„Je mehr Informationen ausgetauscht werden, desto weniger unerwartete Situationen gibt es“, erläutert Erik Israelsson, Projektleiter Cooperative ITS (Intelligent Transport System) bei Volvo. „Beim Autofahren kann man auf unliebsame Überraschungen getrost verzichten.“ Volvo hat zum Beispiel einen Glätte-Alarm entwickelt, der den Fahrer vor vereisten Fahrbahnen warnt und die Arbeit der Winterdienste erleichtern soll.
Ob Volvo, Audi oder BMW: Die Premium-Hersteller sind beim vernetzten Auto weiter als die meisten Volumenmarken. „Das gilt sowohl bei den bestehenden Produkten als auch den Konzepten für die Zukunft“, sagt Bernhart. „Die Premium-Hersteller sind gerade dabei, massiv die eigenen Back-End-Systeme auszubauen.“ Diese Systeme betreiben sie oft aber nicht selbst, sondern kaufen Kapazitäten von Drittanbietern dazu. „Entscheidend ist dabei, dass die Hersteller die Hoheit über den Zugang zu den Daten behalten“, sagt Bernhart.
Das Back-End, also die Server, mit denen das Auto die Daten austauscht, entscheiden nicht nur über die Funktionen, sondern auch über die Sicherheit der Daten. „Wir haben vor Jahren entschieden, dass die Kommunikation mit dem Fahrzeug von außen nur über ein BMW-Backend laufen darf“, sagt Elmar Frickenstein, der die Elektrik- und Elektronikentwicklung bei BMW leitet. Die meisten anderen Hersteller verfahren ähnlich. „Wir lassen nicht zu, dass das Smartphone mit dem Auto spricht.“
Amerikaner sind in Datenfragen offener
Soll heißen: Wer etwa bei seinem BMW i3 den Ladestand der Batterie per Smartphone oder -watch überprüft, holt sich die Daten über die BMW-Server und nicht vom Auto direkt – auch wenn man nur einen Meter daneben steht. Dass das Auto nur mit dem eigenen Fahrzeugschlüssel und den BMW-Servern spricht, dient dem Datenschutz. Das gelingt zwar nicht immer, wie BMW bereits selbst erfahren musste.
Die Frage nach den Daten hält in Deutschland noch viele Kunden ab, die Cloud allgemein und im Auto im Speziellen zu nutzen. Für Bernhart darf das aber kein Grund für die Autobauer sein, die Entwicklung zu verlangsamen. „Die deutsche Autoindustrie verkauft nicht nur in Deutschland“, sagt der Unternehmensberater. „Die US-Amerikaner sind in vielen Datenfragen deutlich offener, deshalb kann es dort unter Umständen andere Funktionen geben als in Europa.“
Die Autobauer müssten vielmehr heute solche Dienste im Angebot haben, damit ihr Auto künftig auch attraktiv sei. „Man kann auch kein Auto nur mit Stoffsitzen und überschaubarem Sitzkomfort anbieten – da kann der Rest des Autos noch so gut sein, es wird sich nicht verkaufen“, so Bernhart. „Der Druck, der über Google und Apple aufgebaut wird, wird den Fortschritt beschleunigen.“
Die aufstrebende Konkurrenz aus dem Silicon Valley beschäftigt die deutschen Autobauer bereits heute – auch wenn sie sich siegessicher gibt. „Für die deutsche Autoindustrie ist das Auto das Kerngeschäft seit 130 Jahren. Für Sie, Mr. Schmidt, ist es erst jüngst interessant geworden“, sagte etwa Audi-Chef Rupert Stadler an Google-Chef Eric Schmidt gerichtet. „Ein Auto ist heute das zweite Wohnzimmer. Das ist privat. Der Einzige, den die Daten an Bord etwas angehen, ist der Kunde.“
Doch nicht nur aus dem Silicon Valley droht der deutschen Autoindustrie Konkurrenz im Rennen um die Cloud. Auch chinesische IT-Konzerne wie Tencent, Alibaba und Baidu arbeiten mit Hochdruck am vernetzten Auto – im Falle von Baidu sogar mit deutschen Herstellern zusammen.
Dabei könnten sie schneller als amerikanische Unternehmen vorankommen, schätzt Merics-Expertin Mirjam Meissner. „In China gibt es zudem Rückendeckung durch die Regierung“, sagte Meissner dem Fachmagazin „Automobilwoche“. „Weil Peking die eigene Industrie stärken und zugleich mit vernetzten Autos den drohenden Verkehrskollaps vermeiden will, wird die Entwicklung stark gefördert. Da werden in kurzer Zeit über Branchengrenzen hinweg Allianzen angebahnt, die sich im Silicon Valley nur sehr viel langsamer entwickeln.“
Auch gegenüber Deutschland sieht die Expertin den Entwicklungsstandort China im Vorteil: „Eine Diskussion über Datenschutz, wie sie etwa in Deutschland geführt wird, gibt es in China nicht.“