
Angesichts der Schiefergas-Revolution in den USA hat BP-Chefvolkswirt Christof Rühl dafür plädiert, auch in Europa die Möglichkeit der Gas- und Ölförderung mit der umstrittenen Fracking-Methode zu testen. Dabei müssten allerdings die verwendeten Chemikalien transparent gemacht und weltweit von den Behörden genehmigt werden, sagte Rühl am Montag in Düsseldorf bei der Präsentation des Energiemarktberichts des britischen Rohstoffriesen BP.
„Das würde Europa nicht schlecht anstehen. Man sollte den Zugriff öffnen, aber mit einer vernünftigen Regulierung“, forderte der Experte. Bei der Fracking-Technologie wird Gestein in 1000 bis 5000 Metern Tiefe unter Einsatz eines Gemisches aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck aufgebrochen, um darin eingeschlossenes Öl und Gas zu fördern. Welche Chemikalien sie im Einzelnen einsetzen, teilen die Konzerne bisher meist nicht mit. In den USA führte das Verfahren zu einem Boom billiger Energie und starken Wirtschaftsimpulsen.
Unkonventionelle Gasvorkommen
Schiefergas lagert in dichten Tonsteinschichten, in denen es sich auch gebildet hat. In Norddeutschland liegen diese in Tiefen von etwa 1000-25000 Metern. Schiefergas wird in Deutschland bisher nicht gefördert. Um es zu fördern, bedarf es der Hydraulic Fracturing Methode - also Fracking.
Kohleflözgas bezeichnet Erdgas, das in den Kohleschichten entstanden und enthalten ist. Diese Vorkommen befinden sich hierzulande in den Tiefen ab etwa 1000 Metern. Aus internationaler Erfahrung lässt sich eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent ableiten, bei der Gewinnung von Kohlflözgas auf Fracking verzichten zu können.
Tight Gas befindet sich in besonders dichten Sand- oder Kalksteinschichten in Tiefen unterhalb von 3500 Metern. Die Gesteinsschichten zeichnen sich durch eine extrem verringerte Durchlässigkeit aus. Anders als bei Schiefer- oder Kohlflözgas befindet sich das Erdgas hier in Speichergesteinen, und nicht dort, wo das Gas entstanden ist. Tight Gas wird in Niedersachsen seit den 1990er Jahren gefördert, besitzt mit rund drei Prozent aber nur einen geringen Anteil am Gesamtfördervolumen. Tight Gas lässt sich nur durch Fracking fördern. Aufgrund der vielen Erfahrungen der Fachleute, wird Tight Gas heute kaum noch als "unkonventionell" bezeichnet.
In Deutschland soll es noch vor der Sommerpause gesetzliche Regelungen für die umstrittene Technik geben, wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) angekündigt hatte. Geplant sind Auflagen wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ein Verbot in Wasserschutzgebieten. Damit wären etwa 14 Prozent der Fläche in Deutschland ausgeschlossen.
Grünen und Umweltschützern reicht das aber bei weitem nicht aus. Sie fordern wegen möglicher Risiken für das Trinkwasser ein völliges Fracking-Verbot. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte sich sogar festgelegt, dass die Technik in ihrem Bundesland nicht eingeführt werde, solange sie Landeschefin ist. Auch in Deutschland werden etwa in Schiefergestein nennenswerte Vorkommen des sogenannten unkonventionellen Erdgases vermutet.
Der renommierte BP-Jahresbericht bescheinigt den USA, mit ihrem starken Ausbau der Förderung auch dank Fracking erheblich zum stabilen Ölpreis der vergangenen Jahre trotz Förderunterbrechungen etwa in Libyen beigetragen zu haben. US-Präsident Barack Obama hatte den EU-Staaten im April empfohlen, „zusätzliche Wege zu finden, wie sie ihre Energieunabhängigkeit ausbauen und beschleunigen“ könnten.
Der Umgang mit dem Fracking-Verfahren ist in Deutschland umstritten. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sieht aber keine Hindernisse, wie ihr Präsident Hans-Joachim Kümpel vor kurzem sagte.