Plastikmüll im Ozean Der junge Mann und das Meer

Boyan Slat Quelle: dpa Picture-Alliance

Mit einem riesigen Fangarm will Boyan Slat die Ozeane vom Plastik befreien. Ist er ein genialer Erfinder oder ein Blender mit technologiegetriebenen Weltverbesserungsträumen?

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Lauter kleine Plastikteile stecken in dem Glas, das Boyan Slat hochhält. Weiße, blaue, grüne, gelbe – nur keine roten, „denn etwas Rotes erscheint Tieren wie etwas zum Fressen“. Hinter ihm erscheint ein Foto von ‧einem verendeten Vogel am Strand: offener Bauch, verstopft mit Plastikmüll.

Es ist der Moment, an dem Slat sein Publikum packt. Seine Stimme zittert immer mal wieder, und Tippelschritte verraten seine Nervosität. Aber am Ende des Auftritts bei der Ideenkonferenz TEDx erhält er viel Applaus. Der Junge mit dem strubbeligen Haar und dem etwas zu großen Hemd hat die Menschen für seine Mission begeistert.

Sechs Jahre ist das jetzt her.

Start am größten Strudel

Es ist der Beginn der Geschichte von einem jungen Mann, der das Meer vom Plastik befreien will. Sie erzählt von Tatendrang und Erfindergeist. Von Technikgläubigkeit und Missgunst. Von einer Front zwischen Umweltschützern und Techoptimisten. Und davon, wie schwer sich die Menschen tun, die großen Probleme unserer Zeit gemeinsam anzugehen.

Fangarm, der den driftenden Müll abfischen soll. Quelle: PR

Die Geschichte hat einen Prolog: Slat verbringt 2011 seine Ferien in Griechenland, geht schnorcheln – und begegnet statt Fischen einer großen Menge von Plastiktüten. Er beschließt, etwas dagegen zu tun. 16 Jahre ist er damals alt. Er liest viele Bücher, erkundigt sich bei Forschern, weckt Begeisterung, erntet Kritik. Und sammelt für seine Idee, den Müll mit einem riesigen Fangarm aus dem Meer zu fischen, 40 Millionen Euro ein.
Nun wird sich zeigen, ob Boyan Slat am Ende der Geschichte als Retter der Ozeane dastehen wird – oder als gutgläubiger Idealist, der mit seinem Traum sogar Schaden anrichtet. An diesem Samstag will er sein System unter der Golden-Gate-Brücke hindurch raus auf den Pazifik bringen – und es dann, wenn dort bei letzten Tests alles funktioniert, weiter bis zu einem der riesigen Plastikstrudel ziehen. Dem größten, wie er betont. „Eine Fläche zweieinhalb Mal so groß wie Frankreich.“ Auf halber Strecke zwischen Kalifornien und Hawaii soll dann das Experiment beginnen, das Slat unzählige Male in Computeranimationen durchgespielt hat. Auf der Seite seines Ocean Cleanup Project läuft bereits der Countdown.

Seine Apparatur ist letztlich eine künstliche Küstenlinie aus schwimmenden Röhren. Sie driftet mit der Strömung, und an ihren Enden reicht ein Unterwassersegel etwa drei Meter in die Tiefe: Es bremst die Anlage und sorgt dafür, dass sich das schneller treibende Plastik an der Küstenlinie sammeln kann. Einmal im Monat soll ein Schiff den Müll abtransportieren. Fünf Tonnen pro Charge, kalkuliert Slat. Zumindest beim ersten System, das erst einmal nur 600 Meter breit sein soll. Die späteren sollen größer werden, ein bis zwei Kilometer breit. 60 Stück soll die gesamte Flotte am Ende umfassen. Geht sein Plan auf, wird Slat in fünf Jahren gut die Hälfte des Strudels abgeschöpft haben.

Sofern sich das Problem bis dahin nicht verschärft. Mehr als 300 Millionen Tonnen Plastik kommen jedes Jahr vom Fließband. Nicht einmal ein Zehntel des Plastikmülls wird wiederverwertet. Schätzungen zufolge treiben etwa 150 Millionen Tonnen Müll in den Ozeanen: zerbeulte Flaschen und zerborstene Rohre, Tüten und Folien, Zahnbürsten, Kanister und Badeenten. Und jedes Jahr kommen weitere 5 bis 13 Millionen Tonnen dazu. Die Europäische Union will Einweggeschirr aus Plastik verbieten, anderswo sind Tüten bereits tabu.

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