Wikibu Schweizer nehmen Wikipedia unter die Lupe

Das Online-Lexikon Wikipedia ist sehr beliebt. Einerseits bietet es viel mehr Informationen als klassische Lexika, zudem lassen sich Texte und Bilder aus Wikipedia-Artikeln leicht weiterverwenden. Doch wie kann überprüft werden, ob die Informationen wirklich alle stimmen? Die Schweizer Entwicklung Wikibu hilft, einen kritischen Blick für die Wikipedia-Artikel zu bekommen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wikibu

Wie viele Einwohner hat Bochum, wie groß ist Bayern, was ist eigentlich Dioxin und seit wann gibt es Borussia Dortmund? Wer all’ diese Fragen möglichst schnell beantwortet haben möchte, landet wahrscheinlich schnell auf der Internetseite Wikipedia. Zehn Jahre alt wird das Online-Lexikon in diesen Tagen.

Wikipedia ist ein Projekt zum Aufbau einer Enzyklopädie aus freien Inhalten in allen Sprachen der Welt. Jeder kann mit seinem Wissen beitragen“, mit diesen Worten werden Besucher auf der Homepage begrüßt.  

Aber können Text über diese Vielzahl an Themen auch alle zuverlässig sein, wenn jeder Internetnutzer ihn einfach verändern und umschreiben kann? Eine Studie der Fachzeitschrift "Nature“ hat schon 2005 gezeigt, dass wissenschaftliche Einträge in der freien Online-Enzyklopädie fast so exakt und umfassend sind, wie die entsprechenden Artikel in der renommierten Encyclopaedia Britannica, die als Standard unter den Nachschlagewerken gilt. Ein typischer Wikipedia-Eintrag zu naturwissenschaftlichen Themen hatte zwar vier Fehler, die renommierten Britannica-Artikel allerdings im Durchschnitt auch drei.  

Trotzdem ist immer Vorsicht geboten. Um den Blick für den sensiblen Umgang mit den Informationen aus Wikipedia-Artikeln gerade bei Schülern zu schärfen, haben Tüftler des Zentrums für Bildungsinformatik der Pädagogischen Hochschule in Bern Wikibu.ch entwickelt.

Das Online-Werkzeug bietet Unterstützung bei der Beurteilung von Wikipedia-Artikeln.

Ebenso wie bei Wikipedia wird der Suchbegriff in eine Maske eingetragen, als Ergebnis erscheint der Original-Artikel von Wikipedia, daneben in einer Spalte die Wikibu-Bewertungskriterien.

Die Seite analysiert Artikel nach bestimmten statistischen Kriterien und stellt die zu einem Artikel zur Verfügung stehenden Zusatzinformationen in einer sehr übersichtlichen Form dar.

Wikibu vergibt für die einzelnen Artikel Punkte. Sucht ein Interessierter beispielsweise Wissenswertes über die Stadt Bochum, sieht er, dass der betreffende  Artikel mit acht von zehn möglichen Punkten bewertet ist.

Berücksichtigt werden die Anzahl der unterschiedlichen Autoren und Besucher, der Quellennachweise und der Verlinkungen auf diesen Artikel. „Das alles sind wichtige Kriterien, um zu sehen, wie glaubwürdig der jeweilige Artikel ist“, sagt Nando Stöcklin, einer der Köpfe des Projektes und Autor des Buchs "Wikipedia clever nutzen". 

Im Fall der Ruhrgebietsstadt Bochum scheinen die Informationen zu stimmen. Der Besucher von Wikibu erfährt, dass im vergangenen Monat durchschnittlich 702 Leser pro Tag diese Seite aufgerufen haben. Je häufiger ein Wikipedia-Artikel besucht wird, desto wahrscheinlicher dürften Fehler von den Besuchenden korrigiert werden, so die Erklärung der Wikibu-Macher. „Eigentlich ist das das Hauptkriterium“, meint Stöcklin. „Wenn ein Artikel wenig aufgerufen wird, dann stehen da Fehler mitunter auch mal länger.“

Auch die Anzahl der Autoren kann sich beim Bochum-Text sehen lassen. 415 Menschen haben an diesem Informationsstück mitgewirkt. Diese Information entnimmt Wikibu der Versionsgeschichte des Artikels aus den letzten 1000 Änderungen.

Mehr als 300 andere Artikel bei Wikipedia verweisen auf den Haupttext über die Heimatstadt von Herbert Grönemeyer. Für die Schweizer Wissenschaftler zeigt dieses Kriterium, wie relevant der Inhalt eines Artikels ist.

Nur in der Rubrik „Quellennachweise“ sieht es bei dem Beispieltext nicht rosig aus – der vorliegende Artikel hat nur drei Sternchen erhalten.

Das Computerprogramm zeigt zudem an, ob ein Artikel zurzeit stark diskutiert wird. Ist das der Fall, gibt es einen Warnhinweis, denn zahlreiche Diskussionen können ein Anzeichen dafür sein, dass bestimmte Informationen umstritten sind.

„Qualität kann man nicht automatisch bestimmen“, sagt der 35-Jährige. Daher bediene man sich der zählbaren und statistisch auswertbaren Kriterien. 

Die Schweizer Wissenschaftler sind mit ihrer Plattform, die bereits seit dem Sommer 2009 online ist, nicht auf Klickzahlen aus, sondern auf die Unterstützung von Lehrern, die dann gemeinsam mit ihren Schülern erarbeiten können, wie Wikipedia funktioniert. Mit den Jugendlichen können sie verschiedene Unterrichtsmaterialien durchgehen. Wikibu stellt diese auf der Homepage kostenlos zur Verfügung. Damit kann herausgefunden werden, wie die Informationen zusammen kommen, wie Diskussionsseiten zu den jeweiligen Artikel aussehen und wie beispielsweise auch vorherige Versionen des entsprechenden Artikels aussahen.  

Auch wenn die Schweizer sich Lehrer und Schüler als Zielgrupe ausgesucht haben, ein Blick auf Wikibu lohnt sich für alle, die Wikipedia nutzen. 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%