Sonnenenergie Solarbranche: Leben auf dem Sonnendeck

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Frank H. Asbeck, Quelle: APN

Frank Asbeck sitzt rechts hinten im Restaurant der Auberge Mistral, ein „provenzalisches Kleinod im Erzgebirge“, mit Zimmern, die „La Fleur Rose“ heißen und „Suite Louis XV.“, ganz wie es sich gehört für einen, der sich umdreht, wenn in seinem Rücken jemand „Sonnenkönig“ flüstert. Ein, zwei Mal im Monat ist er hier im sächsischen Freiberg, am deutschen Produktionsstandort der Solarworld-Familie, zurzeit etwas öfter, weil im Industriegebiet Ost vergangene Woche eine neue Waferfabrik für 350 Millionen Euro eingeweiht wurde und weil im Gewerbegebiet Saxonia derzeit viel Erde planiert wird für eine neue Modulfabrik, Fertigstellung Ende 2010.

Eine halbe Milliarde Euro an frischen Investments, Kapazitätsaufbau in den USA, dazu ein 500 Millionen Dollar schweres Joint Venture in Qatar... – ist das nicht ein bisschen viel für ein TecDax-Unternehmen, das 2009 erstmals die Umsatzmilliarde überschritten hat? Ist das nicht allzu weißmalerisch gedacht und fahrlässig wachstumsoffensiv angesichts fallender Preise, südwärts zeigender Aktienkurse, chinesischer Konkurrenz und einer Politik, die angefangen hat, der Industrie die Subventionen zu kürzen?

Die Kellnerin kommt. Frank Asbeck möchte was mit brauner Soße essen. Schweinebäckchen vielleicht? Ja, Schweinebäckchen. Also, sagt Frank Asbeck, holt tief Luft und sagt Sätze, die wie Offenbarungen vom Himmel fallen. Erstens: Die Streichung der Großflächenförderung juckt uns nicht; die trifft Produzenten minderwertiger Ware, vor allem den Marktführer First Solar und die Chinesen.

Die Fußlahmen werden aussortiert

Installation von Solarzellen

Zweitens: Die Menschen wollen saubere Module auf ihrem Hausdach, gute Qualität, made in Germany – Solarworld ist in diesem Segment Marktführer. Drittens: Die Branche steht vor ihrer Konzentration und Bereinigung, die Fußlahmen werden jetzt aussortiert, keine Frage, gnadenlos. Viertens: Die Politik beschleunigt diesen Prozess durch die Kürzung der Subventionen. Fünftens: Solarworld wird zu den großen Gewinnern gehören, weil der Konzern die gesamte Wertschöpfungskette vom Silizium bis zum Modul abdeckt, weil er Volumenvorteile genießt und mit seinen neuen Kapazitäten in die Lücken stoßen wird, die die Fußlahmen hinterlassen.

Sechstens: Der Preis für herkömmlich hergestellten Strom wird steigen, der für Solarstrom sinken; das heißt: Die Preise treffen sich – und der Boom der Branche geht erst…– Asbeck kommt nicht mehr dazu, „richtig los“ zu sagen. Die Kellnerin ist gestolpert und hat ein Glas Wasser über ihn entleert, o Gott o Gott, das tut mir leid, Verzeihung bitte, o Gott, o Gott! Aber das ist doch gar kein Problem, sagt Asbeck und lacht, wischt sich und den Tisch mit einer Serviette ab, ist doch nur Wasser, keine Buttersäure, nur bitte, sagt Asbeck: Sagen Sie nicht Gott zu mir, das ist wirklich nicht nötig.

Apropos Gott. Er gehe ja zuweilen in die Kirche, sagt Asbeck, liest die Dank- und Bittbücher – das feit einen gegen Überfliegerei. Natürlich mache ihm das manchmal Angst, dieser dauernde Erfolg, dieses glatte Gelingen, dieses grenzenlose Wachstum; natürlich frage er sich zuweilen, warum der liebe Gott es so gut mit ihm meint und wie lange das so weitergehen kann. Vor allem, wenn ich mich so angucke, sagt Asbeck und klopft auf seinen Bauch, denn gerade kommt das Schweinebäckchen mit den Saubohnen: 130 Kilo Lebendgewicht, ja ja, höchste Zeit für eine Phase der Konsolidierung.

Vorerst aber habe er Hunger, sagt Asbeck, Guten Appetit, schließlich geht es in den nächsten zwei Jahren um Marktanteile, da ist man dabei oder nicht, fressen oder gefressen werden. Die Schweinebäckchen sind gut, was meinen Sie, fragt Asbeck – und: Was wollen Sie denn sonst noch wissen? Vielleicht was über mein Damwild, meine Axishirsche oder die Hängebauchschweine? Stellen Sie sich vor: Die Schweine haben grade einen großen Wurf gelandet, 17 Junge, ausgerechnet 17, verstehen Sie: 17 Prozent Wirkungsgrad im industriellen Standardprozess, da wollen wir hin, die werden wir bald erreichen...

Sagenhaft schnell drehende Intelligenz

Man kann mit Frank Asbeck nicht über die Solarindustrie sprechen, ohne auch über sein Leben zu sprechen, das eine ist ihm so wichtig wie das andere, also spricht man auch über seinen Jagdinstinkt, seinen Glauben und seine Figur, über seinen Maserati, seine Gründerzeitvilla, seinen Wald und seinen Privatzoo, über seine Legasthenie, seine Trachtenjacken, seine Motorradtour durch Afrika und natürlich auch über seine politische Vergangenheit bei den Grünen.

Asbeck ist voller Esprit und Witz, voller Grillen und Geistesblitze, alles flackert, flunkert und zwinkert, wenn er erzählt, seine Gedanken sind immer hellwach unterwegs und immer ironisch gegen sich selbst gerichtet, es irrlichtert und tanzt, begleitet von spöttischen Spitzen, angetrieben von einer sagenhaft schnell drehenden Intelligenz, die fortlaufend kreist und kreißt und immer neue Meinungen, Ideen und Pläne produziert.

Mit Frank Asbeck Schweinebäckchen essen ist daher ein bisschen wie Karussell fahren. Lukas Podolski half er zurück zum FC nach Köln; dem Papst schenkte er ein Solardach für die Audienzhalle; General Motors bot er an, Opel zum ersten „grünen Autokonzern der Welt“ zu formen. In Frankfurt ist er bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser eingestiegen; die Stadt Bonn hat er mit einer Million vor dem Verlust von August Mackes Selbstporträt bewahrt; in Freiberg hat er das „Tivoli“ vor der Pleite gerettet und renoviert – das „Tivoli“, wo die Puhdys ihren ersten Auftritt hatten und die Ostdeutschen Meisterschaften im Bodybuilding stattfinden – und wo es mittags ein Schweineschnitzel mit Pommes und Kaltgetränk für 3,90 Euro gibt: Man muss was tun für die Menschen, sagt Asbeck, die verdienen hier ja nicht so gut.

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