Neuartige Solarmodule Gibt es bald ästhetischere Solarmodule?

Die blauen Solarmodule sind nicht jedermanns Sache (Symbolbild). Quelle: imago images

Viele Menschen wünschen sich optisch ansprechendere Solarzellen, zum Beispiel für eine denkmalgeschützte Fassade. Bisher war das schwierig. Doch nun melden Forscher vom KIT in Karlsruhe einen Durchbruch.

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Wenn's um Solarenergie geht, droht im Hause Rothe immer ein mittelschwerer Ehekrach. Nicht, dass Silvia Rothe etwas gegen saubere Energie hätte. „Nur halt nicht auf meinem Dach“, sagt die Juristin aus dem Bergischen Land im Osten von Köln. Ihr Mann hatte bisher das Nachsehen. Knallblau glänzende Solarmodule waren und sind tabu auf der ortstypischen Villa der Rothes mit ihren schwarzen Schieferschindeln, schneeweißen Fenstern und knallgrünen Fensterläden.

Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, kennt solche Diskussionen: „Eigentlich bräuchten wir Fotovoltaik auf jedem Dach, das nicht von Bäumen verschattet ist oder nach Norden zeigt.“ So gigantisch sei der aktuelle und erst recht der künftige Bedarf an grünem Strom. „Aber bei Stil- und Altbauten ist es natürlich ästhetisch schwierig, eine individuelle Entscheidung gegen ein Solardach total nachvollziehbar.“ Laut Umfragen ist die eingeschränkte Ästhetik, neben den Kosten, der häufigste Grund dafür, dass sich Eigenheimbesitzerinnen und Bauherren auch bei Neubauten gegen ein Dach mit Solarmodulen entscheiden. Klar: Ein knallblaues Dach gefällt nicht jedem.

Warten auf die Dachziegel von Tesla

Auf der anderen Seite steigt der politische Druck auf die Hausbesitzer: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die Solarenergie kräftig ausbauen. Dabei denken seine Beamten offenbar auch über eine Fotovoltaikpflicht für Neubauten und bei größeren Dachsanierungen nach. Einige Bundesländer, etwa Baden-Württemberg, und einige Städte und Gemeinden, haben so eine Pflicht für Neubauten schon. Ein Dilemma.

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Zwar bieten einige Hersteller, darunter US-Elektro-Pionier Tesla, schon seit einiger Zeit Solarzellen in Dachziegelform an. Die von Tesla sind allerdings mehr als zwei Jahre nach der Produktvorstellung in den USA in Europa immer noch nicht erhältlich. Und es gibt ein Problem: Die Wirkungsgrade dieser Dachschindeln seien gering, sagt Quaschning. Heißt: Bei gleicher Fläche erzeugen sie weniger elektrische Leistung als die traditionellen Module. Und weil jeder Solardachziegel seine eigene Verkabelung braucht, sind die Installationskosten um ein Vielfaches höher als bei einer herkömmlichen Fotovoltaikanlage.

Derzeit basieren die meisten Solarzellen auf dem Markt auf Silizium; die sind von außen betrachtet dunkelblau oder schwarz. „Das ist vor allem im Altbaubestand im Süden Deutschlands ein Nachteil, wo Dächer nun mal traditionell rot sind“, sagt Christof Erban, Leiter der Entwicklungsabteilung von Sunovation aus Elsenfeld bei Aschaffenburg. Das Unternehmen arbeitet seit vielen Jahren mit Solarzellen in bunten Farben. Auch Dünnschicht-Module, wie von Avancis aus Sachsen, gibt es in bestimmten Farben, etwa für Fassaden. Das Interesse von Architektinnen und Denkmalschützern an solchen farbigen Modulen sei groß, so Erban. Sunovation hat zum Beispiel die Kaba in Mekka mit hellgrünen PV-Modulen ausgestattet. Was noch fehlt am Markt, ist ein leistungsfähiger PV-Dachziegel in der Wunschfarbe der Architekten und Bauherren. 

Durchbruch in Karlsruhe

Doch es gibt Hoffnung: Forscher am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) haben nun erstmals farbige Solarmodule gefertigt, die auf lange Sicht so günstig wie traditionelle, siliziumbasierte Solarzellen sein könnten. Sie sind in jeder beliebigen Farbe herstellbar.

Die Karlsruher Zellen basieren nicht mehr auf der heute gängigen Siliziumtechnologie, sondern auf Persowskiten. Das ist eine relativ neue Technologie zur Stromerzeugung aus Licht. Die chemische Struktur kommt zwar auch natürlich vor, im 19. Jahrhundert wurde das Material im Ural entdeckt. Für Solaranlagen wird es aber synthetisch produziert. Bisher kamen Perowskitzellen bei der Energieausbeute und besonders bei der Langlebigkeit nicht an die etablierte kristalline Siliziumzelle heran. „Doch die Technik macht derzeit rasante Fortschritte“, sagt Helge Eggers, einer der Karlsruher Forscher,  die die neuen Farbzellen entwickelt haben.
Perowskite werden erst seit rund zwölf Jahren zur Stromerzeugung aus Licht verwendet. Mit den heute vorherrschenden Siliziumkristallen machte Bell Labs in den USA schon 1954 erstmals Strom, an ihnen wird seit 70 Jahren geforscht. Und allmählich nähern sie sich ihrem physikalischen Optimum. Nicht so Perowskite: „Die Hoffnung ist, dass wie mit Perowksiten dieses Limit umgehen können und sie langfristig daher sogar billiger und besser werden können“, sagt Eggers.

Offenbar eine ziemlich berechtigte Hoffnung: Ein Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat mit Perowskitsolarzellen jüngst den Wirkungsgrad gängiger Siliziumzellen im Labor sogar übertroffen. Auch Oxford Solar, eine Ausgründung der Universität Oxford, das in Brandenburg produziert, hat einen Wirkungsgrad von 29 Prozent in der Fertigung erreicht – genauso viel also wie die herkömmliche Siliziumtechnologie. „Theoretisch sind mit Perowskitzellen sogar Wirkungsgrade von 40 Prozent möglich“, sagt Uli Würfel, der die Forschung beim Fraunhofer Institut ISE zu alternativen Solarzellen leitet. In China werden gerade die ersten Zellfabriken für Perowskite gebaut, weiß Eggers vom KIT. „Das dürfte die Technik schnell günstiger machen.“

Das Material ist weder selten, noch schwer zu fertigen

Der vielleicht größte Vorteil der Perowskite: Sie sind sehr billig in der Herstellung. Anders als kristalline Zellen benötigen sie nur sehr dünne stromerzeugende Materialschichten. Die müssen nicht, wie bei heutigen Zellen, umständlich mit teurer Nasschemie wie Ätzen auf Glasträger aufgebracht werden. Sie lassen sich aufdampfen oder sogar mit einem etwas besseren Tintenstrahldrucker auftragen. Das Rohmaterial ist weder selten, noch schwierig herzustellen. Anders als auf Silizium basierende Rohstoffe, die mit hohen Temperaturen bearbeitet werden müssen, kann Perowskit mit weit weniger Energieeinsatz gefertigt werden. „Das senkt die Produktionskosten enorm“, sagt Erban von Sunovation. „Wenn das Material vom KIT in der Serie seine Laborversprechen hält, ist es ein echter Gamechanger.“

Der Tintenstrahldruck als Herstellungsverfahren hat einen weiteren Vorteil. Mit ihm lassen sich die Perowskitsolarmodule auch einfärben. „Der Trick ist, dass man Farben aufdruckt, die bestimmte Spektren des Sonnenlichts noch zu den stromerzeugenden Schichten der Zelle durchlassen“, erläutert Projektleiter Eggers vom KIT. „So bekommen die Zellen für einen Betrachter von außen eine bestimmte, erwünschte Farbe, erzeugen aber immer noch Strom.“ Bisher war die Farbe von Perowskitzellen stark vom Winkel des Betrachters abhängig, auch dieses Problem wollen die KIT-Leute gelöst haben. „Die Farbe erscheint nach außen immer gleich, egal in welchem Winkel das Licht einfällt und wie der Betrachter steht“, so Eggers.

Einen kleinen Wermutstropfen aber gibt es: Weil jede Farbschicht immer noch ein bisschen Licht schluckt, erreichen die bunten Zellen nicht ganz die Effizienz von Perwoskitzellen ohne Farbe. Aber bis zu 60 Prozent davon, das habe man im großangelegten Versuchsreihen für alle drei Grundfarben, gelb, magentarot, cyanblau und weiß nachweisen können, sagt Eggers. „Und weil man aus diesen dreien alle anderen Farben mischen kann, gilt das für alle Farben.“ Weitere optische Gimmicks, etwa ein natürlichen Steinplatten ähnliches Marmormuster, sind dank der Tintenstrahltechnik machbar. Hier konnten die Forscher immerhin Wirkungsgrade von 14 Prozent mit ihren farbigen Zellen erreichen. Das ist ein sehr guter Wert: Klassische blaue Siliziumzellen auf dem Markt liegen zurzeit bei 19 bis 21 Prozent. „Da die neuen Farbzellen aber neue Flächen für die Fotovoltaik erschließt, etwa Fassaden und denkmalgeschützte Dächer, ist der etwas schwächere Wirkungsgrad kein Hindernis“, sagt Erban von Sunovation.

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Er geht, wie Eggers, davon aus, dass die neuen Zellen in zwei bis drei Jahren marktreif sein können. „Wie immer bei neuen Materialien beginnt man im Labor mit daumennagelgroßen Modulen; die Herausforderung ist dann, sie auf marktreife Größen zu marktfähigen Kosten zu bringen, ohne dass sie dabei zu viel Wirkungsgrad einbüßen“, betont Würfel vom Fraunhofer Institut. Und da sieht es gut aus: „Die Techniken, die wir im Labor verwendet haben, sind grundsätzlich alle skalierbar“, sagt Eggers. Zehn mal zehn Zentimeter große Module habe man schon ohne Wirkungsgradverluste gefertigt. „Wir könnten auch noch größere mit gleichen elektrischen Eigenschaften bauen – wir haben schlicht keine größeren Anlagen.“

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen: „Derzeit basieren alle PV-Module auf Silizium; sie sind daher von außen betrachtet entweder dunkelblau oder schwarz“. Das war so pauschal nicht korrekt; es gibt natürlich bereits Alternativen zu Silizium-basierten Zellen am Markt, etwa aus der Dünnschicht-Technologie.

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