen Algen langsamer, die sich sonst bei Hitze rasch vermehren. Weil zugleich weniger des kostbaren Nass verdunstet, eignen sich die Kraftwerke für Länder wie Japan, in denen Grund und Boden teurer sind, aber auch für von Dürren geplagte Gebiete wie Kalifornien oder Afrika. Und schließlich lassen sich die schwimmenden Stromlieferanten aus dem Kunststoff Polyethylen am Ende ihrer Lebenszeit vollständig wiederverwenden.

Nutzungsdauer von Elektrogeräten

Die außergewöhnlichen Wasser-Kraftwerke entsprechen genau dem Geschmack ihrer Erfinder von Kyocera: Denn wie weltweit kein anderes Unternehmen konzentriert sich der japanische Technologiekonzern – der Name ist die Abkürzung von Kyoto Ceramic – darauf, Produkte zu entwickeln, die sich möglichst nachhaltig produzieren lassen. Der Chemiker Kazuo Inamori gründete Kyocera 1959 mit dem Ziel, faire Geschäfte im Einklang mit der Natur zu machen. Er versucht so, all jene zu widerlegen, die glauben, ökonomischer Erfolg und ökologische Rendite widersprächen sich. Mit welchen Techniken schaffen die Japaner ihr Ökowunder?

Für ein produzierendes Unternehmen ist der Umweltschutz verblüffend tief in den Abläufen verankert. So verfolgt das Management das Ziel, die relativ zur Produktion eingesetzte Energie pro Jahr um ein Prozent zu verringern. „Unser Brainstorming für neue Produkte beginnt immer damit, dass sie der Gesellschaft etwas bringen müssen“, erklärt Entwicklungschef Katsuhiko Onitsuka. „Erst danach prüfen wir, ob die Geschäftsidee funktionieren und Gewinn einbringen kann.“ Das ist eine ganz andere Denkweise als in vielen westlichen Unternehmen, in denen die Entwickler erst nachträglich überlegen, wie sie negative Auswirkungen eines Produktes auf die Umwelt minimieren.

Wer bei der Nachhaltigkeit punktet
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„In Japan müssen Sachen traditionell lange halten“, erklärt Konzernchef Goro Yamaguchi, der über 230 Firmen, knapp 70 000 Mitarbeiter und fast elf Milliarden Euro Umsatz wacht. „Wir vermeiden Ressourcenverschwendung, auch wenn Investitionen in Umweltschutz nicht sofort Gewinn abwerfen; einige kaufen unsere Produkte nur deshalb.“

So entstand die Idee, Bürodrucker so weit wie möglich zu schrumpfen, um Material und Platz zu sparen. In den Regalen der Elektronikläden unterscheiden sich die sichtbar kleineren Geräte dann von der Konkurrenz und fallen so auf – was wiederum gut für den Absatz ist.

Geduld schafft Gewinn

Kyocera-Manager handeln extrem langfristig: Schon 1975 begannen die Ingenieure, Solarzellen zu verbessern. „Damals versorgten sie nur Verkehrssignale und Telefonzellen in den Bergen“, erinnert sich Nobuo Kitamura, Chef der Solarsparte, an die Anfänge. Der Frühstart machte sich später bezahlt: 1998 wurde Kyocera weltgrößter Hersteller von Fotovoltaikanlagen. Heute liegt der Konzern auf Platz zehn, aber technisch blieb er führend: Im Vorjahr steigerten seine Entwickler den Effizienzrekord für den gängigsten Typ von Solarzellen auf 18,6 Prozent.

Auch das Beispiel des schwierigen Werkstoffs Keramik zeigt, wie konsequent das Management den Umweltgedanken verfolgt: Bei der Verarbeitung gehen nur 0,5 Prozent des Materials verloren. Beim Mahlen, Erhitzen, Sintern, Pressen oder Formen achten die Techniker auf den Energieverbrauch und vermeiden problematische Chemikalien. In der Produktion genutztes Wasser wird gereinigt und ist anschließend zehn Mal sauberer, als es das Gesetz verlangt. Im Abwasserteich in einer südjapanischen Fabrik leben Glühwürmchen, die empfindlich auf Verunreinigungen reagieren. Neben diesen freuen sich auch sensible Investoren: Die Aktie ist in vielen Nachhaltigkeitsfonds enthalten.

Die am meisten verschmutzten Orte weltweit
Agbogbloshie (Ghana)Der Stadtteil der Millionenmetropole Accra ist schon mehrfach zu trauriger Berühmtheit gekommen: Hier leben 40.000 Ghanaer auf einer Fläche von etwa 1.600 Hektar Land und sind dabei den Giften der sie umgebenden Elektromülldeponie ausgesetzt. Handys und Laptops werden hier zerlegt, um noch verwertbare Rohstoffe, wie Eisen und Kuper, zu finden. Quelle: Blacksmith Institute
Tschernobyl (Ukraine)Die Katastrophe von Tschernobyl ist vielen noch im Gedächtnis als dort im April 1986 ein Nuklearunfall ereignete. Damals waren über über 150,000 Quadratkilometer und Millionen von Menschen betroffen. Bis heute besteht eine Sperrzone um den Reaktor. Die Stadt Prypat wurde zur Geisterstadt. Quelle: Blacksmith Institute
Dserschinsk (Russland) Dass die Stadt heute noch zu den am meisten verschmutzten Städten der Welt zählt, hängt vor allem mit seiner Geschichte zusammen. Während des Kalten Krieges wurden hier sowjetische Chemiewaffen wie das Nervengas Sarin und Senfgas hergestellt. Bis heute befindet sich hier eines der Zentren chemischer Industrie. Viele der Chemikalien befinden sich mittlerweile auch im Grundwasser. Quelle: Blacksmith Institute
Citarum River (Indonesien)13.000 Quadratkilometer auf denen insgesamt neun Millionen Menschen leben für die der Fluss der Lebensmittelpunkt ist. Allein 2000 Firmen bedienen sich des Wassers und leiten ihrerseits giftige Chemikalien in das Wasser. Quelle: dpa
Hazaribagh (Indien)270 registrierte Gerbereien gibt es in ganz Bangladesch, allein in der Region gibt es 90-95 Stück mit bis zu 12.000 Angestellten. Jeden Tag erzeugen diese 22.000 Kubikliter giftigen Müller, darunter krebserregendes Chrom. An diesem Giftfluss leben die Arbeiter. Quelle: Blacksmith Institute
Kabwe (Sambia)Wie so oft ist auch in der viertgrößten Stadt der Zentralprovinz der Arbeitsort, gleichzeitig auch der Ort mit den großen Risiken für Gesundheit und das Leben. In der Region wird besonders hochwertiger Blei abgebaut, der zu Boden- und Wasserverseuchung führt. Eine Viertel Million Menschen sind von der Verschmutzung betroffen. Quelle: Blacksmith Institute
Kalimantan (Indonesien)Auch hier sind rund eine Million Menschen durch die Verseuchung von Quecksilber und Cadmium betroffen. Aber Goldminen sorgen dort für das Einkommen von 43.000 Menschen. Quelle: Blacksmith Institute

Die Produkte selbst helfen, die Natur zu entlasten. Keramikfilter aus dem Material vertragen hohe Temperaturen in der Müllverbrennung, es bleiben weniger Rückstände in den Abgasen. Festoxidbrennstoffzellen für Erdgas erlauben die Stromproduktion zu Hause. Messer und Zerspanungsbohrer aus Keramik halten länger und lassen sich nach Gebrauch noch bei der Zementherstellung recyceln. Piezoelektrische Elemente, die beim Anlegen elektrischer Spannung ihre Form verändern, optimieren die Spriteinspritzung in Motoren und senken Benzin- und Dieselverbrauch.

Die Autobranche betrachtet das Management als wichtigstes Wachstumsfeld und hat dazu vergangenes Jahr eine eigene Sparte gebildet. „Bereits heute fährt kein Auto ohne Kyocera-Teil“, sagt Firmenchef Yamaguchi. So lassen keramische Glühkerzen der Japaner Dieselautos im Winter schneller anspringen. Und LED-Leuchten im Scheinwerfer sorgen für mehr Licht auf der Fahrbahn.

Dabei schonen sie auch noch die Umwelt, weil sie deutlich weniger Energie benötigen als konventionelle Glühlampen.

Auch an der Automatisierung des Fahrens arbeiten die Entwickler, was die Verkehrssicherheit drastisch erhöhen soll. Kameramodule helfen den Robo-Autos, sich auf der Straße zu orientieren und Gefahren zu erkennen. In diesem Bereich arbeitet Kyocera mit dem deutschen Zulieferer Bosch zusammen.

Bleibt die Frage, ob sich der Drang zum Musterknabentum rechnet? „Wir fragen uns nicht zuerst, wie wir mehr Geld machen können, sondern was wichtig für die Menschen ist“, sagt Konzernchef Yamaguchi. Er wolle als Geschäftsmann natürlich auch Gewinn machen. „Aber wir verfolgen Profit nicht kurzfristig.“ Was nicht heißt, dass langfristig nichts verdient wird. „Wir haben in 55 Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben“, sagt Yamaguchi, „selbst in der Finanzkrise.“

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