Tracking der Energiewende #18 Auch in Ihrer Nachbarschaft könnte bald ein Windrad stehen

Der Bund schreibt den Ländern erstmals verbindliche Ausbauziele für die Windkraft vor. Könnte bald auch in ihrer Nachbarschaft ein Windrad stehen? Quelle: imago-images/Illustration: WirtschaftsWoche

Der Bund schreibt den Ländern erstmals verbindliche Ausbauziele für die Windkraft vor. Eine digitale Karte zeigt für jede einzelne Gemeinde im Land, wo die neuen Windräder stehen könnten.

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Seit vergangener Woche sind diese Zahlen Gesetz: 1,8 Prozent der Landesfläche Bayerns müssen bis 2045 mit Windrädern bebaut sein, in Hessen sollen es exakt zwei Prozent sein, in Sachsen-Anhalt 2,2.

Insgesamt sollen so zwei Prozent der gesamten Landesfläche zu Windrad-Zonen werden, was nach einem überschaubaren Anteil klingt – bis das Windrad dann exakt den einen vorgeschriebenen Kilometer vom eigenen Gartenzaun entfernt entsteht. Hörbar und sichtbar rotierend, des Nachts blinkend.

Die Konflikte, die dieser Ausbau im Land nach sich ziehen wird, sind absehbar. Seit Kurzem lässt sich sogar ziemlich genau prognostizieren, wo im Land diese wahrscheinlich auftreten werden: auf ein paar hundert Meter genau, für jede Gemeinde im Land. Möglich macht das ein digitales Tool, dass das Forschungsinstitut Agora Energiewende gemeinsam mit dem Reiner Lemoine Institut entwickelt hat. Dafür haben die Wissenschaftler ausgewiesene Potenzialflächen zusammengetragen und danach kategorisiert, wie weit sie von der nächsten Bebauung entfernt sind, ob sie sich in Wäldern oder Naturschutzgebieten befinden. Mit dem Tool lässt sich erkennen, welche dieser Flächen bebaut werden müssten, um ein bestimmtes Ausbauziel zu erreichen.


Befüllt man die Software nun mit den konkreten Ausbauzielen der einzelnen Länder und gibt zudem, wie politisch diskutiert, eine moderate Nutzung auch von Potenzialflächen im Wald an (wir haben zwanzig Prozent verwendet), so zeigt sich zunächst, wie stark die in den Ländern ausgewiesenen Potenzialflächen variieren. Angenommen wurde dabei, dass die Länder die Abstandsregelung von 1000 Metern zur nächsten Bebauung auch in Zukunft nicht aufweichen werden. So müsste Rheinland-Pfalz fast ein Drittel (30 Prozent) der benannten Windkraftflächen tatsächlich bebauen, um sein Flächenziel (2,2 Prozent) zu erreichen. In Sachsen-Anhalt müssten nur 13,5 Prozent der potenziell geeigneten Flächen bebaut werden. Auch in Niedersachsen wären nur 16 Prozent notwendig.

 Welche Unterschiede sich dadurch ergeben können, zeigt der Blick auf die Großräume der Städte Berlin und Münster.


In den an die Bundeshauptstadt Berlin grenzenden Landesteilen Brandenburgs sind einige Potenzialflächen verzeichnet, die meisten von ihnen hellblau, sie liegen also im Wald. Nur einige wenige sind dunkelblau gekennzeichnet, liegen also im offenen Feld.
Deutlich einfacher ist die Lage rund um Münster in Westfalen. Nur  wenige, vereinzelt über die Kreise Warendorf, Coesfeld und Steinfurt verteilte Flächen liegen im Wald, alle anderen auf dem offenen Feld.


Wie zu erwarten zeigt das Tool zudem, dass die Großstädte auch weiterhin windkraftfreies Terrain bleiben dürften. So würde etwa im gesamten Ruhrgebiet auch beim Erreichen der Ausbauziele kein einziges Windrad gebaut werden.


Etwas näher an die Stadt heranrücken könnten die Anlagen hingegen an die bayerische Hauptstadt München. Südlich der Stadt gibt es einige Potenzialflächen etwa im Perlacher Forst. Relativ zügig bebaut werden könnte auch ein Feld nordöstlich der Stadt nahe Ismaning.


All das dürfte aber kein Vergleich zu dem sein, was die Bewohner von Cottbus erwarten können. Hier weist die Agora-Software sogar im Stadtgebiet eine große Fläche auf dem Gebiet eines ehemaligen Tagebaus aus, die für das Erfüllen der Klimaziele mit Windrädern bebaut werden könnte. Zumindest am Rande der Halde, das zeigen die Entwicklungen im Rheinischen Revier, könnte durchaus in größeren Still passieren.


Am stärksten zeigen wird sich der anstehende Ausbau aber in einigen ländlichen Regionen, die besonders gut für Windkraft geeignet sind.

Beispielhaft aufgeführt sei hier die Gegend nördlich der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt, in der sich besonders viele Potenzialflächen befinden – die zudem gut erreichbar im offenen Feld liegen.


Doch so konkret und plausibel die Szenarien aus der Agora-Studie sein mögen: Ob die Anlagen am Ende tatsächlich an diesen Orten entstehen, darüber ist noch längst nicht entschieden. Absehbar ist nur eines: Um jeden einzelnen blauen Fleck dürfte intensiv gerungen werden.

Hier können Sie selbst nachschauen, wo in ihrer Nachbarschaft Windkrafträder gebaut werden müssten, um die Energiewende-Ziele der Bundesregierung zu erreichen. 


Lesen Sie auch: Das Tracking der Energiewende zeigt Deutschlands große Aufholjagd beim Ausbau der erneuerbaren Energien – aktueller Stand, Probleme und Ziele auf einen Blick.

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