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Von Nullen und Einsen

Willkommen im Appitalismus

Apple hat es der Welt mit seinem Software-Laden für das iPhone vorgemacht - und alle ziehen nun nach: Der Vertrieb von Anwendungen für Handys und PCs wird über das Internet zunehmend zentralisiert. Praktischer Service für die Nutzer oder eine echte Gefahr für freie Innovationen?

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Apple hat es der Welt mit seinem Software-Laden für das iPhone vorgemacht - und alle ziehen nun nach

Apps gibt's im App Store - so einfach ist das bei Apples iPhone inzwischen seit über einem Jahr. Egal ob auf dem Handy oder auf PC und Mac, das Herunterladen, die Installation und natürlich auch die Bezahlung von Programmen für das beliebte Gerät werden vom Hersteller kontrolliert. Das läuft mit herausragendem Erfolg: Über 100.000 iPhone-Anwendungen gibt es inzwischen, viele Tausende weitere werden allein in diesem Jahr folgen. Die Idee ist so hervorragend eingeschlagen, dass inzwischen fast jede andere Smartphone-Plattform über ihren eigenen Software-Laden verfügt, egal ob RIMs Blackberry, Palms WebOS, Microsofts Windows Mobile, Nokias Symbian oder Googles Android. Parallel dazu verbreitet sich der Trend zum zentralisierten Software-Laden auch auf dem Schreibtisch-Rechner, etwa in Form der Spieleplattform Steam unter Windows.

Für die Nutzer scheint das alles viele Vorteile zu haben: Sie wissen künftig, wo sie ihre Programme herunterladen können und müssen nicht im wilden Internet surfen. Die meisten der App Stores bieten zudem die Möglichkeit, Programme direkt auf dem Gerät zu beziehen. Will man sein Smartphone mal eben erweitern, kostet das nur wenige Tipper. Da der Betreiber zumeist bereits über die Bank- oder Kreditkartendaten des Users verfügt, muss man zur Bestätigung eines Kaufs höchstens nur noch ein Passwort eingeben.

Nicht alles läuft so rund, wie es scheint

Auch für die Software-Hersteller scheinen die App Stores zunächst ein guter Deal zu sein. Da das Angebot zentralisiert ist, wissen sie, dass ihr Programm ein potenzielles Millionenpublikum erreichen kann. Hinzu kommt, dass viele Betreiber den Firmen die Kreditkartenabwicklung abnimmt. Seit Apple mit seinem iPhone-Laden gestartet ist, haben sich 30 Prozent vom Umsatz für den Store-Betreiber und 70 Prozent für den Entwickler etabliert. Und so hat dieser neue Appitalismus auch diverse wirtschaftliche Erfolge vorzuweisen: Apple nennt immer gerne "App Store-Millionäre", darunter besonders gerne Einzelkämpfer, die es mit dem Software-Laden endlich geschafft haben, ihr Publikum zu finden.

Problematisch ist allerdings, dass keineswegs alles so rund läuft, wie es von außen scheint. Praktisch seit Start des iPhone App Store gibt es Berichte über Unzulänglichkeiten seitens Apple. Der Hersteller kontrolliert nämlich rabiat jedes einzelne Programm, bevor es in den Verkauf gelangen darf. Das soll angeblich vor allem der Sicherheit der Nutzer dienen, ist für viele Entwickler aber eine echte Qual. Da werden dann politische Satire-Programme als "diffamierend" abgelehnt oder eine Anwendung aus dem App Store verbannt, weil sie ein von Apple eingetragenes Markenzeichen wie das schlichte iPhone-Icon enthält.

Auf der Haben-Seite des aufwändigen Review-Prozesses sieht es unterdessen eher mau aus: Denn nichtsdestotrotz rutschen noch immer zahllose faule Eier in den App Store durch. Da gab es Programme, die Mobilnummern auslasen, allerlei Geschmacklosigkeiten und sogar Nazi-Propaganda - alles Dinge, die Apple eigentlich verbietet. Da helfen auch keine guten Worte seitens des Managements, das vor einigen Wochen eine Charme-Offensive startete.

Apple ist aber nur ein Beispiel für die Probleme der Zentralisierung des Software-Verkaufs. Was hier passiert, ist der Aufbau neuer Gatekeeper. Will Apple einen Konkurrenten aus seiner populären Smartphone-Plattform heraushalten, kann die Firma das tun, höchstens die Handelsaufsicht hilft da noch. Man stelle sich vor, Microsoft würde den Usern vorschreiben, welche Programme sie unter Windows zu installieren haben und Hacks verbieten - der Aufschrei wäre sicher groß.

Prominente Entwickler ziehen sich zurück

Auf Seiten der Entwickler gab es in den letzten Wochen einige größere Ausfälle. Hier sagte ein Facebook-Entwickler "Tschüss iPhone", dort eine renommierte Mac-Software-Schmiede. Helfen könnte vermutlich nur, wenn Apple jede Anwendung ohne Ansehen in seinen Laden ließe - auch um sich selbst nicht angreifbar zu machen, denn die Entscheidungen sind keineswegs konstant.

Letztlich wird aus etwas schönem, einer leicht zu bedienenden und reichhaltigen Software-Fundgrube, ein Innovationskiller. Und das ist ein schlechtes Vorbild: Microsoft wird mit seinem Windows Mobile-Shop ähnlich vorgehen wie Apple, Google leitet Programme in seinen Android-Laden immerhin zumeist direkt durch, könnte sich Kontrolle aber wohl auch vorstellen.

iPhone-User können das alles akzeptieren, sollten aber wissen, dass Apple sich zum neuen Gatekeeper aufschwingt. Die einzige Lösung ist auf dem Gerät der so genannte Jailbreak - doch der kennt Instabilitäten und unschöne Sicherheitsprobleme.

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