Stromnetze Die Energiewende wird zum Drahtseilakt

Der Streit um die Solarförderung scheint gelöst, doch der geplante Ausbau der Leitungen kostet Milliarden und treibt den Strompreis. Dabei können neue Techniken den Ausbau drastisch beschleunigen und verbilligen.

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Der Blick von unten, hoch zu einem Strommast Quelle: dpa

Energiewende verrückt! Zwar begrüßen 91 Prozent der Bundesbürger nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid von Anfang des Jahres den Atomausstieg. Doch von den Konsequenzen aus dem Umstieg auf erneuerbare Energien wollen viele nichts wissen und protestieren.

Am heftigsten ziehen die Wutbürger gegen neue Stromtrassen zu Felde. Dabei ist klar, dass die Energierevolution nur funktionieren kann, wenn der Windstrom vom Norden, wo er zumeist produziert wird, zügig in die Verbrauchsmetropolen im Süden Deutschlands gelangen kann.

Stromnetzausbau in Deutschland bis 2022 Quelle: VDE, Übertragungsnetzbetreiber

Daher planen die vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW, vorhandene Höchstspannungsleitungen für den Transport großer Strommengen auf 4400 Kilometer Länge zu verstärken. Zudem wollen sie 3800 Kilometer neue Stromautobahnen bauen (siehe Karte). So haben sie es gerade in einem Netzentwicklungsplan dargelegt. Reichlich Anlass also für neue Proteste.

Tennet-Chef Martin Fuchs setzt auf die Einsicht der Bürger. „Die Umsetzung des Netzausbaus wird das Tempo der Energiewende bestimmen.“ Und ihre Kosten erhöhen. 20 Milliarden Euro kalkulieren die Betreiber für den Ausbau der Stromadern. Das Geld holen sie sich von den Kunden zurück. Für sie könnte sich die Kilowattstunde um bis zu 1,2 Cent verteuern, so der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE).

Vielversprechende Alternativen

Umso dringlicher stellen sich zwei Fragen: Können neue Technologien die Ausbaukosten drücken? Und gibt es praktikable Alternativen zur Netzerweiterung?

Die Antwort lautet zwei Mal Ja. Aus Expertensicht gibt es gleich mehrere Möglichkeiten. Besonders viel Potenzial hat nach einer aktuellen Studie des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) die sogenannte Lastverschiebung. Bei ihr passen Industrie und Haushalte ihre Nachfrage über Preissignale dem aktuellen Elektrizitätsangebot an. 8,5 Gigawatt können laut VDE auf diese Weise beeinflusst werden. Das entspricht dem Bedarf von rund vier Millionen Haushalten – und erspart es den Betreibern, ihre Infrastruktur für jedes Extrem auszulegen.

Wie groß das Sparpotenzial ist, hat noch niemand ausgerechnet. Wohl aber, wie teuer die erforderliche Kommunikationstechnik zur Steuerung von Netzen, Fabriken und Geräten käme: Die Energieberatungsgesellschaft DNV Kema Energy & Sustainability kalkuliert dafür deutschlandweit rund sieben Milliarden Euro.

Andere vielversprechende Ansätze sind:

  • die Überwachung der Leitungen mit Sensoren, um jederzeit die größtmögliche Menge an Strom durchleiten zu können;
  • der Einsatz von Hochspannungs-Gleichstromkabeln, bei denen unterwegs weniger Elektrizität verloren geht;
  • neue Hochleistungsleitungen, die mehr Watt und Volt transportieren können.

Vor allem diese Technologie, die auf neue Werkstoffe setzt, ist aktuell am weitesten. Ganz vorn bei diesem innovativen Drahtseilakt mischt der US-Technologiemulti 3M mit. Sein Beitrag zur Energiewende reduziert sich auf vier Buchstaben: ACCR. Das Kürzel steht für ein Hochtemperaturleiterseil mit dem Namen Aluminium Conductor Composite Reinforced.

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