Umwelttechnik Gigantischer Boom für grüne Technologien

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Die größten Exportchancen grüner Technologien liegen jedoch in den rasant wachsenden Märkten Asiens. Dort haben die Menschen drängendere Probleme als grüne Skipisten im Winter. Von den 20 Großstädten mit der weltweit schlechtesten Luftqualität liegen allein 16 in China. Die Menschen in der Hauptstadt Peking etwa haben im Jahr bis zu 300 Smogtage zu verkraften. An manchen Tagen ist der Smog so dicht, dass die Sicht unter 150 Metern liegt. Die Sonne lässt sich nur als mattgelbe Scheibe hinter den dicken Schwaden erahnen. Vor allem im kalten Pekinger Winter, wenn die Heizungen auf Hochtouren laufen, drücken sich die Menschen morgens auf dem Weg zur Arbeit ihre Schals vor Mund und Nase. Zu beißend ist der Gestank nach verbrannter Kohle und Autoabgasen. Auf sieben Fahrspuren für jede Richtung quälen sich während der Rushhour die Autos mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern über Pekings dritte Ringstraße und stoßen dicke schwarze Wolken in den schmutzigen Himmel der Hauptstadt. Auch viele Flüsse und Kanäle – von Industrieunternehmen oft als billiges Endlager für ihre Abwässer genutzt – sind zu siechenden Kloaken verkommen. Das, was einmal Wasser war, ist oftmals nicht mehr als eine schwarze, dickflüssige Brühe, die bewegungslos in den Flussbetten steht. Wer einen Stein hineinwirft, hört kein Plätschern mehr. Nach chinesischen Angaben haben 350 Millionen Einwohner des Landes keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Regierung ist fest entschlossen, das Problem anzugehen – auch weil die Umweltbelastung inzwischen das Wirtschaftswachstum des Landes bedroht – und hat in den letzten Jahren strenge Gesetze zum Umweltschutz eingeführt. Das eröffnet deutschen Unternehmen ganz neue Märkte. Beispielsweise bei erneuerbaren Energien: China will die installierte Windenergie- und Solarenergie-Leistung binnen 15 Jahren auf 133.000 Megawatt rund verdreifachen. In Deutschland liegt die Kapazität derzeit bei rund 17.000 Megawatt. Vom potenziellen Milliardengeschäft mit der Windkraft will etwa der deutsche Windkraftanlagenhersteller Nordex profitieren. China-Chef Hans von Schaper war schon vor Ort, als Nordex vor fast zehn Jahren mit einer kleinen Repräsentanz in China startete. Damals lief das Geschäft mau. „Wir haben mal hier, mal dort ein bis zwei Anlagen verkauft“, sagt von Schaper. „Das waren alles relativ kleine Projekte.“ Inzwischen hat das Geschäft gewaltig angezogen. Grund ist ein neues Gesetz, das die chinesische Regierung im vergangenen Jahr verabschiedet hat. Demnach müssen alle Stromerzeuger ab 2010 mindestens fünf Prozent ihres Stroms aus Erneuerbaren Energiequellen produzieren. Nun beginnen die Unternehmen in größerem Stil bei Nordex zu bestellen. Im vergangenen Jahr konnte von Schaper bereits 30 Windräder in China verkaufen, in diesem Jahr werden es rund 80 sein. Um der steigenden Nachfrage zu begegnen, baute Nordex im vergangenen Jahr vor Ort eine Produktion mit einer Jahreskapazität von 150 Anlagen auf. Die Mitarbeiterzahl stieg von 40 auf gut 300.

In einem ganz anderen Segment der Umwelttechnik versucht die Inge AG, ein Mittelständler aus dem bayrischen Greifenberg, zu punkten. Das Unternehmen hat sich auf Module und Membranen für Wasserfilter spezialisiert. Die Technologie setzen vor allem Stahl- und Chemiekonzerne zur Wasseraufbereitung ein. Die Inge AG ist seit zwei Jahren in China und konnte im vergangenen Jahr bereits zehn Aufträge an Land ziehen. Mittlerweile steuert das China-Geschäft mit 1,2 Millionen Euro bereits mehr als ein Viertel zum Gesamtumsatz des kleinen Unternehmens bei. Nordex und Inge AG kommen aus ganz unterschiedlichen Industrien – typisch für die Umwelttechnikbranche, die Anbieter von Technologien der Energie- und Rohstoffeffizienz ebenso einschließt wie Unternehmen, die an der Mobilität von morgen forschen, an Verbesserungen in der Wasserwirtschaft oder an erneuerbaren Energien. Energie- und Rohstoffeffizienz. Seit 1970 hat sich der globale Energieverbrauch verdoppelt, in China und Indien sogar versechsfacht. Die Preise für Rohöl und wichtige Industrierohstoffe vervielfachten sich in den vergangenen Jahren. Und eine dauerhafte Trendumkehr ist nicht in Sicht, zu stark ist die Nachfrage der Schwellenländer. In vielen Fällen ist das Einsparen oder Recyceln von Rohstoffen günstiger als ihre Produktion. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Effizienztechnologien. Zurzeit werden damit weltweit rund 400 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt, größtenteils in den Bereichen Mess-, Steuer- und Regeltechnik sowie Haushaltsgeräte und Gebäudetechnik. Der Umsatz wird bis 2030 Schätzungen zufolge auf rund 1000 Milliarden Euro steigen. Beispiel Recycling: Während in China über 50 Prozent des Verpackungsmülls noch nicht einmal eingesammelt werden, verwertet Deutschland bereits über 75 Prozent seiner Verpackungen. Beispiel Energieverbrauch: Indien braucht für vergleichbares Wirtschaftswachstum heute dreimal so viel Energie wie Deutschland, China sogar viermal so viel. Der effiziente Umgang mit Energie sowie den Umweltressourcen Wasser und Luft gehört zu den Stärken der heimischen Wirtschaft. Nach einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, gehört Deutschland zu den Ländern mit der höchsten Umwelteffizienz. Nur sechs der 30 untersuchten Industrieländer verbrauchen weniger Ressourcen für ein vergleichbares Wirtschaftswachstum, darunter Irland, die Schweiz und Dänemark. Die USA oder Kanada hingegen kommen gerade einmal auf rund die Hälfte des deutschen Effizienzwertes. Deutschland sei es in den letzten Jahrzehnten gelungen, Wirtschaftswachstum und den Verbrauch von Umweltressourcen zu entkoppeln, sagt Hubertus Bardt, Autor der Studie. „Und die Technik, mit der Deutschland diese Effizienz erreicht, hat das Zeug zum Exportschlager.“

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