Luftfahrt Kampf gegen den Fluglärm

Zunehmende Proteste gegen Fluglärm setzen die Branche unter Druck. Dank neuer Flugzeugformen, revolutionärer Triebwerke und optimierter Landeverfahren werden die Maschinen ab 2015 nur noch halb so laut sein.

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Die Flüster-Flugzeuge der Zukunft
Der FlüsterfliegerEin möglichst leises Flugzeugmodell benötigt dünne, nach vorne gekrümmte Flügel für geringe Luftverwirbelungen. Weil die Triebwerke zudem auf dem Höhenruder sitzen, strahlt der Lärm hauptsächlich nach oben ab. Quelle: Illustration: Javier Zarracina
Der SpritsparerPassagierjets mit geringem Treibstoffverbrauch fliegen langsamer als heute übliche Maschinen und haben besonders sparsame, aber quälend laute Open-Rotor-Turbinen mit großen, frei stehenden Triebwerksschaufeln. Quelle: Illustration: Javier Zarracina
Der grüne KompromissFlieger mit geringer Umweltbelastung verbrauchen etwas weniger Treibstoff durch Spartriebwerke mit größerem Durchmesser. Für geräuschärmeres Gleiten sorgen größere Flügel, die am Flughafen hochgeklappt werden können. Quelle: Illustration: Javier Zarracina
Der AusdauerrieseGrößere Flügel ermöglichen Jets für mehr Passagiere und weitere Strecken. Der Grund: In die größeren Tragflächen passt wesentlich mehr Sprit und in der breit gezogenen Kabine finden mehr Passagiere Platz. Quelle: Illustration: Javier Zarracina

Vorstände, Ingenieure und Flugzeugfans, die dieser Tage zur Luftfahrtmesse in Farnborough bei London reisen, denken an das Wiedersehen mit alten Bekannten, neue Aufträge – und mitunter auch an Eulen.

Das Interesse an Kauz und Uhu rührt indes nicht daher, dass sie überwiegend nachtaktiv sind, auch wenn das bei den abendlichen Branchenpartys in der britischen Metropole sicher ein Vorteil ist. Die fliegenden Fleischfresser sollen helfen, eines der drängendsten Probleme der Branche zu lösen: Flugzeuge leiser zu machen. Schließlich segeln die gefiederten Räuber dank speziell gezackter Flügel mit einem weichen Flaum an der Unterseite so leise, dass Mäuse, Schlangen und Fische ihr Verhängnis nicht kommen hören.

Es gibt verschiedene Ansätze, um Fluglärm zu reduzieren. Die Infografik zeigt die wichtigsten Lärmquellen am Flugzeug - und wie man sie entschärft.

Diese Fähigkeit zur unmerklichen Annäherung braucht die Flugbranche dringender denn je. Zwar trieb das Jetdröhnen Flughafenanwohner schon immer auf die Barrikaden und sorgte dafür, dass rund 530 Flughäfen weltweit nachts den Flugverkehr unterbrechen müssen – gut doppelt so viel wie noch Ende der Neunzigerjahre.

Lärmreduzierung hat oberste Priorität

Doch in den vergangenen Monaten ist leiseres Fliegen zur Überlebensfrage geworden: Am Flughafen Frankfurt protestieren Anwohner gegen die neue Landebahn; in Berlin drohen 600 Millionen Euro Mehrkosten für zusätzlichen Lärmschutz den Neubau des Airports endgültig unbezahlbar zu machen; und in München stoppte die Furcht vor mehr Getöse den Bau der dritten Startbahn ebenso wie in London. In Zürich, Tokio und Los Angeles kämpfen Flughäfen mit ähnlichen Problemen.

„Lärm ist von den Dingen, die Menschen am Fliegen stören, eindeutig an die erste Stelle gerückt – noch vor dem Abgasproblem“, sagt Johann-Dietrich Wörner, Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das wird in den nächsten Jahren – daran zweifelt kein Experte – eine Flut von Innovationen auslösen. Hersteller von Flugzeugen oder Triebwerken, Fluglinien oder Flughäfen arbeiten intensiv wie nie daran, Fluglärm zu reduzieren. „Wir kämpfen um jedes Dezibel“, sagt Mike Bair, Programmchef des 737 Max genannten neuen Mittelstreckenjets von Boeing.

Ein Flugzeug ist nur so leise wie sein lautester Teil

Die Kette der Ideen ist endlos. Sie reicht von schnell umzusetzenden Dingen wie Flugverfahren, die das Jetgepolter weitgehend auf den Flughafen beschränken. Dazu kommen gegen Mitte des Jahrzehnts leisere Triebwerke und ab 2020 ein grundrenoviertes Flugzeugdesign. Es reicht von einer windschnittigeren Form von Rumpf und Flügel im Eulenstil über eine schlüpfrigere Außenhülle, ähnlich der Haifischhaut, bis zu futuristischen Ideen, wie den Maschinenradau durch gezielten Gegenlärm quasi auszulöschen.

Der Kampf gegen den Krach muss an vielen Fronten gleichzeitig geführt werden: „Weil Lärm an praktisch allen Teilen des Flugzeugs entsteht, ist eine Maschine nur so leise wie ihr lautester Teil“, erklärt Rainer von Wrede, Leiter Umweltforschung von Airbus. „Es ist eine echte Sisyphusarbeit.“

Lärm reduzieren oder Sprit sparen

Mit dem

Dabei verfolgen die Flugzeughersteller ehrgeizige Ziele: „In zehn Jahren sind neue Flugzeuge nicht mal halb so laut wie heutige Modelle“, prophezeit Paul Steele, Chefökologe der Iata, dem Dachverband aller Fluglinien. „Damit werden Flugzeuge außerhalb der Airports praktisch unhörbar.“

Zwar hat die Branche einiges erreicht. Moderne Flugzeuge wie der Airbus A380 oder Boeings Leichtbauflieger 787 machen nur ein Zehntel des Lärms ihrer Vorgänger. Dass Flugzeuge den Flughafen-Anwohnern trotzdem die Grillabende verderben, ist vor allem eine Kostenfrage. Die Airlines konzentrierten sich bisher eher darauf, Sprit zu sparen. So hat Boeing zuletzt lieber die sparsame, aber konventionelle 787 gestartet – statt des neuen Sonic Cruisers, der dank seiner Pfeilform und der neuen Triebwerksanordnung wohl deutlich leiser gewesen wäre, aber nicht sparsamer. Zudem dauert es wegen der langen Lebensdauer von Flugzeugen oft Jahre, bis Innovationen in den Flotten der Fluggesellschaften ankommen.

Ungeliebte Donnervögel
Fluglärm belastet die Gesundheit, das haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt. Wer etwa über Jahre hinweg einem hohen Fluglärm-Pegel ausgesetzt ist, hat ein höheres Herzinfarkt-Risiko als Menschen ohne diese Schallbelastung. Doch wie entsteht Fluglärm eigentlich? Und was tun Hersteller und Flughafenbetreiber, um die Belastungen zu reduzieren? Ein Überblick. Quelle: dpa
StartHauptlärmquelle beim Start sind die Triebwerke des Flugzeugs. Je nach Triebwerksart sind der Motor selbst oder die Abgase für die Geräuschentwicklung verantwortlich. Bei Turboprop-Maschinen entsteht Lärm vor allem an den Propellerblättern, bei Jettriebwerken kommt es bei der Vermischung der Austrittsgase mit der umgebenden Luft zur Lärmentwicklung. Quelle: ap
TriebwerkeDurch neu entwickelte Strahltriebwerke versuchen Hersteller, den Lärmpegel beim Start zu senken. Im Zentrum des Interesses steht dabei der Fan, ein Gebläse zur Beschleunigung des Luftstroms. Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben einen neuen, langsam drehenden Fan entwickelt, der nicht nur deutlich leiser arbeitet, sondern auch Triebwerke mit höherer Leistung ermöglicht. In die gleiche Richtung geht ein Gemeinschaftsprojekt des amerikanischen Herstellers Pratt & Whitney und der deutschen MTU, das es bis 2013 zur Marktreife bringen soll. Quelle: dpa
Zero-SpliceUntersuchungen des DLR haben ergeben, dass ein Drittel des Triebwerklärms nach vorne abgestrahlt wird. Ein Grund dafür sind baubedingte Nähte und Lücken an Teilen im Lufteinlass des Triebwerks. Mit dem Zero-Splice-Verfahren, bei dem der Lufteinlass lückenlos umkleidet wird, lässt sich diese Lärmquelle beseitigen. Zum Einsatz kommt das Verfahren etwa beim Super-Airbus A380. Quelle: dapd
BrennstoffzellenAuch der Weg zur Start- oder Parkposition geht nicht ohne Lärm ab – müssen die Flugzeuge doch auch für die Fahrt über das Rollfeld ihre Triebwerke einsetzen. Abhilfe verspricht hier eine neue Entwicklung des DLR: Brennstoffzellen im Bugrad der Maschine liefern Energie für zwei Elektromotoren, die das Flugzeug ohne Lärm und Abgase über das Rollfeld befördern. Quelle: dpa
LandungBei der Landung sind weniger die Triebwerke als vielmehr Tragflächen und Fahrwerk für die Lärmentwicklung verantwortlich. Das ausgefahrene Fahrwerk und die geöffneten Klappen, hinter denen die Räder während des Fluges verborgen liegen, erhöhen den aerodynamischen Widerstand und bremsen das Flugzeug ab. Gleichzeitig macht sich die Luftströmung an den Rädern sowie an den zur Landung ausgefahrenen Vorflügeln und Landeklappen unangenehm laut bemerkbar. Quelle: dpa
Frankfurter VerfahrenZur Vermeidung von Anfluglärm wurde am Frankfurter Flughafen das sogenannte „Frankfurter Verfahren“ entwickelt. Kern dieser mittlerweile weltweit zum Standard gewordenen Methode ist ein möglichst spätes Ausfahren von Vorflügeln, Landeklappen und Fahrwerk. Gleichzeitig ist der Pilot angehalten, das Flugzeug in einem gleichmäßigen Gleitflug ohne übermäßigen Triebwerkseinsatz sinken zu lassen. Quelle: dapd

Dennoch hat die Branche einen Zeitplan im Kampf gegen den Krach. Noch 2012 sollen Starts und Landungen etwa durch neue Anflugwege leiser werden. 2014 kommen im Vergleich zu heute nicht einmal halb so laute neue Triebwerke, und ab 2020 sollen neue Flugzeugtypen einen weiteren Schub in Richtung leisere Flieger bringen.

Lärmpausen für Schüler

Die Kinder der Martin-Buber-Schule in Frankfurt-Sachsenhausen können davon nur träumen. Sie kennen den Flugplan des Frankfurter Flughafens wahrscheinlich ebenso gut wie die Fluglotsen. Schließlich donnern im Abstand von Minuten Langstreckenflieger über das Gebäude. Selbst an heißen Sommertagen müssen die Schüler Klassenarbeiten bei geschlossenen Fenstern schreiben, weil eine Boeing 747 so laut sein kann wie ein Rasenmäher.

Das soll sich nun ändern. Der Flughafen und die Flugsicherung sind dabei, die Flugwege über Hessen neu zu organisieren. Das soll den Lärm in den nächsten Jahren um bis zu 20 Prozent reduzieren.

Erste Erfolge sind schon beim Start hörbar: Normalerweise sind Flugzeuge in dieser Phase besonders laut, weil ihre Triebwerke mit Vollgas arbeiten. Nun sollen die Piloten die Motoren anders nutzen. Während des Abhebens übernimmt die Elektronik den Schubhebel länger als sonst. Der Flugzeugrechner erkennt, wo sich das Flugzeug befindet, und reduziert über schützenswerten Gebieten automatisch den Schub – und damit den Lärm. Die Software tut das so gefühlvoll, dass zwar der Krach nachlässt, aber der Flieger nicht ins Ruckeln gerät. Nach diesem Prinzip soll nun auch die Landung leiser werden.

Fachleute des Frankfurter Flughafens entwickeln dafür ein hochpräzises Navigationssystem. Zwar steuern die Jets heute schon mithilfe von Satellitennavigation. Doch weil sie sich mit rund 300 Stundenkilometern der Landebahn nähern, ist das noch zu ungenau, um besonders lärmempfindliche Punkte gezielt zu umfliegen.

Präzisere Routen für weniger Lärmbelästigung

Egon Behle, Vorstandsvorsitzender der MTU Aero Engines, will mit neuen Triebwerken nicht nur den Spritverbrauch, sondern auch den Lärm drastisch senken Quelle: dapd

Daher bauen die Planer im Rhein-Main-Gebiet Hilfssender, wie sie bereits in Bremen getestet wurden. Damit können Piloten präziser Routen wählen, auf denen sie weniger Anwohner stören. Außerdem können die Lotsen die Flugzeuge auf mehr Wege verteilen, die sich erst kurz vor der Bahn treffen. „Dieses Point Merge genannte Verfahren schafft zwar den Lärm nicht aus der Welt, aber weil es viele Routen gibt, werden alle seltener beflogen – und die Betroffenen seltener gestört“, sagt der Hamburger Flugexperte Heinrich Großbongardt.

Weitere fünf Prozent weniger Lärm bringen steilere Flugwege. Dabei landen die Maschinen in einem etwas höheren Winkel als den bisher üblichen drei Grad. Der Vorteil: Die Maschinen fliegen höher über an den Flughafen grenzende Stadtgebiete.

Den Effekt verstärkt ein ganz einfaches Mittel: Seit gut einem Monat dürfen Piloten in Frankfurt ihre Triebwerke quasi in den Leerlauf stellen und weitgehend zur Landebahn segeln. Das in der Fachsprache Continuous Descent Approach genannte Verfahren ist bis zu einem Fünftel leiser als beim heute üblichen Treppenanflug, bei dem die Flugzeuge auf jeder Stufe eine Weile geradeaus fliegen und auf jedem Absatz laut Zwischengas geben müssen.

Den Grundschülern in Frankfurt-Sachsenhausen mögen die Entlastungen vorerst kaum auffallen. Doch die Kinder, die diesen Sommer den ersten Schultag haben, werden noch vor dem Wechsel auf das Gymnasium den Unterschied bemerken, auch weil 2014 eine revolutionäre Triebwerksgeneration auf den Markt kommt.

Der ewige Zweikampf
An employee walks past an A320 plane under construction at the final assembly line of Airbus factory Quelle: REUTERS
 A Boeing 737 MAX airplane is pictured in this undated handout photo Quelle: REUTERS
A Bombardier employee installs parts Quelle: REUTERS
787 Dreamliner Quelle: REUTERS
Christoph Franz, chairman and CEO of Deutsche Lufthansa AG, poses for a picture beside a model of the Lufthansa Boeing 747-8 Intercontinental Quelle: dpa
Ein Airbus 380 faehrt ueber das Rollfeld des Flughafens Muenchen "Franz Josef Strauss" Quelle: dapd
 Die EADS Co-Chefs Tom Enders, links, und Louis Gallois posieren mit einem Model eines Airbus A350 Quelle: AP

Fliegende Getriebe

Wer Egon Behle besucht, hat nicht den Eindruck, dass in seinem Büro eine Revolution steigt. Behle ist Chef des Münchner Triebwerksherstellers MTU, und an seinem Arbeitsplatz ist alles grau: die Schränke, die Regale und der Tisch. Dabei hat MTU vor gut zehn Jahren einen Umsturz losgetreten. Das Unternehmen hat begonnen, ein Getriebe für einen Flugmotor mit mehreren Zehntausend PS zu bauen. Bislang sind alle Triebwerksteile über eine Art Stange miteinander verbunden. Dadurch drehen sich alle Teile gleich schnell, obwohl sie effizienter wären, wenn sich der hintere Teil schneller drehen würde als der vordere. Genau das wird mit dem Getriebe möglich.

Das sollte anfangs nur den Verbrauch senken. „Doch damit halbieren wir auch den Lärm“, sagt Behle über das PW1000G genannte Kraftpaket, das er mit dem US-Triebwerkshersteller Pratt & Whitney baut. Als erster Getriebeflieger soll Ende 2013 die C-Series des kanadischen Herstellers Bombardier die ersten Passagiere befördern. Ab Oktober 2015 liefert Airbus den Mittelstreckenjet A320 Neo aus. Bei beiden zählt die Lufthansa zu den ersten Kunden.

Für Behle und seine Konkurrenz wie den britischen Motorenbauer Rolls-Royce oder General Electric aus den USA ist das erst der Anfang. Sie wollen die Technik nicht nur auf größere Triebwerke übertragen. Sie basteln auch an windschnittigeren und damit leiseren Triebwerksschaufeln.

Euphorie in der Luftfahrbranche

Der Jumbojet 747-8i von Lufthansa ist seit Juni im Einsatz - Und dank einer geschwungenen Flügelform und scharfer Zacken am Triebwerkauslass 25 Prozent leiser als die Vorgängermodelle Quelle: Lufthansa

DLR-Chef Wörner arbeitet gar an einer Art Antischall, wie bei modernen Reisekopfhörern die durch gezielte Gegengeräusche den Umgebungslärm mindern: „Wir haben Triebwerke mit Mikrofonen ausgerüstet, die den erzeugten Schall messen und dann den genau passenden Gegenschalldruck über Lautsprecher erzeugen.“

Das stimmt die Branche fast euphorisch: „Bald könnte das Triebwerk der leiseste Teil am Flugzeug sein“, prophezeit Louis Chênevert. Er muss es wissen: Vor seiner Zeit als Chef des Technologiekonzerns UTC hat er dessen Triebwerkstochter Pratt & Whitney geleitet.

Haihaut und scharfe Zähne

Nach anstrengenden Tagen findet Boeing-Manager Bair Ruhe und Ausgleich in der Natur. Ob als Programmchef des Leichtbaufliegers 787 oder des 737 Max getauften neuen Mittelstreckenjets: In seiner freien Zeit sucht der Mittfünfziger Inspiration im Tierreich – bei der Eule zum Beispiel. „Warum sollten wir Dinge neu erfinden, die es bereits gibt“, beschreibt Bair seinen Ansatz im Kampf gegen den Fluglärm.

Die größten Airport-Pannen
Berlin Quelle: dpa
Athen
Bangkok Quelle: dpa
Denver Quelle: AP
Hongkong Quelle: AP
Kuala Lumpur Quelle: REUTERS
Paris Quelle: AP

Der erste Erfolg dieses Denkens ist der neue Jumbojet 747–8i, mit dem die Lufthansa seit Anfang Juni zwischen Frankfurt und Washington pendelt. Boeings neues Top-Modell ist rund ein Viertel leiser als Vorgängermodelle, unter anderem dank der scharfen Zähne am Triebwerksauslass, den sogenannten Chevrons, und einer neuen, geschwungenen Flügelspitze. Beide Innovationen hat sich Boeing-Mann Bair bei den Flügeln der Eule abgeschaut: Sie teilen große Luftwirbel in viele kleinere, die wiederum wesentlich leiser sind.

Evolution des Flugzeugrumpfes

Das ist der Auftakt für den kompletten Umbau des Flugzeugrumpfes. Er beginnt bei einer glatteren Oberfläche. Zwar kommt ein Flugzeug nicht ohne hervorstehende Teile aus wie die Pitotrohre genannten Röhrchen, mit denen die Maschine ihre Geschwindigkeit misst. Kanten, Türrahmen und Antennen hingegen sollen künftig verschwinden. Um die größten Lärmquellen an der Außenhaut zu identifizieren, ließ DLR-Chef Wörner bei mehreren Testflügen eine Lufthansa-Maschine mit einem ganzen Park aus Mikrofonen überwachen und fand zig unerwartete Krachmacher: den Deckel eines Tankstutzens etwa, der in bestimmten Fluglagen die vorüberrasende Luft in einem schrillen Pfeifgeräusch in Schwingungen versetzte.

Dellen im Flugzeugrumpf

Die größten Flughäfen Europas
Platz 8: London Gatwick Quelle: AP
Platz 9: Barcelona El Prat Quelle: dapd
Platz 8: Fiumicino, Rom Quelle: Reuters
Platz 6: Istanbul, Atatürk-Airport Quelle: REUTERS
Platz 6 München Quelle: dpa
Platz 5: 49,7 Millionen: Madrid-Barajas Quelle: Reuters
Platz 4: Amsterdam - Schiphol Quelle: Reuters

Am schwierigsten zu überwinden aber ist die größte Lärmquelle beim Landen: das Fahrwerk. Weil es beim Aufsetzen eine Kraft von gut 1.000 Tonnen aushalten soll, muss es stabil und damit massiv sein – eine Quelle lauter Windgeräusche. Daher arbeiten Ingenieure an einer windschnittigeren Form, die zudem dank neuer Titanlegierungen stabiler und damit dünner sein kann.

Zweites Arbeitsfeld ist die Außenhaut der Flieger. Wegen der Reibung bleibt bislang auf der glatten Metalloberfläche die Luft bei hohen Geschwindigkeiten kleben, und die nachdrängenden Luftschichten stolpern quasi laut über das Hindernis. Nun wollen die Planer bei Boeing und Airbus die Haut ihrer Maschinen wie einen Golfball mit kleinen Dellen überziehen. Die Inspiration dafür war die Haut von Haien: Sie hat kleine Vertiefungen, damit auf der Haut auch bei hohen Geschwindigkeiten kein Wasser haften bleibt und mit lauten Wirbeln die Beute verscheucht.

Es ist eine unsichtbare Revolution. Das Einzige, was die Passagiere in den nächsten Jahren erkennen werden, ist die neue Generation von Triebwerken. Ingenieure wollen sie künftig am Heck der Maschinen montieren, weil sie an den Flügeln zu viele Wirbel und damit Lärm verursachen. Dieser Umzug senkt nicht nur den Luftwiderstand. Bei einem Luftaustritt oberhalb des Heckflügels lenkt das Leitwerk zudem den Motorenlärm vom Boden weg in die Höhe.

Ein Flügel ohne die Last eines Triebwerks kann nicht nur dünner und windschnittiger sein, sondern – wie bei einem Segelflieger – auch länger. Damit kann sich die Maschine dem Flughafen auf den letzten Metern langsamer und damit leiser nähern, indem sie nur noch heransegelt.

Damit Fliegen jedoch wirklich weniger Menschen um ihre Ruhe bringt, müssen sich nicht nur die Hersteller und die Flughäfen ändern. Auch die Politik muss ihren Beitrag leisten. „Bislang ist bei jedem Fortschritt, den wir Flugzeugbauer beim Lärm erreicht haben, auch die Bebauung näher an die Flughäfen gerückt. Damit blieb am Ende die Belastung für die Anwohner gleich“, sagt Airbus-Manager von Wrede. „Hätten wir um die Flughäfen noch die gleiche Bebauung wie vor 20 Jahren, hätten wir wahrscheinlich auch keine Probleme mehr.“

Daran haben selbst die extrem lauten Anwohnerproteste in Frankfurt wenig geändert. Die Gemeinde Flörsheim etwa will ein neues Wohngebiet für 30 Häuser ausweisen. Mitten in der Anflugschneise.

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