Tracking der Energiewende #12 Jeden zweiten Tag stirbt ein Windrad

Energiewende in Deutschland: Der Rückstand wächst. Quelle: imago images

Jetzt sind die Gesetze da, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen sollen. Doch auch die Abschaltung alter Windräder läuft mit rasantem Tempo.

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Hinter Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) liegt eine Woche des Schulterklopfens. Erst präsentierte er seine Pläne für ein Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Solarenergie und erntete Applaus von vielen Seiten. Nicht weniger gut lief es für ihn, als er wenig später eine gemeinsame Initiative mit dem Umweltministerium folgen ließ, welche die Hindernisse für den Ausbau der Windkraft an Land beseitigen soll. Erneut folgten Glückwünsche von Fachpolitikern und Verbänden.

Doch Habeck selbst dürfte am besten wissen: Nur weil die Saat gesetzt ist, heißt das noch lange nicht, dass sie nun auch bald blüht. Zum einen treten die Änderungen erst zum Jahreswechsel in Kraft, Habeck ist also darauf angewiesen, dass die Betreiber der Windparks, Kommunen und Länder schon vorher von sich aus die Prozesse beschleunigen, weil ein verbessertes Investitionsklima absehbar ist.

Hinzu kommt: Auch wenn mit dem Artenschutz eine große Barriere für die Windkraft an Land beseitigt sein mag, werden Anwohner von nun an nicht gleich allesamt auf Klagen verzichten. Und selbst nach der großen Vereinfachung bleiben die bürokratischen Anforderungen für den Bau einer Windkraftanlage immens.

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Hinzu kommt: Um die Ausbauziele zu erreichen, wird es nicht genügen, die notwendige Zahl neuer Anlagen zu errichten. Zudem muss verhindert werden, dass bereits existierende Windkraftanlagen einfach abgebaut werden, ohne dass an gleicher Stelle neue, größere Anlagen entstehen.

Darin nämlich liegt eine oft übersehene Schwachstelle des Ausbaus der erneuerbaren Energien, gerade der Windkraft. Während bei den Solaranlagen nur sehr selten einfach abgeschaltet werden, sondern meist auch nach dem Ende der Förderung weiterlaufen, passiert das bei Windkraftanlagen regelmäßig. Und mit jedem Jahr wächst die Zahl dieser „endgültigen Stilllegungen“, wie es bei der Bundesnetzagentur heißt. So auch in den vergangenen Wochen: Seit Jahresbeginn sind den Daten der Behörde zufolge 53 Windräder vom Betrieb abgemeldet worden. Mit anderen Worten: Fast jeden zweiten Tag wird eines der kleinen Kraftwerke abgeschaltet. Dem Netz fehlen damit knapp 55 Megawatt Leistung – ungefähr so viel, wie im gesamten Januar ans Netz angeschlossen wurde.

Aufs Jahr hochgerechnet hieße das, dass der Bruttoausbau ungefähr um ein Viertel über den Zielwerten liegen muss, um diese Marke tatsächlich zu erreichen. Besonders bitter: Nur in einem einzigen Fall wurden dabei an der Stelle der abgeschalteten Anlagen neue errichtet, selbst hier jedoch wurde die Chance verpasst, den etablierten Standort für eine Erweiterung der Kapazitäten zu nutzen: Im Zuge dieses Repowerings entstanden am Standort Reußenkröge in Schleswig-Holstein anstatt der zuvor acht Anlagen mit einer Leistung von 16,1 Megawatt vier neue mit einer Leistung von 3,8 Megawatt.



In einem entsprechend gedimmten Licht müssen auch die Zubauzahlen der vergangenen beiden Wochen betrachtet werden. Die sind auf den ersten Blick zudem sehr widersprüchlich: Auf eine Woche der Rekorde bei Wind und Sonne folgt eine besonders schwache Periode, wie sie zuletzt Anfang des Jahres zu beobachten war.

Die Ursache dafür dürfte, wie schon Anfang des Jahres, im Quartalsende liegen. Kurz davor, in diesem Fall in der letzten Märzwoche, werden besonders viele Anlagen gemeldet. Direkt danach ist dann erstmal Ebbe. Dennoch bleibt der Zubau an Windkraft, auch über den Zeitraum von zwei Wochen gestreckt, beachtlich. Schließlich übertreffen die Megawattzahlen der letzten Märzwoche den Zubau ganzer Monate, etwa im Januar. Um den entstandenen Rückstand auf die selbst gesteckten Ziele aufzuholen, aber genügt auch das bei weitem nicht, wie auch Minister Habeck bei einer Präsentation der Ausbauzahlen im ersten Quartal sagte. Der Ausbau lag nicht nur unter den gesteckten Zielen, sondern auch unter den Werten des Vorjahres, „und das war schon ein erbärmlich schlechtes Jahr“, so Habeck.





Auch die Zahl neuer Solaranlagen übertraf Ende März die zuletzt schon stark gewachsenen Werte nochmal deutlich. Auch hier allerdings folgte darauf eine enttäuschende Woche, wenngleich diese nicht ganz so bitter ausfiel wie bei der Windkraft.

Abgesehen von einer Kleinstanlage für den Eigenverbrauch war dies tatsächlich die erste Woche im Jahr, in der kein einziges neues Windrad angemeldet wurde.



Der starke Ausbau der Solarenergie ging erneut vor allem auf das Konto von Bayern. Hier werden nicht nur sehr viele Solarzellen auf Hausdächern verschraubt, auch die Zahl großer Freianlagen ist hier besonders groß. Sie sind es vor allem, welche die statistischen Ausschläge erklären. Das gilt auch für das in der Boomwoche Ende März zweitplatzierte Bundesland Brandenburg, wo gerade rund um alte Braunkohletagebauten sehr viele neue Anlagen gebaut werden. Bei der Windkraft fällt vor allem ins Auge, dass nach langer Pause in Schleswig-Holstein und Thüringen wieder größere Anlagen ans Netz gehen. Zudem spielt auch in dieser Statistik erstmals seit langem der fast windkraftanlagenfreie Freistaat Bayern eine Rolle: Von den 53 Anlagen, die seit Jahresbeginn aus dem Betrieb genommen wurden, standen drei in Bayern.

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