Umwelttechnik Gigantischer Boom für grüne Technologien

Das Klima spielt verrückt, Rohstoffe werden langfristig immer teurer, in den Schwellenländern nimmt die Umweltverschmutzung katastrophale Ausmaße an. Grüne Technologien stehen deshalb vor einem gigantischen Boom. Die weltweit führende deutsche Umweltindustrie hat beste Exportchancen – und das Zeug zum wichtigsten Jobmotor.

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Wachstum, Umsatz, Gesamtwirtschaft

Ein Meer von winzigen, grünen Pflanzensetzlingen, ein paar Fahrräder, ein Stapel Autoreifen. Darüber spannt sich in luftiger Höhe ein filigranes Dach aus blaugrauen, halbtransparenten Solarzellen. Das futuristische Glasdach des Wal-Mart-Centers unweit von Dallas lässt genügend Licht für die Pflanzen durch, schützt sie vor der texanischen Hitze – und produziert fleißig Strom: Die Solarinstallation des deutschen Glaskonzerns Schott kommt auf eine Leistung von rund 40 Kilowatt. Dem aufgeheizten Weltklima werden dadurch jährlich über 300 Tonnen Kohlendioxid erspart. Doch das dürfte das Wal-Mart-Management herzlich wenig interessieren. Den Billigheimer treibt ein ganz anderes Problem um: der hohe Strompreis. Der ist nach den Löhnen der größte Kostenblock des Handelsgiganten. Im vergangenen Oktober kündigte Wal-Mart-Chef Lee Scott an, 500 Millionen Dollar in Energieeffizienz und Erneuerbare Energien zu investieren, vor Kurzem schrieb Wal-Mart die Ausstattung der rund 4000 Filialen in den USA mit Solaranlagen offiziell aus. Das wäre mit rund 100 Megawatt Gesamtleistung eines der größten Fotovoltaik-Projekte der USA. Der Kostendrücker aus dem Land der Umweltmuffel greift zu deutscher Solartechnik – kaum etwas belegt besser den weltweiten Vormarsch von Ökotechnologien und die Spitzenposition deutscher Unternehmen. Aufgrund steigender Rohstoffpreise und der wachsenden Umweltprobleme entsteht rund um den Globus ein gigantischer Bedarf an neuer Technik, mit der sich Rohstoffe und Energie effizienter nutzen und erzeugen lassen und die den Ausstoß von Treibhausgasen, die Verschmutzung von Luft und Wasser eindämmt. Eine neue Boombranche entsteht, denn Umweltschutz lohnt sich inzwischen und ist kein Hobby von Weltverbesserern mehr. Vor allem das beispiellose Wachstum von Schwellenländern wie China oder Indien sorgt zum einen für knappe Rohstoffe; zum anderen droht diesen Ländern aufgrund umweltschädlicher Produktionsmethoden an vielen Orten ein Ökokollaps. Für Unternehmen, die besonders effiziente oder umweltschonende Technologien anbieten, sind deshalb goldene Zeiten angebrochen. Von der Nanotechnologie bis zum CO2-neutralen Kohlekraftwerk, von der kostengünstigen Pflanzenkläranlage zum modernen Biomasse-Kraftstoff – die Umwelttechnik mausert sich zur Wachstumsindustrie des 21. Jahrhunderts. Vor allem in Deutschland: Das Land der peniblen Müllsortierer und der allgegenwärtigen Windräder beheimatet – auch dank üppiger Subventionen – die stärkste Umweltindustrie der Welt. Und die steht vor gigantischen Exportchancen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), des Fraunhofer ISI und der Unternehmensberatung Roland Berger im Auftrag von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel kommt zum Ergebnis, dass die Umwelttechnik klassische Industriezweige wie Fahrzeug- oder Maschinenbau binnen eines Jahrzehnts hinter sich lässt. In 15 Jahren werde die Umweltindustrie die Automobilwirtschaft als deutsche Leitindustrie abgelöst haben. Derzeit steuert die Umweltbranche vier Prozent zum Umsatz aller Wirtschaftsbereiche bei, bis 2030 werde der Anteil voraussichtlich auf satte 16 Prozent steigen. Schon heute arbeiten geschätzte 1,5 Millionen Deutsche in der Umweltschutzbranche. Selbst vorsichtigsten Schätzungen zufolge werden in den nächsten Jahren Hunderttausende neuer Jobs entstehen. „Wir stehen hier vor einem Hype, der mit der New Economy zu Beginn des Jahrzehnts vergleichbar ist“, schwärmt Roland-Berger-Umwelttechnikexperte Thorsten Henzelmann, der in groß angelegten Studien die Potenziale der deutschen und der europäischen Umweltindustrie untersucht. Es gebe jedoch einen entscheidenden Unterschied zur New Economy: „Bei der Umweltbranche handelt es sich um eine Industrie mit seriösen Geschäftsmodellen, mit denen bereits bestes Geld verdient wird.“ „Wir stecken mittendrin im Boom der Umwelttechnologien“, sagt Josef Auer, Maschinenbau- und Energieexperte von Deutsche Bank Research. Angesichts des Klimawandels sei die Luft schon heute „vielfach ein limitierender Produktionsfaktor, der bereits über Versicherungsbeiträge oder Verschmutzungszertifikate eingepreist ist“. Absatzchancen bieten sich in Ländern, die den Umwelt- und Klimaschutz bislang eher belächelten – und die nun von einer wahren Ökowelle überrollt werden.

Beispiel USA: Präsident George W. Bush und Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger – die früher nicht gerade als Ökoeiferer aufgefallen sind – überbieten sich nun in Sachen Umweltpolitik. Bush sieht das Kyoto-Protokoll mit seinen Obergrenzen für die Emission von Treibhausgasen zwar immer noch als Wachstumsbremse an, wird in wenigen Tagen jedoch voraussichtlich einen Kurswechsel in der Energiepolitik ankündigen und einen verstärkten Einsatz von Biokraftstoffen fordern. „Terminator“ Schwarzenegger sicherte mit einem entschlossenen Umweltkurs gar seine Wiederwahl im vergangenen November. Er will künftig selbst entscheiden, wie abgasarm Autos sein müssen, damit sie in Kalifornien verkauft werden dürfen. Kalifornien hat bis 2016 knapp drei Milliarden Dollar eingeplant, um Hausdächer mit Solarzellen zu bestücken, und sich verpflichtet, bis 2025 den Ausstoß von Treibhausgasen um 20 Prozent zu senken. Was sich Schwarzenegger davon vor allem erhofft, sind Jobs für Kalifornien, wo im Silicon Valley ein wahres Mekka der Umwelttechnik heranwächst. Beispiel Großbritannien: Die britische Regierung hievte sich mit dem umstrittenen Klimagutachten des ehemaligen Chefökonoms der Weltbank, Nicolas Stern, aus ihrem Umfragetief. Der Gutachter schreckte die Welt mit der Aussage auf, dass der industriell bedingte Klimawandel bis zu 20 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums aufzehren könnte. Seither haben die Briten ein neues politisches Lieblingsthema, und die Regierung lässt sich für die Poleposition in der Klimadebatte feiern. Beispiel Frankreich: Für eine spektakuläre umweltpolitische Kehrtwende sorgte der prominente Tierfilmer und Ökologe Nicolas Hulot. Mit der Androhung einer eigenen Kandidatur im Präsidentschaftswahlkampf macht der TV-Star die Wahlkampfstrategen der großen Parteien nervös. Umfragen zufolge wären über 50 Prozent der Franzosen bereit, ihm ihre Stimme zu geben. Hulot fordert einen „Umweltpakt“ des nächsten Präsidenten mit den Bürgern. Die Spitzenkandidaten der großen Parteien sehen sich genötigt, den Umweltpakt öffentlich zu unterstützen und wetteifern um Fototermine mit Hulot. Angeheizt wird der umweltpolitische Klimawechsel in den USA und Westeuropa von der aktuellen Wetterlage. Westeuropa erlebt derzeit, so die Berechnungen von Meteorologen, das wärmste Wetter seit 1300 Jahren – und mit dem Orkan Kyrill, der in der vergangenen Woche über Deutschland tobte, ein ebenso seltenes wie gefährliches Naturereignis. Viele alpine Skigebiete zeigen sich in saftigem Frühlingsgrün. Und das dürfte langfristig auch so bleiben: Nach einer Studie der OECD könnte in den kommenden 20 Jahren die Zahl der Skipisten in den Alpen um rund zwei Drittel abschmelzen. Schweizer Banken lehnen es schon heute ab, Skianlagen unter 1500 Metern zu finanzieren

Die größten Exportchancen grüner Technologien liegen jedoch in den rasant wachsenden Märkten Asiens. Dort haben die Menschen drängendere Probleme als grüne Skipisten im Winter. Von den 20 Großstädten mit der weltweit schlechtesten Luftqualität liegen allein 16 in China. Die Menschen in der Hauptstadt Peking etwa haben im Jahr bis zu 300 Smogtage zu verkraften. An manchen Tagen ist der Smog so dicht, dass die Sicht unter 150 Metern liegt. Die Sonne lässt sich nur als mattgelbe Scheibe hinter den dicken Schwaden erahnen. Vor allem im kalten Pekinger Winter, wenn die Heizungen auf Hochtouren laufen, drücken sich die Menschen morgens auf dem Weg zur Arbeit ihre Schals vor Mund und Nase. Zu beißend ist der Gestank nach verbrannter Kohle und Autoabgasen. Auf sieben Fahrspuren für jede Richtung quälen sich während der Rushhour die Autos mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern über Pekings dritte Ringstraße und stoßen dicke schwarze Wolken in den schmutzigen Himmel der Hauptstadt. Auch viele Flüsse und Kanäle – von Industrieunternehmen oft als billiges Endlager für ihre Abwässer genutzt – sind zu siechenden Kloaken verkommen. Das, was einmal Wasser war, ist oftmals nicht mehr als eine schwarze, dickflüssige Brühe, die bewegungslos in den Flussbetten steht. Wer einen Stein hineinwirft, hört kein Plätschern mehr. Nach chinesischen Angaben haben 350 Millionen Einwohner des Landes keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Regierung ist fest entschlossen, das Problem anzugehen – auch weil die Umweltbelastung inzwischen das Wirtschaftswachstum des Landes bedroht – und hat in den letzten Jahren strenge Gesetze zum Umweltschutz eingeführt. Das eröffnet deutschen Unternehmen ganz neue Märkte. Beispielsweise bei erneuerbaren Energien: China will die installierte Windenergie- und Solarenergie-Leistung binnen 15 Jahren auf 133.000 Megawatt rund verdreifachen. In Deutschland liegt die Kapazität derzeit bei rund 17.000 Megawatt. Vom potenziellen Milliardengeschäft mit der Windkraft will etwa der deutsche Windkraftanlagenhersteller Nordex profitieren. China-Chef Hans von Schaper war schon vor Ort, als Nordex vor fast zehn Jahren mit einer kleinen Repräsentanz in China startete. Damals lief das Geschäft mau. „Wir haben mal hier, mal dort ein bis zwei Anlagen verkauft“, sagt von Schaper. „Das waren alles relativ kleine Projekte.“ Inzwischen hat das Geschäft gewaltig angezogen. Grund ist ein neues Gesetz, das die chinesische Regierung im vergangenen Jahr verabschiedet hat. Demnach müssen alle Stromerzeuger ab 2010 mindestens fünf Prozent ihres Stroms aus Erneuerbaren Energiequellen produzieren. Nun beginnen die Unternehmen in größerem Stil bei Nordex zu bestellen. Im vergangenen Jahr konnte von Schaper bereits 30 Windräder in China verkaufen, in diesem Jahr werden es rund 80 sein. Um der steigenden Nachfrage zu begegnen, baute Nordex im vergangenen Jahr vor Ort eine Produktion mit einer Jahreskapazität von 150 Anlagen auf. Die Mitarbeiterzahl stieg von 40 auf gut 300.

In einem ganz anderen Segment der Umwelttechnik versucht die Inge AG, ein Mittelständler aus dem bayrischen Greifenberg, zu punkten. Das Unternehmen hat sich auf Module und Membranen für Wasserfilter spezialisiert. Die Technologie setzen vor allem Stahl- und Chemiekonzerne zur Wasseraufbereitung ein. Die Inge AG ist seit zwei Jahren in China und konnte im vergangenen Jahr bereits zehn Aufträge an Land ziehen. Mittlerweile steuert das China-Geschäft mit 1,2 Millionen Euro bereits mehr als ein Viertel zum Gesamtumsatz des kleinen Unternehmens bei. Nordex und Inge AG kommen aus ganz unterschiedlichen Industrien – typisch für die Umwelttechnikbranche, die Anbieter von Technologien der Energie- und Rohstoffeffizienz ebenso einschließt wie Unternehmen, die an der Mobilität von morgen forschen, an Verbesserungen in der Wasserwirtschaft oder an erneuerbaren Energien. Energie- und Rohstoffeffizienz. Seit 1970 hat sich der globale Energieverbrauch verdoppelt, in China und Indien sogar versechsfacht. Die Preise für Rohöl und wichtige Industrierohstoffe vervielfachten sich in den vergangenen Jahren. Und eine dauerhafte Trendumkehr ist nicht in Sicht, zu stark ist die Nachfrage der Schwellenländer. In vielen Fällen ist das Einsparen oder Recyceln von Rohstoffen günstiger als ihre Produktion. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Effizienztechnologien. Zurzeit werden damit weltweit rund 400 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt, größtenteils in den Bereichen Mess-, Steuer- und Regeltechnik sowie Haushaltsgeräte und Gebäudetechnik. Der Umsatz wird bis 2030 Schätzungen zufolge auf rund 1000 Milliarden Euro steigen. Beispiel Recycling: Während in China über 50 Prozent des Verpackungsmülls noch nicht einmal eingesammelt werden, verwertet Deutschland bereits über 75 Prozent seiner Verpackungen. Beispiel Energieverbrauch: Indien braucht für vergleichbares Wirtschaftswachstum heute dreimal so viel Energie wie Deutschland, China sogar viermal so viel. Der effiziente Umgang mit Energie sowie den Umweltressourcen Wasser und Luft gehört zu den Stärken der heimischen Wirtschaft. Nach einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, gehört Deutschland zu den Ländern mit der höchsten Umwelteffizienz. Nur sechs der 30 untersuchten Industrieländer verbrauchen weniger Ressourcen für ein vergleichbares Wirtschaftswachstum, darunter Irland, die Schweiz und Dänemark. Die USA oder Kanada hingegen kommen gerade einmal auf rund die Hälfte des deutschen Effizienzwertes. Deutschland sei es in den letzten Jahrzehnten gelungen, Wirtschaftswachstum und den Verbrauch von Umweltressourcen zu entkoppeln, sagt Hubertus Bardt, Autor der Studie. „Und die Technik, mit der Deutschland diese Effizienz erreicht, hat das Zeug zum Exportschlager.“

Darüber freuen dürfen sich deutsche Großunternehmen wie Siemens, deren hoch effiziente Kohlekraftwerke die Energieversorgung Chinas revolutionieren könnten, oder der westfälische Recyclinggigant Remondis, der sich in Europa, Asien und Australien um die Abfälle von rund 20 Millionen Menschen kümmert. Aber auch deutsche Mittelständler mischen bei den Effizienztechnologien ganz vorne mit: Das bayrische Klimatechnikunternehmen Robatherm etwa, die Firma Biotech, die Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt hat, oder der hessische Hersteller von Energiesparlampen IDV. Mobilität. Sie basiert heute fast ausschließlich auf fossilem Öl. Doch dieses System hat Grenzen. Während in den USA 2004 auf 1000 Einwohner rund 780 Autos kamen, waren es in China gerade einmal 19. Trotzdem ist China schon heute der zweitgrößte Ölkonsument der Erde und wird in wenigen Jahren die USA als größten Klimaverschmutzer überholt haben. Nicht auszudenken, wie sich der Ölpreis und die CO2-Emissionen entwickeln, sollte China eine ähnliche Autodichte wie die Industrieländer erreichen. Die weltweite Mobilität kann deshalb nur gesichert werden, wenn es gelingt, Verbrennungsmotoren sparsamer zu machen und sie mit neuen Kraftstoffen zu betreiben. Obwohl die deutschen Autobauer die Potenziale des Hybridantriebs – einer Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor – lange unterschätzt haben, werden sie bei umweltverträglichen Mobilitätskonzepten ganz vorne mitspielen. Der vielleicht wichtigste Joker der Deutschen: die Dieseltechnik von Bosch und den großen deutschen Automarken. Durch neue Filtertechnologien wird der Diesel dem Hybrid Paroli bieten können. Auch sonst fährt Deutschland bei den umweltfreundlichen Mobilitätstechnologien in der Poleposition: mit innovativer Antriebstechnik von DaimlerChrysler und BMW, Biodiesel von ADM Oelmühlen und Cargill, Katalysatoren von HJS, Emitec oder Twin-Tec, effizienzsteigernder Fahrzeugtechnik von ThyssenKrupp oder Continental. Erneuerbare Energien. Die Liste deutscher Unternehmen in diesem Marktsegment liest sich wie das weltweite „Who’s who“ der Branche: Biogasanlagen von Lurgi, Windkraftanlagen von Enercon und Repower, Wasserkraftanlagen aus dem Hause Voith Siemens Hydro Power, Solarzellen von Conergy und Solarworld, Solarthermie made by Viessmann, Wasserstofftechnik von Linde – alles Entwicklungen, mit denen hiesige Anbieter führend sind. Durch die staatliche Förderung der neuen Energien – das Hunderttausend-Dächer-Programm etwa oder die im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschriebenen Einspeisevergütungen – hat jeder halbwegs windstarke Standort Deutschlands seinen Windpark und fast jede Neubausiedlung mindestens ein Solardach. Diese massive Anschubfinanzierung sicherte Deutschland einen weltweiten Spitzenplatz bei Fotovoltaik und Windenergie. Die Investition könnte sich mittelfristig auszahlen, denn die Märkte wachsen schnell: 2005 wurden weltweit 45 Milliarden Euro in Wasser-, Wind- und Solarkraftwerke investiert – eine Steigerung um 25 Prozent in nur einem Jahr. Vorsichtige Schätzungen sehen ein Marktpotenzial für Erneuerbare Energien im Jahr 2020 von 115 Milliarden Euro, etwas optimistischere Prognosen beziffern den Markt auf 250 Milliarden Euro. Die größten Wachstumschancen haben dabei Biomasse, Windenergie, Wasserkraft und Fotovoltaik.

Wasserwirtschaft. Getrieben durch die Umweltgesetzgebung entwickelte sich in Deutschland eine hoch professionelle Wasserwirtschaft. Ihre hier erprobten Technologien sind Klassiker der Umwelttechnologie und genießen weltweit einen exzellenten Ruf. Weltweit werden in diesem Marktsegment derzeit 250 Milliarden Euro umgesetzt, schon 2010 sollen es nach Schätzung der Europäischen Union rund 400 Milliarden sein. Grund für den enormen Zuwachs ist die Nachfrage nach sauberem Trinkwasser und hygienischer Abwasserentsorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie ein enormer Investitionsbedarf in die Leitungsnetze der Industrieländer. So versickern in London rund 40 Prozent des Trinkwassers in defekten Leitungen, bevor es beim Kunden ist. Unternehmen wie Pipelife Deutschland oder PassavantRoediger, eine Tochter des Baukonzerns BilfingerBerger können in solchen Fällen helfen. Andere meist kleine Anbieter haben sich auf Nischen spezialisiert: Naue ist führend im Hochwasserschutz, die Andreas Kufferath GmbH in der Schlammbehandlung und das Unternehmen GEP im Regenwassermanagement. Das sind allesamt Mittelständler aus der deutschen Provinz. Erfolgreich oft auch dank politischer Unterstützung. Umweltminister Gabriel etwa vereinbarte mit dem Minister der staatlichen Umweltbehörde Zhou Shengxian einen regelmäßigen „deutsch-chinesischen Umweltdialog“ und schickte unter der Leitung von Staatssekretärin Astrid Klug deutsche Unternehmen nach Hongkong, die der Stadt beim Abfallmanagement helfen sollen. „Seit Gabriel im Amt ist, gibt es wieder einen Dialog mit dem Ministerium“, sagt BDI-Umweltressortleiter Klaus Mittelbach. „Der Dialog war im Prinzip unter Jürgen Trittin beendet worden.“ Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich die Förderung der Umweltindustrie auf die Fahnen geschrieben. Bei ihrem jüngsten USA-Besuch diskutierte sie in ihrer Funktion als EU-Ratspräsidentin eine transatlantische Zusammenarbeit bei der Förderung von energieeffizienten Technologien. Und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach im Dezember mit US-Außenministerin Condoleezza Rice darüber, wie europäische und amerikanische Unternehmen in der Umwelttechnik zusammenarbeiten können. Trotz der geballten Unterstützung und trotz der guten Ausgangslage ist der Erfolg deutscher Umwelttechniker in den Märkten der Zukunft kein Selbstläufer. Zum einen kämpfen die Unternehmen dieser Branche – wie alle anderen auch – vor allem in China gegen örtliche Konkurrenz, die schnell dazulernt. Und das oft per Technologieklau. Weiterer Wettbewerb wächst vor allem in den USA heran. „Wir haben die Wissenschaftler und Unternehmer, um uns bei den grünen Technologien an die Spitze zu setzen“, sagt Kaliforniens Gouverneur Schwarzenegger selbstbewusst – eine Kampfansage an die Deutschen. Geld genug für eine Öko-Offensive gibt es auf der anderen Seite des Atlantiks: Im vergangenen Jahr wurden in den USA insgesamt drei Milliarden Dollar an Risikokapital in grüne Technologien investiert – » doppelt so viel wie ein Jahr zuvor und mehr als in die einst florierende Halbleiterbranche. „Die Gefahr ist real“, warnt Roland-Berger-Berater Henzelmann, „dass Deutschland in den kommenden Jahren von Staaten wie den USA oder Japan in der Umweltindustrie abgehängt wird.“ Amerikanische Unternehmen seien risikofreudiger, und es sei leichter für sie, sich das nötige Kapital zu beschaffen. Vor allem jedoch könnte der deutschen Umwelttechnikszene ihre mittelständische Struktur Probleme bereiten. „Die Unternehmen sind oft zu klein, um ihre Produkte an die unterschiedlichen Marktbedürfnisse anzupassen“, sagt Klaus Ritter, Geschäftsführer der auf Umwelttechnikexport spezialisierten Beratung Eitep in Hannover. Auch fehle ihnen oft das Kapital, um den nötigen Vertriebsdruck aufzubauen: „Im Oman sagte mir ein Minister, die Deutschen würden ihm immer wieder hervorragende Technik präsentieren. Er verstehe allerdings nicht, warum sie nie wiederkämen, nachdem sie ihm ihre Produkte einmal gezeigt hätten.“ Die deutschen Mittelständler hätten oft nicht einmal das Geld für eine zweite Reise und hofften – leider vergeblich –, der Minister werde sich schon beim ersten Treffen für sie entscheiden. Zudem gehe Mittelständlern mancher Großauftrag durch die Lappen, weil er ihre Kapazitäten übersteigt. „Beim Fernseher, beim Computer, dem Fax oder auch beim MP3-Player waren die Deutschen die Erfinder, das Geld haben andere damit verdient“, warnt BDI-Umweltexperte Mittelbach. „Das darf sich bei der Umwelttechnik nicht wiederholen.“ Das wird es aller Voraussicht nach auch nicht. Schließlich haben die Amerikaner erst vor wenigen Jahren die Poleposition in der Umwelttechnik an die Deutschen abgegeben – und sind nun ganz ungewohnt in der Verfolgerrolle. Und die Spitzenposition haben sich Unternehmen hierzulande trotz ihrer oft geringen Kapitaldecke erforscht und erarbeitet. Nicht auszudenken, wie schlagkräftig die junge Branche in Deutschland wird, wenn erst die Großkonzerne von Siemens bis ThyssenKrupp die grüne Technologie als eines ihrer wichtigsten Wachstumsfelder entdeckt haben und die kleinen Spezialisten um sich scharen. Mehr dazu auf wiwo.de: Boombranche Umwelttechnik - weitere Hintergründe

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