
Herr Kohler, nach Ihrem Konzept von der vertikalen Stadt würde sich das Leben der Bewohner zwischen Himmel und Erde abspielen. Was hat Sie auf die Idee gebracht?
Überall auf der Welt ziehen die Metropolen die Menschen an. Wir leben im Zeitalter der Urbanisierung und müssen dafür neue städtebauliche und architektonische Antworten finden. Die Lösung kann nicht sein, einen kaum noch lebenswerten Siedlungsbrei um Metropolen zu schaffen. Auch eine weitere Verdichtung der Bebauung mit isolierten Gebäuden führt nicht ans Ziel.





Also wollen Sie gleich ganze Viertel in die Höhe verlegen?
Das ist der Grundgedanke. Es entsteht eine neue Idee von dreidimensionaler Urbanität, die neue private wie öffentliche Lebensräume schafft.
Welche Vorteile brächte das?
Es würde sich zum Beispiel der Landverbrauch drastisch reduzieren. Wir haben ausgerechnet, dass in unserer vertikalen Stadt 30.000 Menschen auf einem Hundertstel der Fläche leben können, die bei einer typischen ebenen Bebauung in einer mittelgroßen europäischen Kleinstadt benötigt würde.

Aber wie soll das funktionieren, Städte in die Höhe zu schichten?
Wir haben dafür ein System nutzungsoffener Module entwickelt. Sie können ein- bis dreigeschossig genutzt werden und zum Beispiel Wohnungen, Büros, Arztpraxen, Kindergarten oder einen Supermarkt aufnehmen. Ihr Inneres ist vollständig flexibel gestaltbar, kann also immer wieder an neue Anwendungen angepasst werden. Das macht das System sehr nachhaltig.
Und wie wird daraus eine Stadt?
Autonom agierende Flugroboter stapeln die Module in bestimmter Anordnung übereinander. Im Modellmaßstab funktioniert das schon. Ob auch im realen Maßstab bis zu einer Höhe von 600 Metern, muss sich zeigen. Im Inneren der Struktur sind mehrere durchgängige öffentliche Doppelebenen mit Parks, Einkaufszonen und Cafés vorgesehen. Sie sind über Lifte und Rolltreppen miteinander verbunden. Wer vor die Haustür tritt, kann den Hund ausführen, zum Friseur gehen oder ein paar Runden joggen. Alles ist fußläufig erreichbar, die gegenüberliegende Seite in sieben Minuten. Ich bewege mich in der vertikalen Stadt durch den Lebensraum von 30.000 Menschen, das schafft enorm viel Begegnung und urbane Identität.
Dürfen auch Nichtbewohner hinein?
Unbedingt. Der Stadtkomplex soll ja integraler Bestandteil der Umgebung sein. Daher ist die vertikale Stadt im Bodenbereich komplett offen und von einer Parklandschaft durchzogen.
Wie wollen Sie die Versorgung regeln?
Da streben wir eine möglichst hohe Autarkie an. Mit Energie etwa kann sich das Ensemble weitgehend selbst eindecken. Das zeigen Berechnungen von Kollegen.