Wie digitale Technik Handwerker besser macht Nie mehr auf den Klempner warten

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Lücke zwischen fachlichem und digitalem Know-how

„Mir war klar, dass wir einen Weg finden müssen, um mehr Gourmetkunden zu erreichen“, sagt Lindner. Die Lösung lag, angesichts seiner IT-Vorkenntnisse, auf der Hand: ein Fleischversand übers Internet. Lindner erarbeitete ein Konzept und eröffnete die Seite Clickandgrill.

Kollege Roboter lässt grüßen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schäkert bei der Eröffnung der Hannover Messe in Hannover mit indischen Maskottchen. Schon vor der Eröffnung hat sich Merkel für intensivere Handelsbeziehungen zum diesjährigen Messepartnerland Indien ausgesprochen. „Der Handel zwischen Deutschland und Indien kann noch verbessert werden, obwohl Deutschland schon der größte europäische Handelspartner Indiens ist“, sagte Merkel am Sonntagabend. Quelle: dpa
Merkel eröffnete die Messe am Abend gemeinsam mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi. Dabei mahnte sie zur Wachsamkeit: „Wir müssen in Europa einfach einen Zahn zulegen, genauso wie wir auch in Deutschland einen Zahn zulegen müssen“, sagte sie am Sonntag zur Eröffnung der weltgrößten Industrieschau . „Wir müssen uns jeden Tag ändern“, forderte Merkel mit Blick auf das Zukunftsthema vernetzte Produktion. Auch Modis Land will sich in Hannover als fortschrittliches Technologieland präsentieren. Modi versprach Reformen in seinem Land, um Handel zu erleichtern. „Für uns hat es außerdem höchste Priorität, eine Weltklasse-Infrastruktur zu schaffen“, sagte er. Quelle: dpa
Obwohl beide Länder ihre Beziehungen seit der Öffnung Indiens für Europa durch diverse Reformen ab 1991 intensivieren wollen, hat der bilaterale Handel wegen der Wachstumsschwäche der indischen Wirtschaft zuletzt abgenommen. So schrumpfte das Handelsvolumen in der Saison 2013 -2014 im Vergleich zur Vorperiode um 7,4 Prozent auf 16,1 Milliarden Euro. In der Rangfolge der deutschen Handelspartner steht Indien auf Platz 24, bei Ein- und Ausfuhren auf Platz 25. Umgekehrt steht Deutschland in Indien als Lieferant an 9. Stelle und als Abnehmer indischer Waren an 8. Stelle. In Indien werden vor allem Investitionsgüter nachgefragt, also Maschinen, die etwa ein Drittel am Gesamtexport nach Indien ausmachen, sowie Elektrotechnologie, Metallwaren, Chemie, Automobile. Nun will Indien wieder in di Offensive gehen und selbst als Handelspartner attraktiver werden. Mit seiner Milliardenbevölkerung will in diesem Jahr China als wachstumstärkstes Schwellenland überholen. Quelle: dpa
Nach Dampfmaschine, Fließband und Elektronik soll der Wirtschaft nun die vierte Revolution bevorstehen: die Vernetzung von Produkt, Maschine und Werkzeug in der Industrie 4.0. Quelle: dpa
Doch nur schleppend nimmt die nächste Entwicklungsstufe der Produktion in Deutschland Fahrt auf: Nur etwa die Hälfte der großen Unternehmen und 43 Prozent der Mittelständler messen der Industrie 4.0 eine hohe Bedeutung bei, ergab eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Quelle: dpa
Ein Grund ist laut Bitkom, dass viele Unternehmen die Chancen der Industrie 4.0 unterschätzen. Bei der Hannover Messe sollen ihre Möglichkeiten Gestalt annehmen. Schon zum dritten mal verschreibt sich die Hannover Messe damit demselben Thema, dieses Mal unter dem Titel „Integrated Industries – Join the Network“. Quelle: dpa
Mensch-Maschine-Kooperation ist ein zentrales Thema bei der diesjährigen Ausgabe der Messe. Die nächste Generation Roboter soll nicht mehr hinter Gittern, sondern Seite an Seite mit dem Facharbeiter werken. Ein Beispiel ist das Greifsystem des Herstellers Schunk. Quelle: dpa

Dort lassen sich Grillwürste, Fleisch oder Marinaden vergleichbar simpel bestellen wie Bücher bei Amazon. Montags wird in der Metzgerei Lindner geschlachtet, dienstags das Fleisch zerlegt, am Donnerstag ist es – verpackt in einer Styroporbox mit Einweg-Kühlakku – bei Kunden in Deutschland oder Österreich.

Bei Google ganz oben

Während sich die großen Lebensmittelhändler noch immer schwertun mit der digitalen Vermarktung, hat Lokalmatador Lindner mit seinem Shop eine Marktlücke erobert: Wer das Wort „Grillfleisch“ googelt, landet den ersten Treffer auf Clickandgrill. Und wann immer Promi-Koch Tim Mälzer sich im Fernsehen an einem Flank Steak austobt oder Feinschmecker-Magazine Wagyu-Rind in den Gourmethimmel loben, läuft auf dem Online-Shop der Bestelleingang heiß. Sobald das Wetter schön werde, „ist so viel los, dass ich kaum noch vom Computer wegkomme“, sagt Jungunternehmer Lindner.

Das allerdings können bisher die wenigsten Handwerker von sich behaupten. Noch klafft zwischen fachlichem und digitalem Know-how eine riesige Lücke. „Informationstechnologien sind nicht unbedingt die Kernkompetenz der Handwerker“, bestätigt Wolfram Kroker aus Lübeck. Er ist einer von deutschlandweit 38 sogenannten E-Business-Lotsen, die Handwerksbetrieben helfen sollen, Berührungsängste gegenüber neuen Technologien abzubauen.

Die Folgen von Industrie 4.0 für die Branchen in Deutschland bis 2025

Bitter nötig ist das vor allem, wenn Handwerker als Auftragnehmer und Zulieferer der Industrie im Geschäft bleiben wollen. „Wir beobachten, dass Partner aus der Industrie das Thema vorantreiben und helfen, digitale Lösungen einzuführen“, formuliert es Dornach von ServiceBarometer diplomatisch. Wer als Zulieferer arbeitet, wird im besten Fall mitgezogen und gefordert.

Für Carolin und Florian Bertges, Geschäftsführer eines Unternehmens für Werkzeugbau und Stanzerei, ist es daher keine Frage mehr, ob sie Prozesse im Unternehmen digitalisieren, sondern: welchen als Nächstes? Der Handwerksbetrieb aus der Nähe von Coburg fertigt mit seinen 30 Mitarbeitern unter anderem Teile für die Höhenverstellung von Autositzen, in Serien von bis zu sechs Millionen Stück pro Jahr. Die in anderen Branchen noch wenig genutzte computergesteuerte Produktion ist hier längst Standard. Nun geht der Betrieb den nächsten Schritt: Per elektronischem Datenaustausch sollen künftig Kundenbestellungen, die bisher über E-Mail, Fax oder Datenserver eintrafen, direkt in die Firmen-EDV des Handwerksbetriebs eingespielt werden.

In einem Pilotprojekt erprobe man zurzeit ein System für den digital gestützten Datenaustausch mit einem Werk eines Kunden, sagt Florian Bertges. Ziel sei es, von der Bestellung bis zur Auslieferung alle Prozesse digital abzubilden – eine Riesenaufgabe für einen Mittelständler ohne eigene IT-Abteilung. „In der Industrie ist eine solche Spezialabteilung natürlich üblich, bei Unternehmen unserer Größe nicht“, sagt Bertges.

Läuft alles wie geplant, spart der Betrieb künftig jede Menge Zeit und Kosten: Kapazitäten und Materialbedarf stehen auf Knopfdruck parat, während sich der Fertigungsleiter bisher die Daten aus verschiedenen Excel-Listen zusammensuchen muss. „Die Zeit kann er für anderes nutzen“, so Bertges. „Und wir können wachsen, ohne zusätzliches Personal einzustellen.“ Er sieht die Digitalisierung als „Schritt zur Professionalisierung und Industrialisierung“ des ursprünglich aus dem Handwerk stammenden Unternehmens, „wir erreichen damit industrielle Standards“.

Effizienz im Handwerksbüro

„Vielen Betrieben ist gar nicht bewusst, wie viel effizienter sie mit digitalen Lösungen arbeiten können“, sagt Michael Heil. Er leitet das Projekt eMasterCraft – eBusiness am Institut für kybernetisches Planen und Bauen in Kaiserslautern. Es soll die Durchlaufzeit von Aufträgen im Büro und auf der Baustelle reduzieren. Im ersten der beiden Testbetriebe, in denen er seit mehr als zwei Jahren Prozesse optimiert hat, hat sich der Gewinn vervielfacht.

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