Mit einem sanften Ruck bohrt sich die Fräse in die Skipiste. Der Fahrer oben in der Kanzel drückt den Joystick leicht nach vorne, dann setzt sich die 14 Tonnen schwere Pistenraupe in Bewegung. An ihrem hinteren Ende lockern die Zähne der Fräse bis in etwa 40 Zentimeter Tiefe den Schnee auf. An der Vorderseite des Ungetüms schiebt ihn ein mächtiges Schild die Piste hinauf und planiert ihn.
„Die Skifahrer drücken bei ihren Abfahrten den Schnee Richtung Tal“, erklärt Werner Amort, Vorstandschef von Prinoth. Der Hersteller aus dem Südtiroler Sterzing hat die Pistenraupe gebaut. Amort schaut an diesem sonnigen Wintermorgen zu, wie sich das 530 PS starke Gefährt – Modell Leitwolf – den Hang nahe dem österreichischen Kitzbühel hinaufschiebt.
Es ist das Topmodell: 500.000 Euro teuer, von italienischen Stardesignern gestaltet, ausgestattet mit Recaro-Sitzen. Für die Urlauber ringsum ist die wuchtige Raupe das augenfälligste Beispiel für all die teure Technik, mit der Skiorte global ihre Pisten effizienter betreiben wollen.
Aktuelle Investitionen in deutsche Skigebiete
10,4 Mio. Euro
13 Mio. Euro
25 Mio. Euro
50 Mio. Euro
50 Mio. Euro
Denn der Winterport ist längst kein Wachstumsgeschäft mehr. Immer weniger junge Leute lernen Skifahren, der weiße Sport ist bei ihnen nicht mehr angesagt. Und es fehlt schlicht an Schnee – die Folgen des Klimawandels, hier werden sie spürbar.
Gnadenloser Wettbewerb
Manche Experten schätzen, dass bereits zwei Drittel der österreichischen Bergbahnbetreiber rote Zahlen schreiben. „Unter den Skigebieten herrscht ein harter Wettbewerb um Marktanteile“, sagt Edgar Grämiger von der Beratungsgesellschaft Grischconsulta im schweizerischen Chur. Um mitzuhalten, versuchen die Skiorte, die Kosten zu senken, etwa durch Schneekanonen mit höherem Wirkungsgrad oder den effizienteren Einsatz des aufwendig produzierten Kunstschnees.
„Schneemanagement“ nennt das Josef Burger, Vorstand der Bergbahn AG Kitzbühel. Er hat in dem Nobelskiort mit mehr als 50 Seilbahnen und Liften alle 170 Kilometer an Pisten Zentimeter für Zentimeter per Satellitennavigation exakt vermessen lassen, inklusive der Höhe über dem Meeresspiegel. Im Winter bestimmt die Pistenraupe wieder die Höhe – und berechnet mithilfe der so gewonnenen Daten die Dicke der Schneeschicht. „So wissen wir ständig, wo wie viel Schnee gebraucht wird“, sagt Burger. Big Data im Wintersport.
In der Kabine der Pistenraupe zeigt ein gelb umrandeter Monitor während der Fahrt die Schneehöhe unter der Raupe an. 41, 44, 42 Zentimeter: Permanent wechseln die Zahlen. Gleichmäßig 40 Zentimeter Schnee genügen für einen ordentlichen Pistenbetrieb. Früher landete der Kunstschnee nicht selten an Hängen, auf denen ohnehin schon genug lag; andere bekamen zu wenig ab. Durch das neue Messverfahren blasen ihn die Kanonen nur noch dorthin, wo er benötigt wird: nicht unwichtig bei einem Preis von 2,50 Euro für einen Kubikmeter. Kitzbühel verteilt pro Saison zwei Millionen davon. Je nach Skigebiet lassen sich die Kosten der Schneeproduktion um bis zu ein Viertel senken.
Überleben werden die großen Skigebiete
Neueste Schneekanonen sollen den Betrieb noch ökonomischer machen. Verarbeiteten sie vor zehn Jahren weniger als neun Liter Wasser pro Sekunde, sind es heute elf. Aus denen sie pro Stunde 105 Kubikmeter Schnee produzieren. 2005 waren es nur 79. Zudem: Statt 50 Meter, wie vor zehn Jahren, bläst eine moderne Kanone den Schnee 75 Meter weit. „Je länger der Tropfen in der Luft ist, desto besser kristallisiert er“, erklärt Burger. Besserer Schnee bleibt länger liegen.
Der Hightech-Einsatz hilft den Betreibern auch, Vorwürfen etwas zu begegnen, Wintersport ruiniere die Umwelt. „Sie wollen und müssen beweisen, dass sie mit Ressourcen sparsam umgehen“, so Berater Grämiger.
Die neuen Techniken nutzen vor allem die Großen: Ischgl, Silvretta-Montafon und Kitzbühel
Überleben werden wohl nur große Skigebiete wie Ischgl, Silvretta-Montafon oder eben Kitzbühel, weil sie die Mittel haben, in Technik zu investieren. In Kitzbühel etwa konnte Burger die legendäre Hahnenkamm-Piste bereits Ende Oktober freigeben. Dafür ließ er am Ende der vorherigen Saison 24 000 Kubikmeter Schnee unter Planen mithilfe eines aufwendigen Kühlverfahrens zwischenlagern. Ergebnis: Bis Ende Januar hatten die Kitzbüheler Bergbahnen 20 Millionen Euro umgesetzt – fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Von der Ausdehnung der Saison profitieren auch Einzelhändler, Restaurants und Hotels.
Hoffnung auf Kunden in Asien
Prinoth-Chef Amort tüftelt unterdessen an neuen Strategien für sein Unternehmen. Rund 200 Millionen Euro hat der Hersteller aus Südtirol zuletzt umgesetz. Doch das Geschäft mit den Pistenraupen, bei dem er mit dem deutschen Anbieter Kässbohrer konkurriert, stagniert. Wachstum erzielt er inzwischen mit zwei anderen Sparten: Kettennutzfahrzeugen etwa für Rohstofferkundungen sowie mit Raupenträgerfahrzeugen für die Bewirtschaftung von Wäldern.
Um auch künftig Pistenraupen bauen zu können, schaut Amort Richtung Osten. „Im russischen Sotchi haben wir 70 Maschinen verkauft“, sagt er. Zurzeit verhandelt er in China, wo 2022 Olympische Winterspiele ausgetragen werden.