Vereinbarung beim COP26 Kampf dem Klimagas Methan: Diese Technologien sollen die Waffen sein

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High-Tech für Kuhmägen 

Bis 2023 will GHGSat seine Flotte von drei auf zehn Satelliten erweitern, um in noch dichterem Takt Daten des gesamten weltweiten Energiesektors zu sammeln. Mit einer Auflösung von 25 Metern können die Satelliten ziemlich genau orten, wo ein größeres Problem entsteht. Betreiber von Gasanlagen können mit solchen Daten künftig gezielt ihren Methanschlupf bekämpfen, indem sie etwa undichte Ventile reparieren. Auch für landgestützte Methan-Messungen hat neuerdings eine ganze Armada an Start-ups Ideen parat. Etwa die US-Gründung Kuva Systems, in das unter anderem der Lübecker Sicherheitstechniker Drägerwerk investiert hat. 

Kuva hat Kameras entwickelt, die beispielsweise in Raffinerien fest installiert werden – und Methanlecks etwa an Ventilen entdecken. Eine Software erstellt automatisch ein Video, in dem die Methanwolke in Form bunter Pixel angezeigt wird. Ähnliche Dienste bietet das texanische Start-up SeekOps mit Hilfe von Drohnen, die halbautomatisch über Gasanlagen hinwegfliegen und Daten sammeln, oder der Konkurrent Bridger Photonics, der dazu eine spezielle Laser-Messtechnik entwickelt hat.

Eine ganz andere Art von Methanquellen wollen die Gründer des britisch-schweizerischen Unternehmens Mootral stopfen: die Mägen von Kühen. Die Wiederkäufer atmen weltweit gigantische Mengen des Klimagases aus – 32 Prozent der weltweiten Methanemissionen gehen aufs Konto von Nutztieren.

Das Spezialfutter von Mootral soll das Methan bei Kühen und anderen Nutztieren reduzieren. Quelle: PR

Mootral will nun einen Weg gefunden haben, das Problem anzugehen. „Wir haben ein marktreifes Produkt, das Methan bei Kühen und anderen Nutztieren reduziert“, sagt Eileen Rüter, Direktorin für die Geschäftsentwicklung bei Mootral. Kern der Lösung ist Spezialzusatzfutter, hergestellt unter anderem mit Knoblauch und Zitrusextrakten. Es soll in das Kuhmägen die Aktivität spezieller Mikroben stoppen, so genannter Archaen, die für die Methanproduktion verantwortlich sind. Studien zufolge sollen die Futterpellets den Ausstoß von Kühen so um 30 Prozent senken.

Ein Pilot-Bauernhof liefert schon Milch von Kühen aus, die das Mootral-Futter fressen. Ähnliche Pläne haben die Gründer von Volta Seafeed in Schweden, die die Magen-Mikroben mit einem Futterzusatz aus Seetang bremsen wollen, und Blue Ocean Barns aus den USA, die dazu auf bestimmte Meeresalgen setzen. 

Wie effektiv diese Ansätze im Alltag sind, muss sich noch zeigen. Mootral will Ergebnisse weiterer Studien veröffentlichen. „Bis Anfang nächsten Jahres wollen wir weitere 5000 Kühe in unser Flagship-Projekt aufnehmen“, sagt Rüter.  

Es gebe verschiedene Möglichkeiten, wer künftig die Mehrkosten für das klimafreundliche Zusatzfutter trage. Milchhändler könnten ein wenig mehr für die Milch zahlen. Bauern könnten auch Zertifikate für das eingesparte Klimagas an andere Unternehmen verkaufen.    

Langfristig könnte sich ein radikalerer Weg als notwendig erweisen: Kühe komplett zu umgehen – und Milch, Fleisch und Leder mit neuartiger Biotechnologie im Reaktor zu erzeugen. Dutzende Start-ups arbeiten an den nötigen Technologien.

Das Problem mit dem Müll

Und dann müssen die Staaten des Global Methan Pledge noch zwei weitere wichtige Methanquellen bekämpfen: Zum einen Kohleminen, die zwölf Prozent der Methanemissionen verursachen. Ausgedienten Minen, fordern die UNEP-Wissenschaftler, sollten geflutet werden, um sie zu versiegeln.

Weitere 20 Prozent des Methans entstehen in Mülldeponien und im Abwasser. Teilweise lässt sich das Gas verhindern, etwa, indem keine organischen Abfälle wie Lebensmittelreste mehr deponiert werden, die besonders viel Methan erzeugen. 

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Eine Reihe von Gründern hat darüber hinaus ganz neue Ideen, Deponiegas zu verhindern der es zumindest weiter zu nutzen: Manche erzeugen daraus mit neuen Methoden Wasserstoff.  Carbon Masters im indischen Bangalore wiederum produziert aus Abfall Methangas, das, abgefüllt in Flaschen, etwa in Restaurants zum Kochen verwendet werden kann. Sierra Energy aus Kalifornien zersetzt Müll mit Sauerstoff und Hitze von 2200 Grad Celsius in seine Moleküle und produziert damit Diesel oder Gas für die Stromerzeugung. Enerkem aus Kanada stellt daraus Chemikalien für die Industrie her.       

Viele Konzepte sind noch neu, viele Start-ups müssen sich noch bewähren. Aber je mehr Ideen es gibt, den Kampf gegen Methan in ein Geschäft zu verwandeln, desto eher kann er gelingen.

Mehr zum Thema: Atomkraft soll in der EU künftig als nachhaltig gelten – ein Verdienst von gut vernetzten Ingenieuren in Frankreichs Staatsapparat. Berlin ist über diesen Lobbyerfolg gar nicht glücklich.

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