Wenn Ernesto Garnier über die aktuelle politische Lage spricht, sein Geschäft oder den Markt für erneuerbare Energien, dann beginnt er seine Ausführungen gerne mit einer kleinen Vorrede. „Ich will mich ja nicht beschweren“, beginnt Garnier dann – und macht weiter mit einem ausführlichen „Aber“.
Tatsächlich lesen sich die Aussichten für einen Unternehmer wie Garnier auf dem Papier außerordentlich gut. Mit seiner Firma „Einhundert Energie“ gehört Garnier zu den wenigen deutschen Unternehmen beim Ausbau der Solarenergie auf Mehrfamilienhäusern, dem sogenannten Mieterstrom. Und so überschaubar die Konkurrenzsituation noch ist, so groß ist der Markt selbst. Um die Ausbauziele der erneuerbaren Energien bis 2030 zu schaffen, muss sich die Zahl der Solaranlagen vervielfachen. Hinzu kommt: Während das Potenzial auf Einfamilienhäusern schon gut genutzt wird, sind Solarkollektoren auf den 3,3 Millionen Mehrfamilienhäusern in Deutschland noch die Ausnahme.
Und so hat Garnier auch ein paar schöne Zahlen parat. Ende dieses Jahres werden es insgesamt mindestens 1000 Häuser sein, die sein in Köln ansässiges Unternehmen mit Mieterstromanlagen ausgerüstet hat, in der konkreten Planung befinden sich weitere 2500 Gebäude. Aber Garnier sagt eben auch: „So komplex, wie Beantragung und der Betrieb von Mieterstromanlagen sind, lohnt sich das nur für größere Immobiliengesellschaften mit mindestens 50 oder 60 Gebäuden.“ Und so stellt Garnier fest: „Obwohl die Regulierung in den vergangenen Jahren deutliche Anreize für Mieterstrom geschaffen hat, steigt die Zahl der monatlich neu installierten Anlagen kaum.“
Zentrale Kennziffer des Erfolgs
Das ist nicht nur für den Unternehmer Garnier eine bittere Nachricht. Sondern auch für die politischen Entscheidungsträger, allen voran Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Haben sie doch den Ausbau der erneuerbaren Energien zur zentralen Kennziffer ihrer Arbeit erkoren – und setzen dabei auch auf den Mieterstrom. Um den Ausbau solcher Anlagen zu beschleunigen, werden an Betreiber von Solaranlagen auf Mehrfamilienhäuser eigene Zuschläge ausgezahlt. Doch die, berichtet Unternehmer Garnier, würden von vielen Betreibern „gar nicht in Anspruch genommen, weil die Förderbedingungen so unattraktiv sind“. Das dokumentiert ein Blick ins Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur: Im vergangenen Jahr wurden dort 23.934 Solaranlagen für die Zulage angemeldet – knapp 2400 weniger als im Vorjahr. Auch in den ersten vier Monaten des aktuellen Jahres waren es erst rund 9000, eine echte Besserung ist also nicht in Sicht.
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Um die staatliche Zulage zu bekommen, müssen die Anbieter – also die Vermieter – ihren Strom mindestens zehn Prozent unter dem lokalen Strompreis an die Mieter verkaufen. „Viele Stromanbieter haben die Preisanstiege nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs erst mit großer Verzögerung an die Kunden weitergegeben“, erläutert Garnier, „da war es für Mieterstromanbieter, die ja beim Markteintritt neu kalkulieren müssen, unmöglich, diese Preisgrenze zu garantieren.“ Wer dennoch Mieterstrom installierte, verzichtete daher oft sogar auf die Förderung.
„Keine plausible Erklärung“
Daneben gibt es weitere Regelungen, die den Ausbau von Mieterstrom sogar bremsen. So bekommen Solarstromerzeuger, die nur Teile ihres Stroms ans Netz weitergeben, nach wie vor einen niedrigeren Preis für die erneuerbare Energie als Volleinspeiser. Andere Mehrparteienhäuser scheiden gleich ganz aus der Förderung aus, weil sie einen zu hohen Anteil an Gewerbeflächen aufweisen. Der nämlich ist derzeit gesetzlich auf 60 Prozent begrenzt. „Für all diese Regelungen gibt es keine wirklich plausible Begründung, sie hemmen den Markthochlauf aber massiv“, moniert Garnier.
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Immerhin, ein besonders großes Hindernis wurde jüngst im Gesetz zu Smart Metern (Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende) ausgeräumt: Bisher konnten die Netzbetreiber Vermieter dazu verpflichten, mit einer Solaranlage auch physische Summenzähler zu installieren, die exakt protokollieren, welcher Haushalt wie viel Strom aus der Anlage bezieht. „Und fast alle Betreiber haben das auch eingefordert“, berichtet Garnier. Allein die Installation dieses Zählers aber kostet oft rund 10.000 Euro. Nun können stattdessen virtuelle Zähler verwendet werden, die nur einen Bruchteil kosten.
Und doch hat Garnier noch ein letztes, besonders großes „Aber“ parat – an dem auch Wirtschaftsminister Habeck nichts ändern kann. Angesichts der aktuellen Finanzierungskrise am Immobilienmarkt würden derzeit reihenweise Modernisierungsprojekte gestrichen. Auch wenn sich Mieterstromprojekte meist unabhängig finanzieren lassen, fallen sie der allgemeinen Schockstarre am Markt oft mit zum Opfer. „Wenn sich an der Finanzierungslage für die Immobiliengesellschaften nichts ändert, wird auch die Zahl der Mieterstromprojekte nicht ausreichend schnell wachsen“, sagt Garnier.
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