Wenn Städte krank machen Je größer die Stadt, desto höher das Schizophrenie-Risiko

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Gefühl des Kontrollverlusts

Das sind Deutschlands gefährlichste Städte
Villa Hammerschmidt in Bonn Quelle: dpa
Halle an der Saale Quelle: dpa
Heißluftballon über Dresden Quelle: dpa
Festwiese in Lübeck Quelle: dpa
Flughafen Dortmund Quelle: dpa/dpaweb
Hannover Quelle: dpa
Düsseldorf Quelle: dpa

Dennoch: Stadtleben macht nicht zwangsläufig krank, denn genetische und Umwelt-Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Adli glaubt, dass Stress dann gesundheitsrelevant wird, wenn der Einzelne sich nicht nur räumlich eingeengt und zugleich isoliert fühlt, sondern auch das Gefühl hat, seine Umgebung nicht kontrollieren zu können. „Das ist die toxische Mischung.“ Vermutlich deshalb würden beispielsweise Migranten, die in einem sozial schwächeren Viertel zusammen lebten, seltener psychisch krank als solche, die allein in einer besser gestellten Umgebung wohnten.

Prof. Andreas Heinz, Direktor der Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, sieht in der aktiven sozialen Ausgrenzung von Einwanderern ein dringliches Problem. In London sei die Zahl der psychischen Erkrankungen bei Migranten aus der Karibik acht Mal so hoch wie bei Einheimischen. „Wenn zu viele gewachsene, soziale Strukturen weggespart werden, reißt das Auffangnetz irgendwann.“ Mit der Gentrifizierung von Straßen und ganzen Stadtvierteln würden nicht nur alteingesessene Bewohner verdrängt, sondern auch deren Anlaufstellen wegfallen.


Für Berlin hieße dies im Gegenzug: Jugendzentren, Beratungsstellen und Begegnungsmöglichkeiten offen halten. Außerdem: Breitere Bürgersteige, die Platz für eine Bank vorm Haus bieten. Plätze, die zum einladenden Treffpunkt werden. Mehr Grünflächen und freie Blickachsen. Mehr Wege zu Fuß. „Jeder Plausch mit den Nachbarn tut gut“, sagt Adli, und Heinz betont: „Ein Park, in dem gegrillt wird, bringt mehr als eine perfekte Grünanlage, in der 'Rasen betreten verboten' ist.“

Stadtplaner und Architekten sollten stärker mit Psychiatern zusammenarbeiten, so die Ansicht der Forscher. Unter veränderten Vorzeichen kann das pralle Großstadtleben und sein vielfältiges Angebot dann nämlich sogar vor Stress schützen - wenn jeder die Möglichkeit hat, es wahrzunehmen und mitzumachen. Prof. Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (München) rät: „Jeder muss sich seines individuellen Gesundheitsrisikos bewusst sein und entscheiden, ob er die Chance, die ihm das Großstadtleben eröffnet, nutzen will.“

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