Umweltfreundliche Flugzeuge Sprit sparen über den Wolken

Die europäische Luftfahrtindustrie will den Ausstoß von Kohlendioxid pro Fluggast rapide senken. Das erfordert neue Konzepte bei der Konstruktion von Flugzeugen. Gewicht, Aerodynamik und Triebwerkseffizienz sind die Stellschrauben, an denen gedreht werden muss.

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Das Flugzeug der Zukunft: Navigiert von Satelliten, betrieben mit synthetischem Kraftstoff. Grafik:

MÜNCHEN. Das Ziel ist ambitioniert, aber kaum bekannt. Die europäische Luftfahrtindustrie will bis 2020 in ersten Flugzeug-Protoypen den Ausstoß von Kohlendioxid pro Fluggast um fünfzig Prozent senken. Leichter, effizienter und damit spritsparender sollen die Maschinen werden. Die „Vision 2020“ hat der europäische Forschungsverbund Acare unabhängig von der aktuellen Klimadiskussion bereits 2001 formuliert. „Neue Techniken machen es möglich, dass wir einen Großteil des Zieles erreichen können“, sagt Klaus Broichhausen und verweist auf bereits Erreichtes in der Vergangenheit. „Allein im Triebwerksbau haben wir in den vergangenen 30 Jahren den Treibstoffverbrauch um 50 Prozent gesenkt“. Der ehemalige Chefentwickler des Triebwerksherstellers MTU leitet heute in München das „Bauhaus Luftfahrt“, ein einzigartiger Think Tank der Luftfahrtindustrie. Hier werden Ideen für die „Vision 2020“ entwickelt – und darüber hinaus. An den Zeichentischen und Computern entstehen futuristische Formen und Antriebe für die Flugzeuge von Übermorgen, wie die Studie „Hyliner-Boxwing“. Gewicht, Aerodynamik und Triebwerkseffizienz heißen die Stellschrauben. „Schon in der kommenden Flugzeuggeneration werden wir erhebliche Einsparungen erzielen“, sagt Broichhausen. So setzt der neue Boeing-Dreamliner, der bereits im nächsten Jahr fliegen soll, Maßstäbe. 20 Prozent weniger Sprit soll der Langstreckenflieger im Verglich zum Vorgängermodell brauchen, verspricht Boeing. Die Antwort von Airbus, die neue A 350 XWB soll noch wirtschaftlicher werden. Der niedrigere Spritverbrauch wird bei beiden Flugzeugen in erster Linie durch die Verwendung von leichten Verbundwerkstoffen im Rumpfbau erzielt. Auch die Aerodynamik der Tragflächen hat sich erheblich verbessert. Leichtbau und bessere Flügel, die nächste Generation bei den Mittelstreckenflugzeugen baut auf diese Techniken. Mitte des kommenden Jahrzehnts wird die Boeing 737 und die Airbus-A 320-Familie auf den Markt kommen. Wie auch bei den großen Maschinen werden hier die Triebwerkshersteller gefordert sein. Zehn bis 15 Prozent zusätzliche Einsparung sollen im Vergleich zu den heutigen Turbinen möglich sein. „Die meisten Konzepte zielen auf eine Erhöhung des Luftdurchsatzes“, sagt Broichhausen. Mehr Luft im vorderen Schaufelkranz (Fan) bedeutet mehr Vortrieb. Moderne Triebwerke haben daher immer größere Triebwerksschaufeln, der Fan wurde in den vergangenen Jahren immer größer. Doch das Prinzip ist schnell ausgereizt. Denn je größer die Triebwerksschaufeln, desto höher werden die Rotationsgeschwindigkeiten der Schaufelspitzen. Kommen die Spitzen des Fan in den Überschallbereich, sind jegliche Effizienzgewinne dahin.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Der Abschied vom Energieträger Öl ist in der Luftfahrt schwierig.

Zwei Lösungsversuche konkurrieren: Pratt &Whitney und MTU haben ein Untersetzungsgetriebe entwickelt, dass die Rotationsgeschwindigkeit des Fan reguliert. „So sind bis 15 Prozent Treibstoffersparnis möglich“, sagt Broichhausen. Rolls-Royce und General Electric hingegen setzen auf einen zweiten Fan, der gegenläufig zum vorderen Schaufelkranz rotiert. Zusätzlich arbeitet die MTU an einem Wärmetauscher, der Energie aus den heißen Abgasen der Triebwerke zieht. „Alle diese Techniken funktionieren, sie machen die Triebwerke zwar komplizierter, werden sich aber über die Brennstoffeinsparung rechnen“, sagt Bauhaus-Chef Broichhausen. Neue Treibstoffe, die eine effizientere Verbrennung ermöglichen, reduzieren zudem die Emissionen. Das Beimischen synthetisch gewonnener Kraftstoffe aus Gas oder Kohle ist unproblematisch, biologische Kraftstoffe wie Biosprit hingegen werden bei den Minustemperaturen über den Wolken hart. Anders als im Autoverkehr ist Wasserstoff als Antrieb für Flugzeuge erst in weiter Ferne möglich, die Energiedichte ist in der Relation zum Volumen zu gering. „Der letzte Tropfen Öl wird wohl in einer Flugzeugturbine verbrannt“, heißt es in der Branche. Trotz aller Bemühungen der Konstrukteure, bleibt auch der Effekt für die Umwelt mager. Das Wachstum des Luftverkehrs dürfte die Effekte in den kommenden Jahren mehr als überkompensieren. Zwischen den Jahren 2000 bis 2020 wird sich das weltweite Passagieraufkommen nach Expertenschätzungen verdoppeln. „Der Kohlendioxidausstoß in der globalen Luftfahrt wird in den kommenden zehn bis 15 Jahren weiter steigen, dann werden die neuen Entwicklungen sicher greifen und den Gesamtausstoß reduzieren“, sagt Broichhausen.

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