Tracking der Energiewende #27 Wo ein Wille ist, ist was im Weg

Quelle: imago images

Vom Ausbau der Windkraft hängt der Erfolg der Energiewende ab. Eine Auswertung der Planungsdaten zeigt: Wenn alles gebaut würde, was beantragt wird, wäre die grüne Energiewirtschaft bald Realität.

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An der mangelnden Bereitschaft also liegt es nicht: Seit Jahren schon weisen Experten darauf hin, dass viel zu wenige Solarkraftanlagen und vor allem Windräder gebaut werden, um die großen, grünen Ziele der wechselnden Regierungen zu erreichen. Seit dem Antritt der Ampelkoalition ist dieser Widerspruch, immerhin, Staatsraison. Seit Monaten schon wird darüber debattiert, was alles geschehen könnte, um diesen Mangel zu beheben. Und es wird angekündigt, was nun wirklich bald geschehen werde, damit es auch tatsächlich so kommt. Der Abbau von Bürokratie ist dabei ein häufiges Versprechen. Da wird dann verwiesen auf die langen Planungsprozesse hierzulande, die Tatsache, dass es von der Idee für die Errichtung eines Windrads bis zur Vollendung durchschnittlich sieben Jahre dauert.

Viele Projekte sterben unterwegs

So eindrücklich diese Zahl sein mag, sie beschreibt das Problem nur unvollständig. Wäre es allein eine Frage der Dauer, könnten wir immerhin davon ausgehen, dass die grüne Energiewirtschaft eines Tages genau so entsteht, wie es sich die Regierung vorstellt. Vielleicht ein paar Jahre später als bestellt, aber wer wollte sich darüber im Land von Stuttgart 21 und zweiter Münchner Stammstrecke ernsthaft beklagen?

Ein Blick in die Datenbanken der Bundesnetzagentur jedoch legt einen anderen Schluss nahe: Es dauert nicht nur sehr lange, bis eine beantragte Windkraftanlage gebaut werden darf. Viel zu oft erledigt sich das Projekt im Verlauf dieser Zeit ganz und gar. Etwa weil die Forderungen der Behörden ein Projekt unrentabel machen. Oder weil sich im Laufe der Zeit der Markt so verändert, dass Projektträger verschwinden oder ein einst lukrativ erscheinender Bau es längst nicht mehr ist.

Wie groß die Zahl solcher Schicksale ist, das lässt sich nicht bestimmen, auch weil viele Planungen sehr lange als solche erhalten bleiben, selbst wenn die Chance auf eine Realisierung kaum noch besteht. Aus der umgekehrten Betrachtung aber lässt sich erahnen, wie groß diese Lücke sein mag – und wie naheliegend die Anknüpfungspunkte also sind, an denen sich die Energiewende vorantreiben ließe.

In der Datenbank der Bundesnetzagentur nämlich wird nicht nur erfasst, wenn eine Windkraftanlage ans Netz geht. Direkt nach der Vorplanungsphase, also nach ungefähr einem Viertel der gesamten Bauzeit, werden viele Anlagen bereits als geplante Anlagen dort hinterlegt. Und der Blick auf die ersten zehn Monate des Jahres zeigt: Würde all das gebaut werden, was Projektentwickler bei der Bundesnetzagentur angeben – um die Energiewende müsste sich keiner mehr Sorgen machen.



Zweifel an der Wirkung der neuen Gesetze

Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt vier Gigawatt wurden dort seit Jahresbeginn als geplant hinterlegt. Deutlich mehr, als im gesamten Jahr laut Plan der Bundesregierung realisiert werden müssten (drei Gigawatt). Auch die Zielwerte fürs kommende Jahr (vier Gigawatt) liegen nicht wesentlich höher. Dabei legen die Daten zudem erste vorsichtige Zweifel an den diversen Beschleunigungsmaßnahmen der Ampelkoalition nahe. So sind sich die Projektträger im Land seit langem einig, dass die Regierung es mit ihrer Unterstützung für erneuerbare Energien ernst meint.

In zusätzlichen Planungen aber äußert sich dieser Glaube kaum. So schwankt die Leistung der neu geplanten Anlagen im Zeitverlauf meist zwischen 100 und 500 Megawatt, zwei Ausreißer nach oben (im Juni und August) sind mit großen Offshore-Projekten zu erklären, die in dieser Zeit registriert wurden.



Auch die regionale Verteilung der geplanten Anlagen verharrt weitestgehend im Vorkrisenmodus. Besonders viele Anlagen werden in den Windkraftländern Niedersachsen (700 Megawatt), Schleswig-Holstein (430) und Brandenburg (340) geplant. Von den übrigen Ländern stechen lediglich Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hervor, wo mit 740 Megawatt sogar mehr neue Windräder geplant wurden als in allen anderen Ländern. In Baden-Württemberg, das bei der Zahl neu errichteter Anlagen gemeinsam mit Bayern und Sachsen bisher die Nachhut bildete, wurden immerhin 177 Megawatt neu geplante Leistung angemeldet.

Die anderen beiden Sorgenkinder der Windenergiewirtschaft hingegen bleiben ihrer Rolle treu: Nur 28 Megawatt Windenergie wurde in Bayern auf den Weg gebracht, nur 31 Megawatt in Sachsen, was jeweils rund fünf modernen Windrädern entspricht.

Lesen Sie auch: Das Tracking der Energiewende zeigt Deutschlands große Aufholjagd beim Ausbau der erneuerbaren Energien – aktueller Stand, Probleme und Ziele auf einen Blick.

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