Schifffahrt Ozeanriesen sollen zu Ökolinern werden

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Planung dem Wind entsprechend

B9 Energy Quelle: Javier Zarracina für WirtschaftsWoche

Dyna-Rigg heißt so ein High-Tech-Segel. Das Konzept dafür entwickelte der fränkische Ingenieur Wilhelm Prölss in den Sechzigerjahren. Umgesetzt wurde es erst 2006, als sich der Amerikaner Tom Perkins, der Mitgründer des Wagniskapitalgebers Kleiner Perkins, eine Luxusyacht mit automatischer Takelage bauen ließ.

Experten wie Uwe Hollenbach von der Hamburgischen Schiffsbau-Versuchsanstalt trauen der Technik auch den Einsatz auf Frachtern zu. „Dyna-Riggs werden aber auf kleinere Schiffe begrenzt sein.“

Windparkbetreiber B9 Energy beginnt diesen Sommer Tests an einem Modell seines Dreimasters. Findet sich ein Kunde, „können wir das erste Exemplar in 36 Monaten vom Stapel laufen lassen“, sagt Gilpin. Vor allem die Betreiber von Feederschiffen, die die Ladung großer Frachter in kleine Häfen verteilen, will sie überzeugen.

Doch es bedarf guter Argumente. Denn beim Segelfrachter müssten die Reeder ihre Routen wieder nach dem Wind planen.

Gilpin weiß den Ölpreisanstieg auf ihrer Seite. Ihr Schiff wird zwar bis zu 30 Prozent teurer, soll sich aber nach sechs Jahren rentieren. Gilpins Vorhersage: „Wir stehen vor einer Renaissance des Segels.“

Daran glaubt auch Greg Atkinson. Der Chef des japanischen Ingenieurbüros Eco Marine Power will Segel auf Frachtern nachträglich anbringen. Er entwickelt einen starren Windfänger, so hoch und breit wie ein vierstöckiges Haus. Die Oberfläche zieren Solarzellen, die Strom ins Bordnetz des Schiffes speisen. 16 der sogenannten Aquarius-Segel sollen auf einen Frachter passen. „Vier bis fünf Millionen Dollar wird das System kosten“, sagt Atkinson, „nach sechs bis acht Jahren zahlt es sich aus.“

Gleich, ob Atkinsons Design den Tests standhalten wird: Windkraftexperten wie Heinz Otto vom Bundesverband Windenergie versprechen sich von den Hilfsantrieben eine große Zukunft. Bloß steht die Technik ganz am Anfang.

Das musste vor drei Jahren auch Stephan Wrage einsehen. Aus seinem Büro am Hamburger Binnenhafen, im zehnten Stock eines früheren Getreidespeichers, schaut der Gründer des viel gelobten Startups Skysails auf Kräne, Boote, Hafenbecken. Seine Erfindung, ein Lenkdrachen, soll noch höher hinaus: in die windige Luft bis zu 300 Meter über dem Meer.

An einem Modellboot zeigt Wrage, wie sein Skysails-Antrieb funktioniert: Auf Knopfdruck hebt ein beweglicher Mast am Bug einen Zugdrachen in die Höhe. Gehalten von Spezialkabeln, dick wie Schläuche, steigt das Tuch in die Luft. Dort zieht es computergesteuert seine Bahnen – und das Schiff hinter sich her. „Wind ist billiger als Öl“, sagt Wrage. Und zwar, mit der Skysails-Technik, etwa um die Hälfte.

Eine überzeugende Idee. Doch die Technik funktionierte nicht wie geplant. Mal stand ein Schaltkasten unter Wasser, mal alterte das Tuch zu schnell. Im Atlantik stürzte der Drachen sogar immer wieder jäh ab. Neun Monate dauerte es, bis die Techniker den Grund fanden: Die Atlantikwellen gerieten in Resonanz mit dem Drachen – und ließen ihn zusammensacken.

Tempomat für Ozeanriesen

Diese Probleme seien heute behoben, sagt Wrage. Nun soll eine neue Version des Drachens entstehen – mit bis zu zwei Megawatt Leistung. Der US-Getreidehändler Cargill will damit auf einem Frachter bis zu drei Tonnen Öl pro Tag durch Windkraft ersetzen. Die meisten Reeder aber scheuen derzeit Investitionen. Die Branche hat zu viel Ladefläche und zu wenig Nachfrage.

Wrage verkauft zurzeit vor allem ein System, das Handelsfahrten effizienter macht: Sensoren messen Wellen, Wind, Ladestand und mehr. Aus den Daten berechnet ein Computer die jeweils passende Antriebsleistung. Statt mit gleichem Tempo durchzubrettern, richtet sich der Motor nach Wetter, Ölpreis, Lieferfrist und Einnahmelage des Schiffes. An 20 Frachtern hat Wrage das System installiert. Sie fahren nun täglich um 300 Euro profitabler. Damit rentieren sich die Kosten von bis zu 50 000 Euro nach sechs Monaten.

Das sind erstaunliche Zahlen. Die japanische Reederei NYK geht sogar davon aus, dass selbst die größten Containerschiffe in 20 Jahren grün werden. Ihr Konzept eines „Super Eco Ship“ fährt mit gasbetriebenen Brennstoffzellen, ausfahrbaren Riesensegeln und Solarzellen, die sich als aerodynamische Hülle über die gesamte Ladefläche ausbreiten und bis zu zwei Megawatt Strom produzieren. Zusammen mit einem Dutzend anderer Techniken soll der Gigant rund 70 Prozent CO2-Emissionen sparen.

Nun muss das Schiff nur noch jemand bauen.

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