Natur Wenn Städter der Pflanztrieb überkommt

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Kleiner Selbstversorgertraum

Gärten auf der Chicago City-Hall Quelle: Getty Images

Die Sehnsucht nach Grünem im Grauen, nach Blüten zwischen Beton, nach Frieden auf Balkonien ist dabei zunächst völlig unpolitisch. Raus in die Natur bedeutet in Metropolen, eine halbe Tagesreise zu machen; da ist es erholsam, einen Hauch Natur in der Nachbarschaft zu wissen. Balkon-Tomatengärtner beackern im Kleinsten ihren Selbstversorgertraum, den ein Land wie Deutschland im Großen mit seiner intakten Struktur von Kleingartenvereinen lebt. Zwischen Bahnschienen und Ausfallstraßen mag der deutsche Michel piefig aufblühen, das ändert aber nichts an der immer größeren Zahl von jungen Familien, die eben genau dort ein Fleckchen Flucht pachten wollen.

In Metropolen wie Chicago, Buenos Aires oder Tokio, in deren Zentren kaum Platz für Grün ist, erleben Gärten auf den Dächern von Hochhäusern seit Jahren eine wundersame Renaissance. In New York entschied sich die Stadtverwaltung eine stillgelegte Bahnstrecke im Süden Manhattans zum begrünten Spazierweg umzubauen. Der Franzose Patrick Blanc verwandelt in Städten wie Paris ganze Hauswände mit seiner Vertikal-Botanik in sogenannte hängende Gärten. Doch bei Stadtverschönerungsaktionen bleibt es nicht.

Grüne Geschäftszweige

Naturwissenschaftler, zum Beispiel am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen, suchen Fassaden und Dächer urbar zu machen, um die Flächenversiegelung und den extensiven Wasserverbrauch der traditionellen Landwirtschaft durch den Aufbau von urbanen Agrikulturen und Hochhausfarmen zu minimieren. Und junge Unternehmer wie das Trio von Efficient City Farming nutzen die Erträge der Forschung, um mit „Urban Gardening“ auf einen grünen Geschäftszweig zu kommen.

In Berlin geht schon Mitte Mai die erste Tomatenfischfarm in Betrieb. Gleich vor dem Eingang eines Berliner Restaurantbetreibers, der sich von Tomaten ohne ökologischen Fußabdruck und garantiert düngemittel-, medikament- und kohlendioxidfreiem Fischverzehr Zulauf verspricht. Und das soll erst der Anfang sein. Denn geschäftlich interessant wird der Tomatenfisch erst, wenn Stadtfarmen entstehen, Produktionsstätten, die 20 mal 50 Meter messen und beispielsweise von Lebensmittelketten betrieben werden. Das dazugehörige Parkplatzareal, so die Idee, wird überdacht, ein Teil für die Fischproduktion abgetrennt – und auf dem Dach werden nicht nur Tomaten, sondern auch frische Paprika, Kohlrabi und Kräuter geerntet.

Zukunftsmusik? Keineswegs. In den USA hat die Firma Brightfarms gerade eine Kooperation mit der Supermarktkette McCaffrey’s abgeschlossen, um in seinen schlüsselfertig verkauften Hydro-Gewächshäusern ultra-local Salate, Tomaten und Kräuter zu produzieren und in the freshest imaginable way ins Regal zu bringen.

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