Wie Düfte uns beeinflussen Riecht es nach Orange, sitzt das Geld lockerer

Werbung spricht unsere Sinne an, auch wenn wir es nicht merken. Beim Duftmarketing ist die Nase des Kunden das Ziel. Er soll sich wohl fühlen und Geld ausgeben. Sogar Banken machen mit.

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Nicht jeder Mensch riecht und empfindet gleich: Von Kultur zu Kultur herrschen andere (Duft-)Regeln. Nur wenige Düfte sind universell gleich behaftet. Quelle: dpa

In Dortmunds größtem Einkaufszentrum duftet es nach Sonnencreme, nach Kokos und nach einem Hauch Lavendel. Der Besucher denkt unweigerlich an Strand, Meer und bekommt gute Laune. Urlaubsfeeling stellt sich ein.

Und auch wenn vor dem Hollister-Textilshop in Dortmund der nächste Strand einige hundert Kilometer weit entfernt liegt, ist er trotzdem da, denn man kann ihn riechen. In regelmäßigen Abständen wabert er durch den Raum. Er kommt von oben, aus den Gittern der Klimaanlage.

Was nicht gerade sexy klingt, ist schon bereits ein fester Teil der Verkaufspsychologie zahlloser Unternehmen und Einzelhändler. „Duftmarketing“ nennt sich das Konzept und soll Kunden dazu bringen, länger im Laden zu bleiben und mehr Geld auszugeben. Spezielle Duftdesigner versprechen – allein durch den Einsatz von Düften – eine um 15 Prozent höhere Kaufbereitschaft der Kunden und eine um 19 Prozent höhere Kommunikationsbereitschaft.

Immer mehr Unternehmen setzen auf das Duftmarketing. Damit soll das Markenprofil geschärft und die Kauffreudigkeit der Kunden erhöht werden. Quelle: dpa

Hollister geht beim Duftmarketing besonders offensiv vor. In allen seinen Filialen, in San Diego wie in Dortmund, ist der Strand-Duft präsent. Mittlerweile ist der Geruch so eng mit dem Unternehmen verknüpft, dass amerikanische Jugendliche in einem Test Hosen des Mutterkonzerns Abercrombie & Fitch erriechen konnten.

Aber auch andere Branchen duften kräftig mit. Fast überall ist die „Luftveredelung“ angekommen: Versicherungen, Hotels, Autohäuser und sogar Banken und Technologiekonzerne setzen auf das Lockmittel eines angenehmen Duftes. Einer, der dabei mithilft, ist Robert Müller-Grünow. Seine Kölner Firma "Scentcommnuication" konzipiert Düfte und Raumgerüche für Unternehmen in unterschiedlichsten Branchen. Samsung, Adidas und BMW zählen zu seinen Kunden.

Für ihn ist der Duft Bestandteil eines komplexen Firmendesigns. „Die Unternehmen geben sich viel Mühe mit ihrem Logo. Lange haben sie aber das sinnlichste Medium vernachlässigt: den Duft. Der kommt jetzt zu den habtischen und audiovisuellen Erkennungsmerkmalen dazu.“, sagt der Duftdesigner Müller-Grünow.

Unterbewusste Kundenbindung

Nicht nur Modeketten oder Supermärkte arbeiten mit der Strategie. Auch Autohäuser und Banken experimentieren mit dem Konzept. Der Duft des Autos soll das Fahrerlebnis widerspiegeln. Quelle: dpa

Für die Unternehmen ist das attraktiv, denn unser Geruchssinn ist die ideale Werbefläche. Zum einen können wir ihn nicht bewusst kontrollieren, das heißt, wir sind permanent einem stetigen Informationsfluss durch die Nase ausgesetzt. Zum anderen ist der Geruchssinn einer der ursprünglichsten und emotionalsten Sinne überhaupt. Er kann nicht nur Wünsche, Hoffnungen und Erinnerungen aus tiefster Kindheit wecken und abspeichern.

Der Geruchssinn spricht auch direkt und ungefiltert das limbische System im Kleinhirn an. Da entstehen Gefühle, Emotionen, Zuneigung und Ablehnung. Ob wir jemanden – oder etwas – also als angenehm empfinden entscheidet häufig unsere Nase – ohne, dass Menschen es bewusst wahrnehmen. Somit merken sie es auch nicht, wenn sie durch Düfte etwa in Geschäften in ihren Verhaltensweisen manipuliert werden.

Unternehmen wie Hollister setzen darauf, dass Kaufentscheidungen allein aus rationalen Gründen getroffen werden, sondern von viele anderen Faktoren beeinflusst werden. Experten unterscheiden dabei zwischen zwei Varianten.

Bei der einen Variante geht es vor allem darum, eine angenehme Umgebung zu schaffen. Kunden sollen sich wohlfühlen, Vertrauen fassen, länger im Geschäft bleiben und mehr Produkte kaufen.

Andere Gerüche locken den Kunden hingegen erst in den Laden, vor allem im Gastronomie- und Nahrungsmittelbereich ist diese Praxis beliebt und bekannt: Schon vor Jahrhunderten ließen Bäcker Rohre extra so verlegen, dass der Duft von frischem Brot auf die Straße drang.

Jeder Kunde kann durch Duftmarketing beeinflusst werden, glauben Duftdesigner. Positive Assoziationen mit bestimmten Gerüchen gehen häufig auf intuitive Kindheitserinnerungen zurück. Quelle: dpa

Die zweite Variante zielt auf eine tiefergehende Ebene der Unternehmen-Kunden-Beziehung ab. Konzerne wie Samsung, Hotelketten oder eben Hollister versuchen, einen individuellen Duft für ihren Konzern zu entwickeln. Dabei geht es weniger um eine Wohlfühl-Atmosphäre, als um Markenidentität und Wiedererkennungswert („Corporate Scent“). Unbewusst sollen die Kunden den Duft aufnehmen, einprägen und positive Assoziationen wecken. In den meisten Fällen sind die Düfte so dezent, dass wir sie nur unterbewusst aufnehmen.

Welcher Duft für welches Unternehmen dabei der richtige ist, hängt vor allem davon ab, was das Unternehmen transportieren will. „Der Ansatz ist, ein Duftprofil des Produkts zu erstellen. Die Frage ist, was das Produkt transportieren soll. Wie kann das Fahrerlebnis im Auto aussehen? Was verspreche ich mir von dem Hotel? Was macht das Produkt aus?“, so Duftentwickler Robert Müller-Grünow.

Auch die deutsche Bahn hat bereits mit Duftstoffen experimentiert. In einer Studie ließ die Bahn in einigen Zügen Duftstoffe freisetzen, in anderen hingegen nicht. Bei der anschließenden Kundenbefragung zeigten sich deutlich mehr Duft-Reisende zufriedener mit dem Preis-Leistungsverhältnis - trotz gleicher Reiseumstände.

Der perfekte Duft

Augen und Ohren des Kunden hat die Werbung bereits erschlossen. Beim Duftmarketing zielt die Strategie auf die Nase und spontanen Emotionen des Käufers. Quelle: dpa

Um den richtigen Geruch für Samsung zu finden, hat „Scentcommunication“ einen völlig neuen Duft entwickelt. Die Kosten für eine individuell designte Molekül-Marke schwanken zwischen 20.000 bis 40.000 Euro, je nach Exklusivität des Dufts und der benötigten Rohstoffe. Für „klassische“ Duftassoziationen gibt es einschlägigere Inhaltsstoffe. Je nach intendiertem Firmenimage eigenen sich unterschiedliche Inhaltsstoffe: In Modegeschäften sind Orangendüfte beliebt, da sie auf die meisten Menschen erfrischend und stimmungsaufhellend wirken.

Für Banken oder Versicherungen bieten sich ehr andere Basiskomponenten an, deren Duft eine beruhigende Wirkung (Lavendel) und konzentrations- und energetische Wirkung haben (Citrus).

Verkaufspsychologe Michael Huger schätzt die Bedeutung des Duftmarketings zurückhaltender ein. Im Einklang mit anderer Werbung könne der Duft zwar auch eine Rolle spielen, so Huger, aber andere Faktoren wie ein seriöser Internetauftritt, der schlichte Nutzwert des Produkts und der rationale Kunde als Mensch seien entscheidender.

Ob die flächendeckende Raumbeduftung auch gesundheitliche Folgen haben kann, ist noch nichts restlos geklärt. Immerhin gibt es rund eine halbe Million Duftstoff-Allergiker in Deutschland. Auf der Grundlage einer Studie hat das wissenschaftliche Beratungskomitee der Europäischen Union eine Liste von 26 Stoffen erstellt, die in bestimmten Konzentrationen allergische Reaktionen auslösen können und deklarationspflichtig sind. Laut Umweltbundesamt bleiben die Hersteller von Kosmetikerzeugnissen oft unterhalb der gefährlichen Konzentrationsgrenzen  "oder ersetzen diese Substanzen durch andere, die sie nicht ausweisen müssen, die aber möglicherweise ebenfalls Allergien auslösen können.“

Für den Umgang mit Duftstoffen in geschlossenen Räumen hat das Umweltbundeamt deswegen auch einen einfachen Tipp: „Besser ist, die Wohnung regelmäßig zu lüften und zu reinigen.“

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