




Langfristiger Klimaschutz, mehr Sonnen- und Windenergie statt Atomkraft, die Abkehr von fossilen Energieträgern wie Kohle und Öl, diese Ziele der Energiewende finden in der Bevölkerung breite Akzeptanz. Dieses Meinungsbild zeigen zahlreiche Umfragen.
Wichtiger Kritikpunkt der Bürger: Die Kosten für die Umstellung auf grüne Energien drohen aus dem Ruder zu laufen. Die Kritik ist mehr als berechtigt. Das Anfang Juli von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgestellte Energiekonzept kostet rund zehn Milliarden Euro. Die Kosten dafür werden der Steuerzahler und Stromkunden berappen müssen.
Trotzdem geht vielen Bürgern, etwa in Nordrhein-Westfalen, wo immer noch zahlreiche Kohlekraftwerke ihre tägliche Dosis Kohlendioxid in die Luft pusten, der Umbau der Energieinfrastruktur nicht schnell genug, so das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa vor einem guten halben Jahr im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW. Knapp die Hälfte der Menschen in NRW ist danach der Meinung, die Energiewende in Deutschland gehe zu langsam voran. Den Atomausstieg und die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien finden rund 88 Prozent der landesweit Befragten „völlig richtig“ oder „eher richtig“.
Dieses Meinungsbild decke sich weitgehend mit den Ergebnissen einer bundesweiten Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, die im Sommer 2013 veröffentlicht worden sei, hieß es bei der Vorstellung durch die Verbraucherschützer in NRW. Eine negativere Einstellung zur Energiewende in NRW als in anderen Bundesländern ließe sich also nicht feststellen, folgert die Verbraucherzentrale. Und das, obwohl in dem bevölkerungsreichsten Bundesland eine höhere Umlage für die Erneuerbaren Energien gezahlt werde, als in Form von Einspeisevergütungen zurück ins Land fließe.
Bürgermeinung zur Energiewende hat sich geändert
Ein halbes Jahr später scheint sich dieses positive Bild zur Energiewende in Deutschland drastisch geändert zu haben. Erneut fragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa eine repräsentative Gruppe von rund 1000 Bürgern nach ihrer Meinung zur Energiewende. Und siehe da, ein Sinneswandel hat offenbar stattgefunden: Dreiviertel aller Bundesbürger meinen nun, dass neben Sonne und Wind auch weiterhin Kohle und Gas als Energieträger genutzt werden müssten – so das Ergebnis der neuesten Umfrage, ebenfalls vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt.
Die gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 373
Verlorene Lebensjahre: 3986
Verlorene Arbeitstage: 84.149
Quelle: Greeenpeace
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 269
Verlorene Lebensjahre: 2881
Verlorene Arbeitstage: 61.075
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 212
Verlorene Lebensjahre: 2272
Verlorene Arbeitstage: 47.995
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 172
Verlorene Lebensjahre: 1844
Verlorene Arbeitstage: 39.091
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 164
Verlorene Lebensjahre: 1754
Verlorene Arbeitstage: 37.182
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 164
Verlorene Lebensjahre: 1756
Verlorene Arbeitstage: 37.018
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 160
Verlorene Lebensjahre: 1712
Verlorene Arbeitstage: 36.291
Betreiber: E.ON
Brennstoff: Steinkohle
Todesfälle pro Jahr: 129
Verlorene Lebensjahre: 1378
Verlorene Arbeitstage: 29.202
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 110
Verlorene Lebensjahre: 1175
Verlorene Arbeitstage: 24.817
Betreiber: E.ON
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 76
Verlorene Lebensjahre: 817
Verlorene Arbeitstage: 17.253
Immerhin 63 Prozent der Befragten sind danach der Ansicht, dass nach dem Abschalten der Kernkraftwerke nicht auch noch die Kohlekraftwerke stillgelegt werden sollten. Das würde die Sicherheit und die Zuverlässigkeit der Energieversorgung in Deutschland gefährden.
Trotz der kritischen Diskussion über die Braunkohle werde sie von der breiten Mehrheit der Bevölkerung nicht verteufelt, sondern akzeptiert, weil sie zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung gebraucht werde, interpretiert Manfred Güllner, Leiter des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die Antworten der Befragten. Gleichzeitig ist aber einer großen Mehrheit der Befragten (81 Prozent) die umweltschonende Erzeugung von Strom wichtig.
Wie passt das zusammen?
Ein Erklärungsversuch: Bei jeder Umfrage kommt es auf die Fragestellung an. Wenn ich die Menschen, die vom Kohleabbau leben, frage, ob dieser fossile Energieträger wirtschaftlich notwendig ist, dann kann ich mir die Antwort auch gleich selbst geben. Im rheinischen Revier sehen 60 Prozent der Befragten Braunkohle als notwendig an. In der Lausitz, im ostdeutschen Braunkohlegebiet, sind es sogar 77 Prozent. Überraschend ist das nicht. In diesen strukturschwachen Regionen sind die Menschen abhängig von den Kohle-Arbeitsplätzen. So klaffen die Meinungen zwischen diesen Regionen und dem Rest der Republik logischerweise weit auseinander. Deutschlandweit betrachten nur 35 Prozent die Steinkohle und nur 32 Prozent die Braunkohle langfristig als wichtige und notwendige Energieträger für die Energieversorgung in Deutschland.
Der Auftraggeber dieser Umfrage ist der Energieversorger RWE, genauer gesagt deren Sparte RWE Power, die das Energiegeschäft mit fossilen Energieträgern wie Stein- und Braunkohle betreibt. Nun will niemand unterstellen, dass hier der Auftraggeber der Umfrage ein entsprechendes Ergebnis wünscht.





Aber merkwürdig ist es schon, dass sich ein Versorger von einer Umfrage bestätigen lässt, ja unser Geschäft mit der Braunkohle ist richtig, von den Bürgern gewünscht und wirtschaftlich unabdingbar. Hilft das dem Geschäft? Unbestritten ist, dass die Braunkohle ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland ist, weil die erneuerbaren Energien noch nicht so weit ausgebaut sind, als dass wir ohne Kohle auskommen können. Muss sich das aber ein Konzern wie RWE in einer Umfrage bestätigen lassen? Und zu welchem Zweck?
RWE ist einer der größten CO2-Emittenten in Europa
Merkwürdig mutet auch die Feststellung in der Umfrage an, nur eine Minderheit der Bevölkerung in Deutschland spräche sich für die Abschaltung der Kohlekraftwerke aus. Gegen die Kohlemeiler habe doch nur eine bestimmte Bürger- und Wählergruppe Vorbehalte. „Die überaus kritische Diskussion über die Braunkohle in Medien und Politik hat klare (negative) Auswirkungen auf das Image der Braunkohle“, heißt es in der Umfrage. Was soll das heißen? RWE setzt doch selbst auf die erneuerbaren Energien. Machen die das nur, weil die Braunkohle so ein schlechtes Image hat? Und an dem schlechten Image sind auch nur die Politik und die Medien Schuld? Da macht es sich RWE aber etwas zu einfach.
Umwelt
Fest steht, der Energiekonzern RWE gehört mit seinen Kohlekraftwerken europaweit zu den größten Kohlendioxid-Emittenten. Und dafür, dass der Konzern ab 2017 einige seiner ältesten und damit größten CO2-Produzenten aus dem Verkehr zieht, erhält das Unternehmen eine Entschädigung vom Staat in Millionenhöhe. Offenbar bleibt da genügend Kleingeld übrig, um eine Forsa-Meinungsumfrage in Auftrag zu geben, deren Nutzen sich nicht wirklich erschließt.