Sonnenenergie Solarbranche: Leben auf dem Sonnendeck

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Solarstrom-Anlage bei Quelle: AP

Man trifft nicht viele Ströhers in der Welt der Superreichen; wohl deshalb hält er sich selbst, so gut es geht, von ihnen fern. Ströher lebt in Darmstadt, unauffällig und zurückgezogen, er trägt meist ein Eterna-Hemd, eine Paisley-Krawatte und ein Tweed-Sakko, er fährt seit 40 Jahren Kombi, trinkt Wasser, Tee, nie Bier und manchmal auch einen Longdrink, er bastelt im Hobbyraum an einer historischen Hafenanlage mit japanischen Modellschiffen aus dem Zweiten Weltkrieg und verschlingt Fantasy-Romane: Jules Verne natürlich und vor allem Tolkien, den „Herr der Ringe“, immer wieder, in Englisch, Spanisch, Deutsch, zum 25. oder 26. Mal, ganz genau weiß Ströher es selbst nicht.

Natürlich trägt er am Zeigefinger „den einen Ring“, manchmal in Gold, das Geschenk seiner Kinder, manchmal in Schwarz, das Geschenk eines Bankmanagers, natürlich spricht er Sindarin, die Sprache der Elben, natürlich kennt er die Inschrift des Ringes und kann auf Kommando Min Gôr bauglo hain phain / min Gôr chebo hain… murmeln: „Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben, sie ewig zu binden…“

Dass Ströher einen so düsteren Spruch spazieren trägt, hat nichts weiter zu bedeuten. Der Ring zeugt davon, dass er Tolkiens Fantasie verehrt, nicht Herrschaft und Gewalt. Geld ist für Ströher kein Machtinstrument und Demonstrativgut, eher eine Möglichkeit zur Beförderung des zivilisatorischen Fortschritts. Man zögert nicht, ihn einen guten Menschen zu nennen; ein Reicher wie er passt durch jedes Nadelöhr. Seine Firmen hat er auf die Namen „Mithril“ und „Rivendell“ getauft; in Tolkiens Welt ist Mithril ein wertvolles Metall und Rivendell ein elbischer Außenposten; in Ströhers Welt ist Mithril sein Vermögen und Rivendell seine Schweizer Beteiligungsgesellschaft.

Der Investor

Produktion von Solarzellen

Ströher verwaltet seine Millionen, so gut es geht, das ist seit sieben Jahren sein Beruf. 200 Millionen Euro erlöst der Urenkel des Wella-Gründers, als die Haarpflege-Legende an Procter & Gamble verkauft wird. Einen guten Teil davon legt Ströher in der aufstrebenden Solarbranche an. An der Berliner Solon hängt bis heute sein Herz; noch immer hält er 36,1 Prozent der Aktien. Mit Q-Cells macht er sein finanzielles Glück. Als das Papier im April 2006 bei 77 Euro notiert, steigt Ströher aus – und kassiert 640 Millionen. Seither hat die Aktie 87 Prozent verloren.

Immo Ströher ist ein Solarrevolutionär der ersten Stunde. Wobei Revolutionär das falsche Wort ist. Ströher will die Welt verändern, sicher; aber genauso richtig ist, dass die Welt auch ihn verändert. So tätig er sein Leben lebt; es stößt ihm immer auch ein bisschen zu. Ströher ist gelernter Psychologe, mit Herz und Leidenschaft, in den Achtzigerjahren therapiert er lerngestörte Kinder und ihre verhaltensauffälligen Eltern; die Welt der Wirtschaft ist ihm fremd und fern. Als die Familie ihn in den Beirat der Wella ruft, ist er naiv genug zu glauben, er könne den Manager nebenberuflich geben.

In den Neunzigerjahren ist er dann viel im Sonnengürtel der Erde unterwegs, in Afrika und Südamerika. Er fängt an, sich für die Kraft der Sonne zu interessieren; als Freizeitingenieur sucht er den Kontakt mit Profis, trifft sich in Berlin mit Solartüftlern der ersten Stunde, mit Reiner Lemoine, Alexander Voigt, Paul Grunow, Holger Feist – und begleitet mit ihnen die Gründungen und Börsengänge von Solon (1996/1998) und Q-Cells (1999/-2005).

Traum vom Perpetuum mobile

Heute ist Ströher, nun ja, investierender Solaraktivist, ein Botschafter der Branche und zugleich ihr Profiteur, ein ökologisch Bewegter und monetär Bewegender, rund um die Uhr beschäftigt mit der überzeugungstäterischen Vorbereitung des postfossilen Zeitalters und der Mehrung seiner Millionen. Seine Firma Immosolar pumpt den Löwenanteil in das Projekt Weltumrundung, klar, aber sie projektiert auch Ökoresorts und schwimmende Klimahäuser, die eine lichtere Zukunft versprechen – und selbstverständlich mit Modulen von Solon ausgestattet sind.

Man könnte es Ströhers Kreislaufwirtschaft nennen, die umfassende Verschränkung von Mission und Geschäftsinteresse, von altruistischer Zukunftssicherung und egoistischer Vermögensvermehrung; die Realisierung des Traums von einem Perpetuum mobile, das ökonomische und ökologische Gewinne abwirft und alles Geld und Glück und Grün der Welt vervielfacht. Natürlich gibt es diese Welt nur im weiten Reich der Fantasie. Mit Ströhers Fantasie aber ist sie eben doch auch: ein Stück Wirklichkeit.

Wen immer man trifft in der Solarindustrie, mit wem man auch spricht über die Zukunft der Branche – alle reden von Frank Asbeck und seiner Bonner Solarworld AG. Frank Asbeck ist der Guru der Branche und ihr Gesicht, ihr Prophet und ihr Cheflobbyist, ihr Alphatier und Aushängeschild, kurz: die Personifikation ihres strahlenden Erfolgs. Frank Asbeck hat wahnsinnig viel getan für die Branche, sagt Immo Ströher. Frank Asbeck hat fast alles richtig gemacht, lobt Conergy-Chef Dieter Ammer. Frank Asbeck gelingt einfach alles, sagt Frank Asbeck.

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