Der Erfolg von Fahrrädern mit Trittunterstützung ist ungebrochen. Zählte man vor wenigen Jahren mit seinem E-Bike noch zu einem Exot oder traute sich mit dem Gefährt nicht auf die Straße, da ihm ein Renterimage anhaftete, ist das Fahrrad mit Motor heute durch alle Gesellschaftsbereiche hindurch verbreitet. Nicht nur Rentner nutzen die Möglichkeiten des Motors, schneller von A nach B zu kommen, auch Mountainbiker freuen sich über mehr Reichweite auch an steilen Hängen. Jüngst erklärte eine junge Mutter im Gespräch, dass sie sich auch ein E-Bike anschaffen wolle "um den Fahrradanhänger mit dem Nachwuchs schneller ziehen zu können."
Auch die Absatzzahlen sprechen eine klare Sprache: Wurden nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) 2011 noch 330 000 E-Bikes abgesetzt, hat sich diese Zahl im Jahr 2012 um 50.000 auf 380.000 verkaufte E-Bikes erhöht. Das entspricht einer Steigerung von knapp 15 Prozent, mittlerweile machen E-Fahrräder schon rund zehn Prozent am Gesamtmarkt für Fahrräder aus.
Der steigende Absatz in Verbindung mit einer breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz dürfte damit auch der Grund sein, wieso immer weitere Marken in das Geschäft um die summenden Fahrräder einsteigen. Wurde der Markt vor wenigen Jahren noch von etablierten Marken wie Pegasus oder Riese & Müller dominiert, versuchen heute immer mehr Unternehmen, von denen man es erst einmal nicht erwartet, ihre Elektrorädern an den Kunden zu bringen. So präsentierte jüngst die österreichische Motorradschmiede KTM ihr erstes E-Bike und der elektronische Drahtesel von Audi namens "Wörthersee" hat bei Youtube bald schon eine halbe Millionen Klicks gesammelt.
Aber was ist der Unterschied zwischen einem E-Bike und einem Pedelec? Hierzulande werden die Begriffe häufig als Synonym verwendet, streng genommen unterscheiden sich E-Bike und Pedelec jedoch in ihrem Antriebskonzept. Während ein E-Bike einfach ein Fahrrad mit angebautem Elektromotor ist, also auch vorantreibt ohne dass der Fahrer tritt, ist ein Pedelec lediglich mit einer Trittunterstützung ausgestattet. Werden die Pedale also nicht genutzt, treibt auch der Elektromotor das Fahrrad nicht an. Hierzulande sind vor allem Pedelecs beliebt, nach Angaben des ZIV machen diese rund 95 Prozent Marktanteil aus. Der Rest sind E-Bikes, die ähnlich einem Motorrad den Fahrer auch ohne eigenes Zutun durch die Lande schieben.
Der hohe Marktanteil von Pedelecs dürfte zwei Gründe haben. Zum einen werden nur Pedelecs, die den Fahrer bis maximal 25 Stundenkilometer unterstützen und eine Dauerleistung des Motors von 250 Watt aufweisen, noch als Fahrrad gewertet. Alles was schneller, leistungsstärker oder ohne Trittunterstützung auskommt, ist kein Fahrrad mehr und benötigt ein Kennzeichen der Fahrer einen Helm. Das geht es aus einem Beschluss des Verkehrsgerichttags in Goslar im Januar 2012 hervor. Außerdem entfällt dann auch das Privileg der Fahrradwegnutzung.
Das Pedelec als Lifestyleprodukt?
Zum anderen dürfte dem großen Anteil von Pedelecs am Gesamtmarkt auch eine Fitnesskomponente zur Grunde liegen: Die Deutschen wollen sich entspannter über weitere Strecken bewegen, komplett anschieben lassen, wie auf einem Motorrad, will man sich allerdings nicht.
So wird das Pedelec zunehmend zum Lifestyleprodukt. Wurde ein Elektromotor früher als Zeichen von Schwäche und fehlender Muskelkraft gedeutet, sehen die Kunden heute eher die Vorteile, die der Motor mit sich bringt. Nämlich schneller, weiter und höher radeln. Auf solch einem Fahrrad fühle man sich "wie ein Superheld" erklärte David Horsch jüngst gegenüber dem Nachhaltigkeitsportal WiWo Green. Horsch hat gemeinsam mit seinem Freund Pius Warken ein Pedelec gebaut, das den Akku versenkt im Rahmen mit sich trägt und somit nur schwer von einem "normalen" Fahrrad zu unterscheiden ist.
Kleine E-Bike-Typologie
Pedelecs leiten ihren Namen aus den englischen Begriffen "Pedal, Electric Cycle" ab. Ein elektrischer Hilfsmotor unterstützt den Radler nur solange dieser in die Pedale tritt. Das Fahrrad darf nicht mehr als 250 Watt Leistung bereitstellen und nicht schneller als 25 km/h sein.
In vielen Bundesländern ist für Pedelecs mindestens die Mofa-Prüfbescheinigung erforderlich. Sie steht Fahrern ab 15 Jahren offen und umfasst eine theoretische und praktische Ausbildung sowie eine Theorie-Prüfung. Personen, die vor dem 01. April 1965 geboren wurden, benötigen aber lediglich einen Personalausweis. Die Mofa-Prüfbescheinigung ist in den Motorradführerscheinen A, A1 und A2 sowie im Pkw-Führerschein der Klasse B (früher Klasse 3) enthalten.
Für Pedelecs ist nur dann keine eigene Haftpflichtversicherung notwendig, wenn sie in der Privathaftpflicht enthalten ist. Oft sind in alten Verträgen Elektroräder aber nicht enthalten. Dann ist eine schriftliche Bestätigung vom Versicherer anzufordern, dass Pedelecs im Vertrag eingeschlossen sind.
Es besteht keine Helmpflicht.
Schnelle Pedelecs sind sogenannte "S-Pedelecs", auch Schweizer Klasse genannt. Sie unterstützen den Fahrer durch den bis zu 500 Watt starken Elektromotor bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Auch hier arbeitet der Motor nur, wenn der Fahrer in die Pedale tritt.
Für den Betrieb ist bei S-Pedelecs ein Versicherungskennzeichen erforderlich. Im Straßenverkehr benötigt der Fahrer die Fahrerlaubnis für Kleinkrafträder der Klasse M. Seit 19. Januar 2013 heißt diese Klasse AM und ist in den Motorradführerscheinen sowie im Pkw-Führerschein der Klasse B (früher Klasse 3) enthalten. Die Klasse AM steht Personen ab 16 Jahren offen und schließt sowohl eine theoretische als auch praktische Prüfung ein.
S-Pedelecs werden wie Kleinkrafträder eingestuft und dürfen nicht auf dem innerstädtischen Radwegnetz fahren. Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen S-Pedelecs nur Radwege benutzen, wenn diese durch das Zusatzschild "Mofas frei" für den Kraftverkehr freigegeben sind.
Es besteht Helmpflicht.
Im Gegensatz zu Pedelecs und S-Pedelecs besitzen E-Bikes einen maximal 500 Watt starken Antrieb, der unabhängig vom Tritt in die Pedale funktioniert. Über einen Drehgriff oder Schalter am Lenker steuert der Fahrer die Motorleistung des bis zu 20 km/h schnellen E-Bikes. Höhere Geschwindigkeiten sind vom Tritt in die Pedale abhängig.
E-Bikes gelten wie S-Pedelecs als Kleinkraftrad und benötigen ein Versicherungskennzeichen sowie eine Betriebserlaubnis. Das Führen des E-Bikes setzt mindestens eine Mofa-Prüfbescheinigung voraus.
Es besteht Helmpflicht.
Doch es gibt auch Anlass zur Beunruhigung. Denn dem angesprochenen "Supermanngefühl", das ein E-Bike erzeugen kann, dürften nicht alle gewachsen sein. "Die E-Bikes können den Fahrer auf Geschwindigkeiten beschleunigen, die er mit reiner Muskelkraft nicht erreicht hätte", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Das führe häufig zu Überforderung. Die Folge mitunter: Zusammenstöße mit anderen Verkehrsteilnehmern. Die Zahl der Crashs mit Beteiligung von E-Fahrrädern steigt, wie eine aktuelle Untersuchung des Auto Club Europa (ACE) zeigt. Die Experten recherchierten in der Unfallstatistik des Landes Baden-Württemberg, um die Entwicklung von Unfällen seit 2010, an denen E-Bikes und Pedelecs beteiligt sind, genauer betrachten zu können.
Das alarmierende Ergebnis: Waren 2010 in lediglich 42 Fällen E-Bikes oder Pedelecs an Verkehrsunfällen beteiligt, lag diese Zahl 2012 bei 160. Das ist eine Steigerung von mehr als 300 Prozent. Gerade die Anzahl an Pedelecs, die an Verkehrsunfällen beteiligt sind, stieg dramatisch in den vergangen Jahren. Von 30 in 2010 auf 133 im Jahre 2012. Auch stieg die Anzahl Verletzter stark an, 2011 gab es sogar zwei Tote bei Unfällen mit Beteiligung von Pedelecs. Was ebenfalls aus der Untersuchung hervorgeht: Statistisch ist die Gefahr getötet zu werden auf einem Pedelec viermal so hoch wie auf einem gewöhnlichen Fahrrad, wenngleich die Werte mit zwei und 0,5 Prozent sehr niedrig liegen.
Kritik von Prüfinstituten
Die möglichen Gefahren von motorunterstützten Fahrrädern liegen zum einen in der erwähnten Überforderung, aber auch in der Fehleinschätzung von anderen Verkehrsteilnehmern. Erkennen diese nicht, dass sich ein Pedelec statt ein gewöhnliches Fahrrad nähert, kann die Geschwindigkeit schnell unterschätzt werden.
Doch nicht nur Fehlverhalten von Pedelecfahrer und anderen Verkehrsteilnehmern sorgen für Gefahren beim motorgestützten Radeln. Jüngst untersucht der Allgemeine Deutsche Auto Club (ADAC) und die Stiftung Warentest sechzehn aktuelle Pedelecs, nur zwei bekamen eine gute Endnote. Das Urteil des der Experten: "Schwache Bremsen, Rahmen- oder Lenkerbruch - mit neun Modellen kann die Tour im Krankenhaus enden." Dem setzte der ZIV als Fahrradindustrieverband entgegen, dass die Testmethodik von ADAC und Stiftung Warentest den europäischen Normen nicht entspreche, die Hersteller ihre Rädern also nach ganz anderen Normen produziert hätten. Außerdem würden die, von ADAC und Stiftung Warentest, entdeckten Mängel keinerlei Rolle in der Realität spielen und diese Mängel den Herstellern nicht bekannt sein.
Pedelecs werden auch bei Geschäftskunden immer beliebter. Daher gibt es in Aachen und Stuttgart mittlerweile auch Mietfahrräder der Bahn, die mit einem Motor ausgestattet sind. „E-Call a Bike“ nennt das Unternehmen dieses Konzept. Den Trend "Geschäftspedelec statt Geschäftswagen" erkennt auch Thomas Huber Chefredakteur beim Zukunftsinstitut, einem Trendforschungsinstitut mit Sitz bei Frankfurt: "Das E-Fahrrad wird auch zunehmend für Unternehmen als alternatives Verkehrsmittel interessant." Klarer Vorteil: In Innenstädten entfallen Parkplatz- und Stauprobleme und dank des Elektromotors bleibt auch das Hemd schweißfrei. So sollen bei BASF in Ludwigshafen bald 1500 Mitarbeiter mit dem Elektrofahrrad zur Arbeit kommen.
Entscheidend man sich zum Kauf eines Pedelecs, kommt dann die Schattenseite des boomenden Markts zum Vorschein: Die Qual der Wahl, aus mehreren tausend E-Drahteseln das Richtige zu finden. Selbst beim Discounter werden regelmäßig Pedelecs angeboten, die Auswahl im Fachhandel ist riesig. Die Preise starten bei 500 Euro, nach oben sind fast keine Grenzen gesetzt. Dennoch raten Experten zu ausführlichen Testfahrten und einem nicht zu schmalen Budget. "Mindestens 1800 Euro sollte man schon investieren, hinzu kommen jährlich rund 300 Euro für die Wartung", sagt Bettina Cibulski, E-Fahrradexpertin beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC).
Entspannter, aber nicht automatisch sicherer
Doch wer hat schon Zeit, mittels Probefahrt aus Dutzenden von Fahrrädern das Richtige zu ermitteln? Das haben sich auch die Gründer von e-Bike Finder gedacht. Das Unternehmen hat mehr als 1500 Pedelecs im Angebot, gibt Tipps zur Kauf und zur Wartung und zeigt, wo der nächste Fachhändler sitzt. Außerdem gibt es einen digitalen Kaufberater. Zehn kurze Fragen zur geplanten Nutzungsstrecke oder Körpergröße müssen beantwortet werden, schon zeigt die Plattform die passenden Modelle. Man sollte zwar dennoch das empfohlene Pedelec beim Händler ausprobieren, doch verkleinert e-Bike Finder die Auswahlmöglichkeiten auf eine überschaubare Größe.
Wer auf die ökologischen Gesichtspunkte der Produktion des Pedelec Wert legt, sollte einen Blick auf die EcoTopTen des Freiburger Öko-Instituts werfen. Hier hat das Forschungsinstitut zehn Fahrräder aufgelistet, die neben gutem Preis-Leistungsverhältnis und guter Technik auch umweltfreundlich produziert wurden, so das Institut.
So sollte man sich vor dem Kauf eines Pedelecs erst ein wenig in die Materie des strombetriebenen Radelns einarbeiten. Wie teuer darf es sein? Was muss es alles können? Will ich zehn oder 100 Kilometer mit dem Pedelec fahren? Das sind Fragen, die man sich vor dem Kauf beantworten sollte. Außerdem muss jedem Pedelecpiloten klar sein: Nur weil es sich entspannter tritt, fährt es sich nicht automatisch sicherer.
Gerade im Alltagsverkehr muss man auf dem Rad sehr aufmerksam sein. Wenn dann noch ein Elektromotor schiebt, umso mehr.