
„Was dich nicht umbringt, macht Dich härter“ – so lassen sich, verkürzt, die Zukunftsaussichten für die deutschen Energieversorger beschreiben, die die Beratungsunternehmen BearingPoint und IDC in einer neuen Studie zu den kommenden Herausforderungen für die Energiebranche skizzieren. In der Untersuchung „Utilities x.0: Time for a reboot?“ haben die Analysten anhand von 40 europäische Energieunternehmen untersucht, wie die Digitalisierung und Dezentralisierung des Strommarktes das Geschäft der Versorger in den kommenden Jahrzehnten verändern werden.
Dabei wurde auch untersucht, wie gut die Konzerne auf die erwarteten Umbrüche vorbereitet sind. Die nämlich werden nach Auffassung der Berater „dramatisch“ sein, weil der Strommarkt künftig unter anderem als Folge des Booms erneuerbarer Energiequellen wesentlich fragmentierter sein wird.





Laut Studie stehen zwei große Trends an: Erstens werden etwa lokale Versorger, sogenannte Micro-Grids-Betreiber, eine wachsende Konkurrenz für die etablierten Riesen darstellen. Zweitens werden die mit Stromerzeugung, -absatz und Netzsteuerung anfallenden Datenmengen neue IT-Kompetenzen im Umgang mit Big-Data-Analytik bei den traditionell eher industriell ausgerichteten Unternehmen erfordern.
Das Feld der Auswertung großer Datenmenge stellt viele Unternehmen noch vor große Herausforderungen. Studien des Branchenverbandes Bitkom zufolge haben zwar inzwischen auch IT-fremde Branchen das Potential der hauseigenen Daten erkannt. Doch der Umgang mit ihnen fällt den meisten noch schwer.
Zum einen fehlt es an qualitativ hochwertig aufbereiteten Daten, zum anderen an qualifiziertem Personal, das auch einen Mehrwert aus diesen Daten generieren kann.
Entsprechend wird das Potenzial, die im Stromgeschäft anfallenden Informationen auch als Geschäftsmodell zu nutzen, zu neuen Kategorien von Marktteilnehmern führen. Etwa sogenannten Energiedaten-Aggregatoren oder Energie-Managern.
Diesen Funktionen halten zwar laut der Untersuchung alle etablierten Spieler für relevant. Doch längst noch nicht alle Unternehmen sprechen sich selbst die erforderlichen Kompetenzen in erforderlichem Umfang zu.
Outsourcing wird die Folge sein. Denn die rasche Anpassung an den Wandel ist eine der entscheidenden Herausforderungen für die etablierten Riesen, die bisher gewohnt waren in über Jahrzehnte laufenden Projekten zu denken. „Die rasche Veränderung des Marktes, getrieben durch Politik, Technik und Kundenverhalten, erfordert von den Energieversorgen ein schnelleres und innovativeres Agieren“, sagt Jens Raschke, Leiter des Segments Utilities bei BearingPoint.
Dabei könnten sich Investitionen in Big-Data-Analysen gerade für die aktuell unter der Energiewende leidenden deutschen Stromriesen lohnen. Die Autoren der Studie bescheinigen der Branche, auf lange Sicht zu den Profiteuren des Wandels gehören. Denn anders als Konkurrenten in anderen europäischen Staaten müssten sie sich aufgrund des Kurswechsel der Politik schon jetzt den „komplexitätssteigernden Anforderungen“ eines sich rasch und radikal verändernden Marktes stellen. „Nach einer erschwerenden Ausgangssituation“ hätten sie nach Angaben von Raschke „sicherlich gute Entwicklungsmöglichkeiten“.
Dafür sei allerdings Entscheidungsfreude gefragt. Derzeit mangele es im deutschen Markt noch an der Entschlossenheit, intelligente Stromzähler zu entwickeln und in den Markt zu bringen. Smarte Messgeräte können verbrauchte Mengen sowie die Verbrauchszeiträume messen. Dadurch soll die Stromversorgung von bestimmten Regionen (oder auch Haushalten) gezielter gesteuert werden. Somit kann die Über- oder Unterversorgung vermieden werden.
Der Grund für das Zögern der deutschen Strom-Riesen: Noch sei nicht klar, wer am Ende die Kosten trage. Daher werde laut Studie versucht, die Markteinführung dieser wichtigen Technologie zu vermeiden oder zumindest zu verzögern. Um den gefährlichen Stillstand aufzulösen und Insellösungen zu vermeiden, fordern die Autoren der Studie, die Technik mithilfe einer markt- und anbieterübergreifenden Lösung zu etablieren.