Umweltschutz und Olympia China: Doch keine grünen Spiele

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Olympisches Tenniscenter: Quelle: REUTERS

Darüber hinaus kritisieren Umweltschützer, dass Peking keine spezifischen und verpflichtenden Vorgaben zur Umweltverträglichkeit der Olympiabauten gemacht habe. „Die Absicht ist zwar löblich“, sagt Theodore Oben, Chef des Programms für Sport und Schulen bei der Umweltorganisation der Vereinten Nationen. Wenn es aber keine verbindlichen Parameter für die Ingenieur- und Planungsbüros gebe, lade dies gerade dazu ein, Abstriche zu machen.

Schlimmer noch: In mancher Hinsicht verschärfen die Olympischen Spiele die dramatische Umweltsituation in China sogar. Nach Berechnungen der kanadischen Umweltorganisation Probe International wird der Wasserverbrauch während der Spiele um etwa 200 Millionen Kubikmeter in die Höhe schießen – das entspricht fünf Prozent des jährlichen Wasserkonsums der Metropole. Dabei ist Wasser dort ein ausgesprochen knappes Gut. Das tägliche Pro-Kopf-Angebot liegt bei nur einem Dreißigstel des weltweiten Durchschnitts.

Damit Besucher, Sportler und Funktionäre dennoch jederzeit duschen können, leiten die Behörden in großem Stil Wasser aus umliegenden Regionen nach Peking. Für mehr als 60 Millionen Dollar haben sie eine 13 Kilometer lange, unterirdische Röhre gebaut, deren Fluten einen seit einem Jahrzehnt ausgetrockneten Fluss füllt, auf dem die Ruderwettbewerbe ausgetragen werden. Zudem erhöht eine Reihe künstlicher Seen und Springbrunnen den Verbrauch, die zur Verschönerung des Stadtbilds angelegt wurden. So wird im Stadtteil Shunyi, wo die Ruderer um olympisches Metall kämpfen, eine 137 Meter hohe Fontäne in den Himmel schießen – angeblich die größte der Welt.

Chinesische Regierung will um jeden Preis schmucke Olympiastadt präsentieren

Das Nachsehen hat vor allem die an Peking grenzende Provinz Hebei. Die Hauptstadt gräbt den Menschen dort förmlich das Wasser ab. Um die vielen Kanäle Pekings mit Wasser zu füllen, zapfen die Behörden vier große Reservoirs der Nachbarprovinz an. Zur Freude der Pekinger. Aus den schwarzen, stinkenden Kloaken sind in den vergangenen Wochen verhältnismäßig saubere Gewässer geworden. Die Regierung will dem internationalen Publikum um nahezu jeden Preis eine schmucke Olympiastadt präsentieren. Die Leidtragenden sind die Bauern in Hebei. Ihnen fehlt nun das Wasser für den Anbau von Mais und Kartoffeln. Das seit Jahren von Dürren geplagte Umland trocknet weiter aus.

Damit die Athleten saubere Luft haben und nicht aus Atemnot keuchend und hustend über die Ziellinie stolpern, haben die Behörden Hunderte Fabriken im Großraum Peking und den angrenzenden Provinzen stillgelegt. Andere mussten ihre Emissionen um ein Drittel reduzieren. Die Baustellen der Hauptstadt ruhen für zwei Monate. Außerdem gilt für die 3,3 Millionen in Peking registrierten Pkw-Besitzer: Sie dürfen ihr Fahrzeug nur jeden zweiten Tag fahren. Wagen mit schlechten Abgaswerten müssen in der Garage bleiben.

Der Erfolg lässt auf sich warten. Auch rund zwei Wochen nach Einführung der Beschränkungen liegt Peking fast täglich unter einer dicken Smogglocke. Zwar verkündet Du Shaozhong, Vize-Direktor des Pekinger Umweltamts: „Der Schadstoffausstoß ist in den ersten Tagen nach Einführung der Maßnahmen um 20 Prozent gesunken.“ Zu merken ist davon bisher allerdings kaum etwas.

Viele Athleten bereiten sich deshalb lieber in Nachbarländern wie Japan vor und wollen erst unmittelbar vor den Wettkämpfen einfliegen. Einige werden Atemmasken im Koffer haben. Lo Sze Ping, Chef von Greenpeace in China, teilt ihre Skepsis. „Die Sportler haben allen Grund, besorgt zu sein.“ Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, hat bereits vor Monaten angekündigt, Ausdauerwettbewerbe wie den 10.000-Meter-Lauf zu verschieben, falls die Schadstoffbelastung zu hoch ist.

Vize-Direktor Du vom Pekinger Umweltamt versucht die Bedenken zu zerstreuen. „Atemmasken sind unnötig, sie machen nur das Gepäck schwer.“ Den Weltrekordhalter im Marathonlauf, den Äthiopier Haile Gebrselassie, wird das nicht umstimmen. Er verzichtet wegen der starken Luftverschmutzung auf einen Start über die 42 Kilometer. „Mein Leben und meine Gesundheit sind mir wichtiger.“

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