Weinanbau Wie der Klimawandel den Wein verändert

Die veränderten klimatischen Bedingungen verändern den Wein, belegen Forscher. Mit der Züchtung neuer Rebsorten steuern Önologen dagegen. Gentechnik soll in Deutschland dabei aber keine Rolle spielen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Zehn überraschende Fakten über Wein
Sonnenkollektoren und WeineAuf den ersten Blick haben Sonnenkollektoren und Wein nur eines gemeinsam: Sie benötigen Sonne. Im Zuge eines Handelsstreits zwischen Europa und China sind beide aber nun noch enger miteinander verbandelt. Die Ankündigung der EU, Strafzölle auf Sonnenkollektoren zu verhängen, beantworteten die Chinesen mit der Ankündigung von Strafzöllen für Europäischen Wein. Ein herber Schlag wäre das für europäische Winzer, denn der Anteil chinesischer Kundschaft steigt kräftig, vor allem der für die teuren Roten. Beides ist passé – keine Zölle. Weder für Kollektoren noch für Wein. Quelle: dpa
Champagner-SchutzDer Münchener Michael Nieder steht als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz nicht auf Anhieb im Verdacht, sich in der Kanzlei Klakla viel mit Champagner während der Arbeit zu beschäftigen. Tatsächlich aber verlieh ihm als zweiten Deutschen die Corporation des Vignerons e Champagne Saint-Vincent die goldene Ehrenmedaille. Verdient hat er sich diese Auszeichnung in 400 Rechtsfällen in den vergangenen 32 Jahren, in den Niedel das Markenrecht in Deutschland des Begriffs „Champagner“ schützte. Verhindert hat Niedel – ganz im Sinne der Franzosen – dass Produkte von Pflegemitteln bis zu Duftstoffen mit dem Zusatz „Champagner“ versehen werden. Quelle: Presse
Wein im BeutelSauerstoff ist der größte Feind des Weines, sobald er in der Flasche ist. Was dem Eisen der Rost, sind dem Wein die Noten, die er bekommt, wenn er oxidiert. Ein wenig Oxidation ist gewollt, beim jahre- gar jahrzehntelangen Reifen in der Flasche oder auch im Glas, damit er sich ein wenig ordnet. Doch eine geöffnete Flasche ist nicht lange gleich gut. Wein aus Beuteln in der 3-Liter-Größe sind für den ganz großen Durst. Genau am anderen Ende der Skala bewegt sich Oneglass. Eine Portion im Beutel, aufzureißen wie ein Sportgel. Für zwischendurch, zum Mitnehmen – und garantiert rostfrei. Quelle: Presse
Sylt-WeinIn diesem Bild ist kein Fehler versteckt. Und doch sieht es so aus. Auf der Homepage des Rheingauer Weinguts Balthasar Ress sind die gutseigenen Lagen verzeichnet. Und? Fällt etwas auf? Richtig. Keitum. Sylt. Kein Scherz, kein Versehen, keine komische Sache. Ress baut tatsächlich in dem possierlichen Dörfchen auf Sylt Wein an. Und er ist wohl nicht mal schlecht. Auf jeden Fall ist er rasch ausverkauft. Damit ist Sylt um einen weiteren Superlativ reicher: Nördlichstes Weinbaugebiet Deutschlands. Quelle: Presse
SchützenhilfeDer badische Winzer und Präsident des Fußballclubs SC Freiburg, Fritz Keller (rechts), pflegt schon seit einigen Jahren eine enge Partnerschaft mit dem Lebensmitteldiscounter Aldi. Unter Kellers Ägide bauen mehrere hundert Winzer mit teils winzigen Parzellen, die sie dem Erbrecht zu verdanken haben, den Wein so an, dass Keller seinen Namen dafür hergibt. Nun taucht ein weiterer großer Name in Deutschland auf. Michel Rolland, der als Weinberater im Bordeaux einige sehr renommierte und sündhaft teure Güter berät. Für Edeka in Deutschland ist Rolland nun tätig geworden und ist verantwortlich für eine Cuvée, die für unter 10 Euro weit weniger kostet als vieles, was Rolland sonst verantwortet. Quelle: dpa
WeinfotosKein Geld für teure Weine? Und keine Zeit, die sagenumwobenen Kellereien zu besuchen? An der Architektur der Weinkeller haben sich zahlreiche Fotografen abgearbeitet. Der Wiesbadener Fotograf Rafael Neff war in einigen der bekanntesten Weingüter der Welt unterwegs und hat die Keller mitsamt der Fässer als beeindruckend inszenierte Stillleben fotografiert. Die Bilder sind nicht günstig, werden aber im Gegensatz zu den Weinen beim Genuss nicht vernichtet. Quelle: KNA
Bekannte WinzerGerard Dépardieu. Francis Ford Coppola. Günter Jauch. Nein – haben alle etwas miteinander zu tun, auch wenn es zunächst nicht so scheint. Ihnen gehören Weingüter. Bei Fernsehmoderator Jauch ist es das renommierte Gut von Othegraven an der Saar. Die Toten Hosen haben zwar keinen eigenen Wein, aber mit dem „Weißes Rauschen“ vom Weingut Tesch an der Nahe einen Riesling, der zusammen mit ihnen produziert wurde. Quelle: dpa

Neue Schädlinge und mehr Alkohol: Der Klimawandel macht den Winzern gleich doppelt zu schaffen. „Der Wein bekommt mit der Sonne immer mehr Zucker“, erklärt Marie-Madeleine Caillet-Desmarest am Montag auf dem Weinweltkongress in Mainz. „Damit steigt auch der Alkoholgehalt, vor allem bei Rotweinen aus Südeuropa. Wir überlegen, wie sich das verringern lässt, entweder durch das Ausfiltern von Zucker vor der Fermentierung oder durch Alkoholreduktion danach.“

Die Önologin aus der Champagne ist eine von mehr als 450 Wissenschaftlern, Verbands- und Regierungsvertretern aus 46 Ländern, die unter dem Dach der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) bis Freitag über neue Herausforderungen durch den Klimawandel beraten. Dieser sei nicht nur schädlich, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Peter Bleser (CDU). In nördlichen Gebieten könnten mit höheren Temperaturen bisher nicht mögliche Facetten des Weinanbaus erkundet werden. „Wein ist auch Emotion, Lebensgefühl, Kulturlandschaft.“

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Im Kampf gegen Krankheiten und Schädlinge setzen die USA, Australien oder Frankreich auf die Gentechnik. Auch in der Pfalz wurden 1999 gentechnisch veränderte Weinreben gepflanzt, in der pfälzischen Gemeinde Siebeldingen, wo das Julius-Kühn-Institut (JKI) als Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen seinen Sitz hat. „Wir haben uns aus zwei Gründen davon verabschiedet“, erklärt JKI-Leiter Reinhard Töpfer. Zum einen gebe es inzwischen neue Möglichkeiten in der traditionellen Kreuzungszüchtung. Zum anderen würden transgene Pflanzen von der Öffentlichkeit mehrheitlich abgelehnt.

Der Klimawandel verändert den Weinanbau
Bei vier Grad Erwärmung lägen die Bedingungen der Champagne in England.
An der Südküste Australiens würde die Weinqualität leiden.
Auch in den USA würden sich die idealen Anbaugebiete verlagern.
Und in Neuseeland würde es für Weinanbau im Norden zu heiß.

So haben die JKI-Experten gerade erst eine neue Rebsorte vorgestellt, Caladis Blanc, die mehrere Resistenzen kombiniert: gegen die Pilzkrankheiten Echter und Falscher Mehltau, Botrytis (Schimmelbefall) und Schwarzfäule. „Damit lassen sich schöne, spritzige, leichte Sommerweine produzieren“, sagt Töpfer. Die Züchtung neuer Rebsorten könne auch eine Antwort auf steigende Temperaturen zu sein.

Schädlinge wie die Kirchessigfliege, Rebzikaden und Eichenprozessionsspinner profitierten von höheren Temperaturen, erklärt die rheinland-pfälzische Weinbauministerin Ulrike Höfken (Grüne) auf dem Kongress. Gentechnik kommt für sie aber nicht in Frage. Sie setzt auf biologische Schädlingsbekämpfung, etwa mit Lockstoffen. Im Kampf gegen den Traubenwickler werde das Verfahren mit solchen Pheromonen nach Angaben Höfkens bereits auf mehr als der Hälfte der rheinland-pfälzischen Rebflächen mit Erfolg eingesetzt.

Kongressbesucher aus Lateinamerika wundern sich, wie heiß es in Deutschland ist. Mit dem Klimawandel ließen sich schon jetzt dramatisch steigende Alkoholgehalte feststellen, etwa bei griechischen Weinen, sagt die Leiterin des Instituts für Önologie an der Hochschule Geisenheim im Rheingau, Monika Christmann. An ihrem Institut forschen Mikrobiologen an Hefepilzen, die weniger Alkohol produzieren. Bei einer Reduzierung um 2,5 Prozentpunkte, etwa von 15 auf 12,5 Volumenprozent Alkohol, sei geschmacklich kein Unterschied spürbar. Bei einer stärkeren Reduzierung stelle sich dann aber die Frage, ob das Ergebnis noch als Wein bezeichnet werden könne.

In der EU ist ein Alkoholgehalt von mindestens 8,5 Volumenprozent Voraussetzung für die Bezeichnung als Wein. Mara Fernandes Moura vom Instituto Agronômico de Campinas (IAC) in Brasilien findet, dass es mindestens 11 Prozent sein müssten. „Ohne Alkohol haben wir noch nur Saft.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%