Neue Reaktortypen sollen Comback sichern Schöne neue Atomkraftwerke

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Kein Boom der Atomenergie

Weltweit lagern riesige Mengen Erdgas in schwierig zu erreichenden Gesteinsschichten. Neue Fördertechniken ermöglichen es jetzt, sie wirtschaftlich zu erschließen.

Befürworter der Atomkraft verweisen gerne auf das ambitionierte chinesische Kernenergieprogramm und orakeln, das Riesenreich würde die Welt außer mit billigen Solarmodulen bald auch mit der fortschrittlichsten Atomtechnologie überfluten. Doch so schnell wird es dazu nicht kommen. Vergangenen Oktober hat die Regierung in Peking zwar den Baustopp für 28 geplante Meiler aufgehoben, den sie nach der Katastrophe in Fukushima verhängt hatte. Doch sie hat das Ausbautempo massiv reduziert. Ursprünglich wollten die Chinesen bis 2020 Kernkraftwerke mit einer Leistung von 200 000 Megawatt installieren – gegenüber 10 000 Megawatt heute. Jetzt visieren sie 58 000 Megawatt an.

Noch weniger Zuversicht kann momentan das Land mit den meisten Kernkraftwerken, die Vereinigten Staaten, unter den Atomenthusiasten auslösen. Dabei sah es noch vor wenigen Jahren so aus, als stände die Nuklearenergie wegen des wachsenden Energiebedarfs der größten Volkswirtschaft der Welt und möglicher CO2-Auflagen vor einem Boom. Angelockt von Subventionen, kündigten mehrere Energieunternehmen an, in neue Reaktoren zu investieren, und bewarben sich um Genehmigungen.

Doch seit die USA mithilfe des sogenannten Frackings gigantische Mengen Erdgas aus heimischem Gestein sprengen können, ist die Begeisterung abgekühlt. Denn Gaskraftwerke kosten viel weniger; und sie können mit dem preiswerten Gas auch viel günstiger betrieben werden.

Atommeiler der nächsten Generation

Dagegen verteuern verschärfte Bau- und Sicherheitsauflagen die Kernkraftwerke. Gut 30 Jahre nachdem das bisher letzte Atomkraftwerk in den USA ans Netz ging, entsteht in Georgia die erste neue Anlage. Experten schätzen die Kosten der beiden 2234 Megawatt leistenden Meiler auf 16 bis 20 Milliarden Dollar. Vergleichbare Gaskraftwerke sind höchstens halb so teuer.

Die innovativen Kleinreaktoren von Babcock & Wilcox sollen die finanziellen Risiken mit Baukosten von etwa zwei Milliarden Dollar pro Stück zwar überschaubar halten. Doch sie produzieren die Kilowattstunde letztlich nicht billiger als ein gängiges Atomkraftwerk. Für Thomas Flaherty, Energieexperte bei der Beratungsfirma Booz & Company, ist klar: "Die Investitionen rechnen sich häufig nicht."

Selbst unser atombegeisterter Nachbar Frankreich macht derzeit ähnlich ernüchternde Erfahrungen. Mit 8,5 Milliarden Euro hat sich der Reaktor, den der staatliche Versorger EDF in Flamanville am Ärmelkanal baut, um mindestens das Dreifache verteuert. Nach neuesten Schätzungen wird der Strom, den er produziert, zehn Cent je Kilowattstunde kosten – zwei Cent mehr als Windstrom.

Zu allem Überfluss für die Atomfans könnte der Brennstoff Uran knapp werden. Das besagt eine Studie des Physikers Michael Dittmar vom europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf. Ihm zufolge erreicht der Uranabbau 2015 mit weltweit 58 Kilotonnen seinen Höhepunkt und sinkt bis 2030 auf 41 Kilotonnen. Seine Schlussfolgerung: "Diese Menge genügt nicht, um alle bestehenden und geplanten Kernkraftwerke zu betreiben."

Stimmt die Prognose, würde sich der Entwicklungsaufwand für neue Reaktortypen kaum lohnen. Die Nuklearenergie wäre ein Auslaufmodell – allerdings eines, das uns wegen der vorhandenen Brennstoffreserven noch Jahrzehnte zuverlässig mit sauberem Strom versorgen kann.

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