Wie digitale Technik Handwerker besser macht Nie mehr auf den Klempner warten

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"Alles aus einer Hand"

Technik wie diese gab es früher fast nur in der Industrie. Im Handwerk schafft sie heute neue Möglichkeiten für Produkte, die so individuell sind, wie der Kunde sie eben haben will – selbst Einzelstücke gibt es zu konkurrenzfähigen Preisen. „Ob ein Kunde einen Dachschrägenschrank mit drei oder mit vier Türen bekommt, kann ich mit wenigen Klicks ändern“, sagt Bächer. An digitaler Fertigungstechnik führe deshalb im Tischlerhandwerk kein Weg mehr vorbei, sagt der 33-Jährige. Anderenfalls werde seine Zunft von der Industrie, die mittlerweile ebenfalls Kleinserien profitabel fertigen könne, überrollt.

Daniel Lindner, Junior-Chef einer Metzgerei und des Onlineshops clickandgrill. Quelle: Christoph Busse für WirtschaftsWoche

Trotzdem arbeitet schätzungsweise höchstens ein Drittel der Tischler mit CNC-Maschinen. Am Markt zeige sich das schon deutlich, sagt Bächer: „Alle Tischler, bei denen es gut läuft, besitzen eine.“

Struktur auf dem Bau

Von den Handwerkskammern beauftragte Berater sagen, den meisten Handwerksmeistern fehlt es an Zeit, Mut und Know-how, um digitale Lösungen voranzutreiben. Die von ServiceBarometer befragten 4200 Meister und Meisterschüler sagen, sie wüssten viel weniger über technische oder Organisationssoftware als über den Umgang mit Material und Werkzeugen.

Vor diesem Hintergrund entstand das vom Bundesbildungsministerium geförderte Projekt „eWorkBau“, das der Desorganisation auf deutschen Baustellen den digitalen Kampf ansagt. Bauherren wissen es: Gerade am Bau ist bisher zu oft eine Mischung aus Trödel- und Chaostrupp am Werk. Egal, ob beim milliardenverschlingenden Berliner Großflughafen oder dem schlichten Eigenheim im Grünen – ohne Verzögerungen und Kostensteigerungen geht es selten: Mal können die Dachdecker nicht anfangen, weil das Gerüst noch nicht steht, mal gehen dem Elektriker die Kabel aus, oder der Klempner hat gerade nicht die richtige Steckmuffe zur Hand – und der Kunde muss wieder warten.

Mit besserer Koordination in und zwischen den beteiligten Gewerken ließen sich die gröbsten Schnitzer vermeiden – und die Nerven der Bauherren schonen. Jens Bille entwickelt im Rahmen von „eWorkBau“ am Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Uni Hannover (HPI) ein Schulungskonzept für eine Methode, die in Großbritannien längst Standard ist:

Handwerker sollen lernen, mit dem sogenannten Building Information Modeling (BIM) – zu Deutsch: Gebäudedatenmodellierung – den Bau und Ausbau eines Hauses anzupacken. Meister sollen am Rechner planen, dokumentieren und prüfen können, wer wann was auf der Baustelle treibt oder auch später im fertigen Gebäude dieses reinigt und instand hält. „Ein Großteil der britischen Olympia-Bauwerke für die Sommerspiele in London 2012 wurde dank BIM nicht nur pünktlich, sondern deutlich günstiger als geplant fertiggestellt“, sagt Projektkoordinator Bille. Irgendwann, hofft er, soll das BIM-Modul flächendeckend auf dem Lehrplan der Meisterausbildung in den Bauberufen stehen.

Frank Dornach, Leiter der ServiceBarometer-Studie, rät Handwerkern, sich wesentlich häufiger zusammenzutun. Statt nur Einzelleistungen anzubieten, sollten sie Komplettlösungen koordinieren und den Auftraggebern so viel Organisationsarbeit abnehmen wie möglich. Beim Badezimmerumbau bietet der Sanitär- und Heizungsfachbetrieb im Idealfall eben nicht nur an, den Einbau der Armaturen zu besorgen, sondern auch Fliesenleger, Maler und Tischler für die neuen Schränke zu koordinieren. „Bei so komplexen Projekten helfen digitale Datenplattformen zur Realisierung des gemeinsamen Ergebnisses natürlich ungemein“, beobachtet Dornach.

Ein knappes Drittel der von ihm Befragten bietet bereits Leistungen „alles aus einer Hand“ an. Bei den erfolgreichsten zehn Prozent der Betriebe sind es schon über 40 Prozent. „Das kommt bei den Kunden also sehr gut an“, sagt Dornach.

Grillfleisch online

Was entstehen kann, wenn IT-Kenntnisse und meisterliches Handwerk aufeinandertreffen, zeigt Daniel Lindner, Junior-Chef einer Landmetzgerei aus dem nordbayrischen Zochenreuth, einem 150-Einwohner-Ort an der Fränkischen Bierstraße. Der 24-Jährige hatte eine Ausbildung in der IT-Branche absolviert, bevor er als Quereinsteiger im elterlichen Betrieb anfing. Die Metzgerei ist für Spezialitäten wie Dry Aged Beef vom Simmentaler Rind oder japanisches Wagyu-Fleisch längst bekannt. Doch wie viel Edelfleisch lässt sich in Zochenreuth schon verkaufen?

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