
Die Arbeiter, die an dem Rotorblatt im dänischen Aalborg letzte Hand anlegen, wirken neben dem Giganten wie Spielzeugfiguren. Siemens fertigt dort seit kurzem aus Glasfaser die weltweit längsten Flügel eines Offshore-Windrads. 75 Meter sind sie lang und erreichen damit fast die Spannweite des Super-Airbus A380.
Die Flügel treiben Siemens' nächste Generation von Meeres-Windrädern an: Die mächtigen Maschinen, hoch wie der Kölner Dom, leisten sechs Megawatt (MW) – fast doppelt so viel wie die bisher stärksten Anlagen des deutschen Technologiekonzerns, der laut Analysten mit 4537 MW installierter Windkapazität 57 Prozent des europäischen Offshore-Markts beherrscht.
Doch so wie es aussieht, sind die Münchner ihren gerade errungenen Rekord in Kürze wieder los. Die Nummer zwei im Markt, die dänische Vestas, hat angekündigt, schon im kommenden Frühjahr eine 8-MW-Turbine testen zu wollen. Deren Rotorblätter sind sogar 80 Meter lang.
Die Jagd danach, wer das größte Rad dreht, kommt nicht von ungefähr. Sie verbessert nicht nur Vestas Verhandlungsposition in den Kooperationsgesprächen mit dem japanischen Konzern Mitsubishi Heavy Industries. Sie ist vor allem Teil des Wettlaufs der Hersteller, die wirtschaftlichsten Anlagen für die Stromerzeugung auf hoher See liefern zu wollen.





Denn der wichtigste Hebel dafür sind längere Rotorblätter: Nach einer Faustformel vervierfacht sich die Leistung eines Windrads mit jeder Verdopplung der Fläche, die der Rotor durchstreicht. Gegenüber den ersten kommerziellen Anlagen mit gerade einmal 30 Kilowatt hat sich die Fläche, um den Wind einzufangen, und damit auch die Leistung der Turbinen, in den vergangenen 30 Jahren um das 200-fache erhöht.
Die Ingenieure wollen noch weit mehr. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Bremerhaven, Andreas Reuter, hält in Zukunft sogar 20-MW-Anlagen für realistisch. "Die ersten Räder könnten 2020 stehen." Siemens will nach 2015 erste Turbinen der 10-MW-Klasse auf den Markt bringen – und würde damit wieder die Führung übernehmen.
Doch so langsam stößt der Bau immer größerer Turbinen an technische Grenzen. Ein Problem: Noch schneller als ihre Leistung erhöht sich ihr Gewicht mit jeder Verlängerung der Rotoren. Damit wird der Aufbau der Kolosse, die heute inklusive Fundament schon bis zu 5000 Tonnen wiegen, immer schwieriger. Zudem müssen die Flügelblätter, die die Luft heute schon bei maximaler Drehgeschwindigkeit an den Spitzen mit mehr als 300 Kilometer pro Stunde durchschneiden, immer extremeren Kräften standhalten. Sie würden sich im Betrieb um 40 Meter und mehr durchbiegen. Um das zu überstehen, müssten die Ingenieure die Rotoren wie die Flügel in modernen Flugzeugen mit Kohlefasern verstärken. Die sind jedoch weitaus teurer als das heute verwendete Material aus Glasfasern – die Preise für die Anlagen würden merklich steigen.