Aber bestimmte Knappheiten, die man für unendlich verfügbar hielt – Land, Wasser, Luft – wurden nie mitgerechnet? Wie kann es gelingen, diese knappen Ressourcen in den Preisen zu berücksichtigen
Miegel: Der Markt alleine schafft das nicht. Er hat seine unüberbietbaren Stärken. In Bezug auf Ressourcen und Umwelt sind seine Mechanismen jedoch nicht ausreichend. Und bei langfristigen Entwicklungen von Gesellschaften oder gar der Menschheit, ist er weitestgehend überfordert. Das ist nicht sein Wirkungsbereich.
Paqué: Was schlagen Sie vor? Wollen Sie den Ölpreis durch noch höhere Steuern verdoppeln, verdreifachen, vervierfachen? Sie müssen doch – außer Appellen zur Umkehr – eine Konzeption im Kopf haben! Haben Sie aber nicht. Meine Sicht der Dinge ist: Wir können uns nur auf der Basis dessen, was wir heute wissen, tastend vorwärts bewegen – und genau das tun wir. Der Ölpreis steigt, in den Energiepreis werden alle möglichen Umweltkosten eingerechnet – und wir alle helfen mit unseren Steuergeldern, uns Optionen künftiger Mobilität und Energiegewinnung offen zu halten. Politisch geht es nicht darum, das Steuer mit einem kräftigen Schwung herumzureißen, sondern den Prozess mit Augenmaß zu lenken.
Miegel: Der Staat hat immer wieder handeln müssen, weil der Markt es nicht tat. Vermutlich führen wir noch heute ohne Katalysatoren in unseren Autos herum, wenn der Staat ihre Einführung nicht erzwungen hätte. Übrigens gegen den massiven Widerstand der Industrie.
Paqué: Das ist doch genau der Prozess, von dem ich spreche.
Miegel: Dann sind wir uns ja einig., dass es ein Zusammenwirken von Markt und Staat geben muss.
Paqué: Natürlich, aber welche technologischen Durchbrüche wann passieren, kann niemand voraussagen – weshalb sich der Staat in der Feinsteuerung vornehm zurückhalten sollte. Es ist vermessen zu glauben, wir seien in der Lage, technologische Innovationen zu prognostizieren. Sicher ist nur, dass es sie geben wird.
Miegel: Das ist ein kühner Salto. Eben haben sie uns noch aufgefordert, auf technischen Fortschritt zu setzen und jetzt erklären sie, dass niemand diesen Fortschritt vorhersehen könne. Was gilt denn nun?
Paqué: Mit Angstszenarien kommen wir jedenfalls nicht weiter. Ihre Frage erinnert mich an die Diskussion um die atomare Bedrohung in den Achtzigerjahren. Die einen beschworen die Apokalypse herauf, die anderen sagten: Keine Panik – es wird schon eine angemessene Reaktion auf die Gefahr geben. Und so ist dann auch gekommen.
Miegel: Was ist gekommen. Die atomare Apokalypse wurde doch nicht durch technischen Fortschritt abgewendet. Aber lassen wir das. Der Grundwiderspruch ihrer Argumentation ist doch, dass sie unendliches Wachstum in einer endlichen Welt propagieren. Das geht nur, wenn wir dieses Wachstum entweder weitgehend entstofflichen oder in völlig geschlossene Kreisläufe lenken. Von beidem sind wir weit entfernt. Und deshalb explodieren die Energie- und viele Rohstoffpreise, die Ernährungsgrundlage wird schmaler und vieles andere mehr.
Herr Paqué, ist es nicht unbestreitbar, dass das heutige Wachstum die Reserven des gesamten Planeten überfordert?
Paqué: Natürlich brauchen wir ein verstärktes Wirtschaften in Kreisläufen. Nur die Vorstellung, dass wir im Voraus genau wissen, wo Engpässe auftreten – die widerspricht aller geschichtlichen Erfahrung. Ich halte es mit Trial and Error, also einem Prozess, an dessen Ende sich zeigen wird, welche Technologien uns weiterhelfen. Sobald am Markt Knappheiten auftauchen, werden sich Wege finden, damit umzugehen.
Wir reden nicht von Knappheiten, sondern von Endlichkeiten.
Paqué: Knappheiten sind stets das Ergebnis von Endlichkeiten.
Miegel: Das ist der Unterschied. Weil wir wirtschaften wie wir wirtschaften, verschlechtern sich fortwährend die Grundlagen dieses Wirtschaftens: Überfischte und übersäuerte Meere, sterbende Korallenriffe, vermüllte Ozeane. Und bisher hat kein technischer Fortschritt diese Entwicklung umgekehrt oder beendet oder auch nur verlangsamt, im Gegenteil.