Turmhohe Ölplattformen im Meer, an Land Raffinerien, so ausgedehnt wie Kleinstädte: Wer im Osten Mexikos unterwegs ist, sieht schnell, womit das Land einen Großteil seines Geldes macht: Der Förderung von Öl und Gas. 40 Prozent der Staatseinnahmen gehen darauf zurück. Gemessen daran gehen die Ölförderer am Golf von Mexiko ziemlich schlampig mit den wertvollen Rohstoffen um, wie sich jetzt herausstellt: 4,7 Prozent des Gases, das das Land aus der Erde holt, lässt es ungenutzt in die Atmosphäre entweichen. 200 Millionen Dollar verflüchtigen sich damit jedes Jahr in die Luft.
Die Daten, die die US-Nichtregierungsorganisation Environmental Defense Fund kürzlich in einer Studie vorgelegt ist, machen nicht nur ökonomische Verschwendung sichtbar – sondern auch ein massives ökologisches Problem. Denn das Gas, das bei der Förderung in Mexiko verloren geht, verursacht allein so viel Erderwärmung wie ein Drittel der Autos im Land.
Und nicht nur in Mexiko, weltweit nehmen die Methanemissionen stetig zu, sogar im Coronajahr 2020. Klimaforscher sind alarmiert. Denn das unsichtbare Gas wurde bisher wenig in Klimaschutzprogramme eingebunden. Dabei ist es ein besonders wirksamer Verursacher des Treibhauseffekts, bei dem die Atmosphäre Sonnenwärme auf der Erde hält: Es wirkt 84 mal stärker als Kohlendioxid (CO2). 30 Prozent des menschengemachten Klimawandels seit vorindustrieller Zeit gehen auf Methan zurück.
Immerhin gibt es nun Grund zur Hoffnung: Diese Woche verkündeten mehr als 100 Staaten beim Klimagipfel COP26 in Glasgow ein Bündnis, das den weltweiten Methanemissionen den Kampf angesagt hat. In der Global Methan Pledge, der auch Mexiko beigetreten ist, verpflichten sie sich dazu, ihren Methanausstoß vom Jahr 2020 auf 2030 um 30 Prozent zu senken. Allein damit soll die Erderwärmung um 0,2 Grad Celsius bis zum Jahr 2050 verringert werden. Die Allianz gilt als der erste große Erfolg des Klimagipfels in Glasgow. „Die Reduzierung von Methan ist der stärkste Hebel, den wir haben, um den Klimawandel in den nächsten 25 Jahren zu verlangsamen“, konstatierte Inger Andersen, Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP).
Denn anders als Kohlendioxid (CO2), das mehr als 100 Jahre in der Atmosphäre bleibt, zersetzt sich Methan schon nach einem Dutzend Jahren. Spart man heute Methan ein, kann es in den 2030ern schon keinen Schaden mehr anrichten. Das hätte auch gesundheitlichen und wirtschaftlichen Nutzen: Methan ist Schlüsselbestandteil von bodennahem Ozon, einem gefährlichen Luftschadstoff. Würde die Menschheit 45 Prozent des Methanausstoßes bis 2030 kappen, könnte das laut UNEP jährlich 255.000 vorzeitige Todesfälle, 775.000 Krankenhausbesuche wegen Asthma und 25 Millionen Tonnen an Ernteausfällen in der Landwirtschaft vermeiden.
Die gute Nachricht: Das 30-Prozent-Reduktionsziel, das nun beschlossen wurde, lässt sich laut UNEP mit heute verfügbaren Mitteln relativ leicht erreichen. Ein Teil der Maßnahmen würde sogar nicht mal Kosten verursachen – sondern Geld sparen. Das gilt vor allem für den Öl- und Gassektor, der für ein knappes Viertel der weltweiten Methanemissionen verantwortlich ist. Grund dafür sind unter anderem Lecks, etwa an Pipelines oder Ölförderanlagen. Bisher haben sich Rohstoffunternehmen nur wenig darum gekümmert, sie zu flicken. Und vielerorts fehlten überhaupt die Mittel, sie aufzuspüren.
Doch nun gehen neue Technologien dem Methanschlupf, wie Experten die Leckagen nennen, mit bisher ungekannter Präzision auf den Grund. Eine ganze Reihe von Start-ups hat Technologien entwickelt, mit denen sich Lecks sofort entdecken lassen sollen, wenn sie entstehen.
Und das sogar aus dem Weltall: Das kanadische Unternehmen GHGSat hat Satelliten in den Erdorbit geschickt, die mit speziellen Sensoren Gase und ihre Konzentration aufspüren und vermessen, und zwar anhand der Art des Lichts, das sie reflektieren. Dem Team von GHGSat ging so etwa eines der weltweit größten bisher gemessenen Methanlecks an einer Kompressorstation in Turkmenistan ins Netz, das bisher niemand aufgespürt hatte.