Waldwirtschaft Der Wunderbaum aus Thüringen

Eine Lösung, um die Buche als Konstruktionsholz nutzbar zu machen fand ein Thüringer Unternehmen an völlig unerwarteter Stelle: Im Flugzeugbau der 1920er und 1930er Jahre. Quelle: Pollmeier Massivholz

Der Wald steckt im Klima-Dilemma: Um für die Erwärmung fit zu sein, braucht es mehr Laubbäume. Damit aber kommt die Forstwirtschaft nicht klar. Ein Sägewerk aus Thüringen verspricht nun die Lösung: Ein Bauholz aus Buche, zu einem mit Fichte vergleichbaren Preis. Kann das sein?

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Die rund 300 Fachleute aus Verbänden, Politik, Wirtschaft und Forschung, die sich jüngst bei Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) in Berlin zum Nationalen Waldgipfel trafen, einte eine Erkenntnis und ein entscheidendes Problem. Die Erkenntnis, dass die bisher stark auf die Produktion von Nadelhölzern ausgerichteten Wälder in ihrer heutigen Form nicht zukunftsfähig sind. Und das Problem, dass es für eine sinnvolle ökonomische Nutzung anderer Waldformen bisher an wirtschaftlich tragfähigen Konzepten fehlt.

Dabei ist es unbestritten: Wenn die deutschen Forste zukunftsfähig werden sollen, robuster gegen Hitzeperioden und resistenter gegen die Folgen des Klimawandels, dann steht dem deutschen Wald ein grundlegender ökologischer Umbau bevor. An die Stelle der bisherigen großen Monokulturen aus Fichten oder Kiefern wird in Zukunft immer öfter ein Mix aus Laub- und Nadelhölzern treten.

Die Vision des robusten deutschen Zukunftswaldes hat nur einen massiven Schönheitsfehler: Sie kollidiert mit den Bedürfnissen großer Teile der holzverarbeitenden Industrie. Die nämlich setzt überwiegend auf schnell wachsende Nadelhölzer. So sehr die Ökologen also in diesen Tagen die Frage umtreibt, wie sich die Wälder biologisch für die Zukunft fit machen lassen, so sehr beschäftigt die Ökonomen, wie sich die Holzwirtschaft auf den absehbaren Wandel beim Rohstoff einstellen kann. Wie lässt sich all das künftig heranwachsende Laubholz vermarkten, wenn doch der Markt vor allem nach Nadelhölzern verlangt?

Die Antwort, glaubt Ralf Pollmeier, gibt es längst. Der 57-jährige ist Chef und Gründer des gleichnamigen Sägewerksunternehmens mit Hauptsitz im thüringischen Städtchen Creuzburg nahe Eisenach. Seit der Gründung vor rund 30 Jahren hat er die Firma zu einem der größten auf Buchenholz spezialisierten Betriebe weltweit gemacht. „Pollmeier-Buche“ – das ist in der Branche ein feststehender Begriff.

„Die Fichte wächst direkt ins Sägewerk.“

Rund zehn Jahre ist es her, da begann der Unternehmer, neue Einsatz- und Vertriebsmöglichkeiten für seine Hölzer zu suchen. Bis dato hatte er aus den Buchen vorwiegend Schnittholz produziert, waren Pollmeiers Buchenbretter vor allem Grundlage für Innenausbauten, für den Spielzeugbau, für Treppen oder hochwertige Möbel. Was den Unternehmer umtrieb: In Deutschlands Wäldern wachsen seit Jahren weit mehr verwertbare Buchen, als es Abnehmer für das Holz gab. „Seit rund 30 Jahren ist die Buche in Deutschland unternutzt‘“, sagt Jan Hassan, Bauingenieur und Marketingmanager in Pollmeiers Diensten. „Obwohl viel mehr Holz verfügbar wäre, werden nur rund zwei Drittel der Holzmenge geschlagen, die jährlich hinzuwächst.“

Ob Fertighaus oder Dachstuhl, günstiger Möbelbau oder Konstruktionsholz – bisher sind Fichte oder Kiefer, die zusammen rund die Hälfte der deutschen Waldflächen ausmachen, als sogenanntes „Konstruktionsholz“ in der industriellen Holzverarbeitung erste Wahl. Denn Nadelhölzer wachsen nicht nur vergleichsweise schnell. Sie wachsen auch, wie es in der Branche heißt, „direkt ins Sägewerk hinein“. Speziell die beliebten Fichtenstämme sind zumeist so gerade und haben so wenig Verästelungen, dass sich das Holz auf den Sägemaschinen ohne großen Aufwand und Verschnitt perfekt verarbeiten lässt.

Vorbild aus dem historischen Flugzeugbau

Die knorrigen Buchen dagegen wachsen langsamer. Und sie recken sich vielfach krumm und stark verzweigt dem Licht entgegen und sind aufwendiger in der Verarbeitung als die geraden Fichten. Wo die großen Äste ansetzen, sind sie nicht so stabil, wie die Nadelhölzer mit ihren kleineren Zweigen. Buchenbretter zu trocknen, dauert zudem mit zehn Tagen rund fünfmal so lang wie bei Brettern aus Fichte.

Eine Lösung, um auch die Buche als Konstruktionsholz nutzbar zu machen, fand Pollmeier dann an völlig unerwarteter Stelle: Im Flugzeugbau der 1920er und 1930er Jahre. Damals bauten die Flugzeughersteller ihre Maschinen zumeist aus einem metallbeplankten Holzrahmen. Um diesen stabil und gleichzeitig leicht konstruieren zu können, setzten sie auf besonders verarbeitetes Buchenholz: sogenanntes Furnierschichtholz. Die aus mehreren millimeterdünnen Lagen verleimten Träger waren nicht nur um ein Vielfaches robuster als normale Laub- oder Nadelhölzer. Sie ließen sich zudem, bei gleicher Belastbarkeit, deutlich schlanker und mit weniger Gewicht bauen.

Allerdings waren die Furnierhölzer wegen der aufwendigen, manuellen Herstellung für den Einsatz außerhalb der Fliegerei viel zu teuer. Und als der Einsatz von Leichtmetallen Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Flugzeugbau revolutionierte, gerieten auch die Spezialhölzer aus Buche in Vergessenheit. Bis Pollmeier beschloss, Furnierschichtholz aus Buche industriell herzustellen – und in den Archiven der Holzforscher auf die sechzig bis achtzig Jahre alte Studien der Flugzeugkonstrukteure stieß.

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