Tracking der Energiewende #23 Von wegen Freiburg: Deutschlands Solarhauptstadt liegt in Sachsen

Deutschlands Solarhauptstadt: Chemnitz Quelle: imago images

Es ist ein Kernkonflikt der Energiewende: In den Städten wird der Strom verbraucht, für den anderswo die Landschaft ruiniert wird. Im Kern trifft das zu, doch ein Vergleich der Großstädte zeigt: Einige sorgen deutlich mehr für sich selbst als andere.

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Chemnitz also. Nicht die vermeintliche Öko-Hauptstadt Freiburg, nicht Münster, das Mekka der Fahrradfahrer und auch nicht München, wo Deutschlands selbsterklärte Solarchampions regieren. Nein, in der sächsischen Industriestadt Chemnitz wird im Verhältnis zur Bevölkerungszahl so viel Solarstrom produziert wie sonst nirgends in der Republik.

Das zeigt eine Auswertung von Daten der Bundesnetzagentur, die damit einer altbekannten Diskussion einen neuen Dreh verpasst. Seit Jahren nämlich schwelt im Zuge der Energiewende ein Streit zwischen Landbewohnern und Städtern. Die Dorfmenschen werfen dabei den Stadtmenschen vor, dass sie leicht Reden hätten mit ihrer Energiewende, schließlich würden sie all den Strom ja nur verbrauchen, für den vor ihren Haustüren nun hektarweise Solarfelder entstünden und Windräder weithin sichtbar die Landschaft verspargelten. Die Stadtbewohner mögen erwidern, dass ihre Lebensweise die einzig geeignete sei, um den stetigen Anstieg des Energieverbrauchs zu bremsen. Recht haben beide ein wenig, doch nun zeigt sich: die Bewohner einiger Städte können dabei ein deutlich reineres Gewissen haben als andere.

Zwar stimmt es, dass der Großteil der Erneuerbaren Energie auf dem Land erzeugt wird, dennoch spielen auch die Städte eine gewisse Rolle. Das gilt vor allem für die Fotovoltaik, die noch immer zu wesentlichen Teilen auf kleinen Dachanlagen betrieben wird. Vergleicht man nun, wie viel Solarleistung in den deutschen Städten installiert ist, dann zeigt der Vergleich aller 39 Großstädte mit mehr als 200.000 Einwohnern zunächst, wenig verwunderlich: Am meisten Solarenergie wird in Berlin erzeugt (157 Megawatt). Am wenigsten Energie wird in Kiel erzeugt (16 Megawatt), einer mit 246.000 Einwohnern eher kleinen Großstadt.


Für sich genommen ist jedoch auch die Aussagekraft dieser absoluten Zahlen gering, schließlich variieren die Einwohner – und damit auch Häuserdachzahlen – um ein Vielfaches. Wir haben die Daten der Bundesnetzagentur deshalb ins Verhältnis zur Einwohnerzahl gesetzt. Auch diese Betrachtung hat zwar ein paar Mängel, so bleibt dabei etwa unberücksichtigt, wie groß der Anteil großer Wohnanlagen im Vergleich zu Einfamilienhäusern in einer Stadt ist. Auch fällt so nicht ins Gewicht, wie groß die Fläche einer Stadt insgesamt ist, wie viel Platz für Freiflächenanlagen also jenseits der Hausdächer noch ist.

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Dennoch sind die Ergebnisse erstaunlich. An der Spitze des Rankings stehen nämlich ausnahmslos ostdeutsche Städte. Hinter Chemnitz mit einer Solarleistung von 0,293 Megawatt pro 1000 Einwohner folgen Erfurt und Halle. Auf Rang vier findet sich dann mit Münster (0,253) der erste halbwegs erwartbare Kandidat. Es folgt erneut eine ostdeutsche Stadt (Magdeburg), dann die Sonnenstadt Freiburg.

Generell zeigt sich, dass es vor allem kleinere Großstädte sind, die einen relevanten Teil ihres Energiebedarfs aus grünen Quellen selbst decken können. Die erste Metropole mit mehr als einer halben Million Einwohnern ist Leipzig auf Platz 16 (0,15 Megawatt). Auch Nürnberg und Dortmund schaffen es noch unter die besten 20 Städte.



Die Millionenstädte hingegen ballen sich am Schluss des Rankings, wobei Hamburg mit gerade einmal 0,036 Megawatt pro 1000 Einwohnern den letzten Platz belegt, knapp hinter Berlin (0,043). Am besten schneidet noch die kleinste Millionenstadt Köln ab, die immerhin Kiel, Düsseldorf und Frankfurt hinter sich lässt.

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