Der Trumm sieht auf den ersten Blick aus wie der Anhänger eines Tankfahrzeugs oder eine zwölf Meter lange Stahldose auf Rädern. Aber was das Hamburger Ingenieurbüro Marine Service am Mittwoch auf der weltgrößten Schifffahrtsmesse SMM in Hamburg präsentiert, soll nicht etwa Tankstellen mit Öl beliefern – sondern Seeschiffe mit Treibstoff.
Denn in den Stahlkolossen ist LNG gespeichert: Flüssiges, auf minus 160 tiefgekühltes Erdgas. Und das ist, wenn Branchenexperten Recht behalten, der maritime Treibstoff der Zukunft. Er soll Schweröl ablösen, das bisher die meisten Riesenschiffe antreibt und die Luft mit Schadstoffen und dem Klimakiller Kohlendioxid verpestet. Gasbetriebene Schiffe emittieren fast keinen Feinstaub, 90 Prozent weniger Stickoxide und 20 Prozent weniger CO2 als die heutigen Ölpötte.
Allerdings können Schiffe nicht einfach Flüssigerdgas statt Öl tanken. Um mit LNG fahren zu können, brauchen sie neue Antriebe – und vor allem spezielle, riesige Tanks, die das Gas wochenlang kalt halten. Obendrein gibt es zurzeit noch ein Lieferproblem: Kaum ein Hafen hat bisher eine LNG-Tankstelle installiert, in Europa gibt es nur in Norwegen, wo seit sechs Jahren eine riesige Gasverflüssigungsanlage in Betrieb ist, ein ausgebautes Netz an Versorgungsstellen.
Verborgener Schatz
Konventionelles Erdgas stammt meist aus Feldern oberhalb von Ölquellen und lässt sich relativ leicht ausbeuten
Schiefergas gehört zu den unkonventionellen Reserven, es ist in Schiefergestein eingeschlossen
Fracking heißt die Technologie, mit der das Tongestein bei der Gasförderung aufgebrochen wird
Flüssigerdgas (LNG) entsteht, wenn Erdgas - egal, aus welcher Quelle - auf minus 161 Grad gekühlt wird
Eine Million BTU heißt die international gängige Maßeinheit für Gas. Sie entspricht etwa 26,4 Kubikmetern
Beide Probleme – Umrüstungskosten und Gasnachschub – wollen die Hamburger Ingenieure mit ihrem Gascontainer nun lösen. Er soll sich problemlos in einem LNG-Terminal befüllen und wie ein Standardcontainer per Schiff, LKW oder Zug transportieren lassen. Eine Vakuumisolierung soll dafür sorgen, dass das Flüssiggas bis zu 80 Tage lang sich kaum aufwärmt – und damit 600mal kompakter bleibt als bei Zimmertemperatur.
Im Hafen sollen Schiffe dann per Kran mit den LNG-Containern bestückt werden, wie ein Spielzeug, bei dem man die Batterien wechselt. Die Container sind stabil genug, dass sich sechs von ihnen übereinander stapeln lassen – ganz offen auf Deck, etwa zwischen der restlichen Containerladung. Gefährlich soll das nicht sein, und auch der Anschluss an den Schiffsantrieb über Rohrleitungen soll schnell hergestellt sein.
Erst ein Kunde
„Es ist einfacher, den Tank auf das Deck zu stellen, als einen in das Schiff einzubauen“, sagt Jörg Redlin, LNG-Fachmann bei Marine Service. Denn ein Gastank unter Deck müsse in einem eigenen Raum untergebracht werden, den die Schiffsbesatzung begehen kann und der mit Ventilatoren und weiterer Sicherheitstechnik ausgestattet ist. Dadurch brauche ein LNG-Tank bis zu vier mal mehr Platz als ein Schwerölreservoir.
An Deck dagegen sind keine größeren Sicherheitsvorkehrungen nötig, und aufgrund seiner Energiedichte ist LNG sogar kompakter, als die gleiche Energiemenge Schweröl. Rund 15 Tonnen Gas fasst ein Tank – um ein Schiff auf der Route von Rotterdam bis St. Petersburg und zurück – mit Zwischenhalten unterwegs – anzutreiben, seien 15 der Container nötig, sagt Redlin.
Vor allem solche so genannten Feederschiffe, die Güter auf regionale Häfen verteilen, haben die Hamburger mit ihrer Antriebs-Innovation im Blick: Mittlere Containerschiffe mit 3500 Containern, große Fähren, Arbeitsschiffe. Das erstrebte Geschäftsmodell kennen Laien von Campinggasflaschen: Die Behälter samt Inhalt werden geleast. „Reeder müssen dann nur noch die gewünschte Treibstoffmenge bestellen und den Ort und die Zeit angeben“, sagt Redlin.
Bisher haben die Hamburger erst einen Kunden, der die Technik in seinem Neubau vorgesehen hat. Aber das Geschäft mit dem Flüssigerdgas ist auch noch ganz frisch: Zurzeit gibt es weltweit überhaupt nur 30 Schiffe, die mit LNG-Technik ausgestattet sind. In den Auftragsbüchern der Werften weltweit stehen zudem etwa genauso viele Neubauten mit Gasantrieb.
Bis Ende des Jahrzehnts aber könnten schon 1000 LNG-betriebene Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs sein, erwartet der norwegische Schiffsdienstleister Det Norske Veritas (DNV). Treiber des Trends sind strengere Abgasvorschriften, die ab 2015 gelten. Schweröl wird dann in Nord- und Ostsee tabu sein, die Kapitäne müssen teuren Schiffsdiesel tanken.
LNG wird dann attraktiv, denn es soll deutlich preiswerter sein. Und wenn es nach den Hamburgern geht, wird Tanken dann so einfach wie Batterien wechseln.