Urbanisierung Die größte Völkerwanderung der Geschichte

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Neue Lösungen müssen her

Schon heute leben rund 10 Millionen Menschen in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Bis zum Jahr 2020 soll die Zahl der Einwohner laut Prognose auf 20 Millionen ansteigen. Quelle: REUTERS

Für den Spanier Joan Clos, oberster Siedlungsplaner der UN, ist angesichts dieser Dimensionen klar: „Die Landflucht ist die politisch und ökonomisch folgenreichste Entwicklung der Gegenwart.“

Mit den alten Konzepten von Stadtplanung und -politik, so viel steht fest, lässt sich der Ansturm nicht beherrschen. Neue Lösungen müssen her. Nicht nur Ökocitys, auch abgasarme Verkehrs- und Energiesysteme oder Möglichkeiten der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln.

Motor des Wohlstands

Doch so unübersichtlich die Herausforderungen auf der einen Seite sind, so groß sind die Chancen: Gelingt es den Stadtplanern, diese größte Völkerwanderung der Geschichte sozial- und umweltverträglich aufzufangen, wird der Wandel zum Motor eines neuen kulturellen und ökonomischen Booms. Missglückt dagegen der Zeitenwechsel, drohen die Städte in Müll, Verkehr und Armut zu versinken. Am Ende könnten sich Frust und Perspektivlosigkeit in einer nie da gewesenen Explosion der Gewalt entladen.

Der Frankfurter Stararchitekt Albert Speer schreibt der Stadtentwicklung daher eine Schlüsselrolle zu beim schonenden Umgang mit Natur, Ressourcen und Klima. Sein Urteil: „Die Welt hat nur Bestand, wenn die Städte nachhaltig werden.“

Urbane Zentren sorgen für Wohlstand

Der größte Fehler in der Vergangenheit war es, die Zuwanderer wie ungebetene Eindringlinge zu behandeln und sie in Gettos an den Stadträndern abzudrängen, ohne Zugang zum öffentlichen Nahverkehr, Wasser und Strom. Der Harvard-Ökonom Edward Glaeser rät, das Produktivkapital der Neuankömmlinge gezielt zu nutzen. „Ohne urbane Zentren“, mahnt er, „gäbe es keinen Wohlstand“.

US-Großstädter sind Glaesers Berechnungen zufolge im Durchschnitt 50 Prozent produktiver als Landbewohner. Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigen die enorme Wirtschaftskraft der Metropolen: Hauptstädte wie Mexiko City und São Paulo steuern rund die Hälfte zum Nationaleinkommen ihrer Länder bei.

Die Städte sind jedoch nicht nur reicher als der Landesdurchschnitt. Auch in Sachen Ökobilanz schneiden sie nach Berechnungen der London School of Economics besser ab – zumindest in den entwickelten Industrieländern: Jeder New Yorker etwa belastet das Klima rechnerisch mit etwas mehr als zehn Tonnen Kohlendioxid (CO2); der Durchschnittsamerikaner dagegen mit fast 25 Tonnen. Hauptgrund ist, dass Städte wegen der hohen Bevölkerungsdichte effizienter mit Energie und Ressourcen zu versorgen sind.

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