Wirtschaft von Oben # 105 – New Administrative Capital Hier baut Ägypten in Rekordzeit eine neue Hauptstadt – mit kräftiger Hilfe aus China

In diesem Sommer sollen die ersten Menschen in die neue Hauptstadt Ägyptens umziehen. Quelle: LiveEO/Skywatch

Chinesische Firmen finanzieren und bauen das gewaltige Geschäftszentrum der neuen ägyptischen Hauptstadt. Mit den Hochhäusern in der Wüste gewinnt China politischen Einfluss – doch nah waren sich Peking und Kairo fast immer. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Noch vor ein paar Jahren waren nur ein paar Straßen und viel Sand auf den Satellitenbildern von LiveEO zu sehen. Doch wie Pilze schießen seitdem mächtige Hochhäuser aus dem Boden.

In Ägypten entsteht gerade eine neue Hauptstadt in einer Geschwindigkeit, die man sonst eigentlich nur von chinesischen Baustellen kennt. 2015 begannen erste Bauarbeiten, in diesem Sommer sollen die ersten Menschen umziehen. Ein Zufall ist das hohe Tempo nicht, denn die Volksrepublik ist beim wichtigsten ägyptischen Bauprojekt groß im Geschäft.

Die neue Metropole, die bisher nur unter dem Namen „New Administrative Capital“ läuft, liegt 45 km östlich von der derzeitigen Hauptstadt Kairo und soll nach ihrer Fertigstellung die neue Heimat von mehr als 6,5 Millionen Menschen werden. Die Megametropole Kairo, wo längst mehr als 20 Millionen Menschen leben, soll so entlastet werden.


Dass Kairo neue (Vor-)Städte baut, um dieses Problem zu lösen, ist keine ganz neue Entwicklung. Bereits im Jahr 2000 wurde ein Vorort namens Neu-Kairo gegründet, dessen Einwohnerzahl in den kommenden Jahren von zuletzt einigen Hunderttausend auf über fünf Millionen wachsen soll.

Die neue Hauptstadt wird derzeit in der Wüste auf einer Fläche von 714 Quadratkilometern zu geschätzten Kosten zwischen 45 und 58 Milliarden US-Dollar gebaut. Neben einem neuen Parlament und einem Präsidentenpalast wird Ägyptens neue Hauptstadt auch den dann größten Flughafen des Landes beherbergen. Dazu kommen ein Unterhaltungsviertel sowie ein Stadtpark, der dreimal so groß werden soll wie New Yorks Central Park.


Ägyptische Beamte werden mit üppigen Sonderzahlungen belohnt, wenn sie an den neuen Regierungssitz ziehen. Bauunternehmen aus dem ganzen Land helfen mit, um die neue Metropole hochzuziehen. Ausgerechnet das neue Herz der Stadt, ein drei Milliarden teures Geschäftsviertel mit rund 20 Hochhäusern, wird jedoch von China finanziert und errichtet.

Federführend ist Chinas State Construction Engineering Corporation, die hunderte chinesische Arbeiter nach Ägypten geschickt hat, um das schmucke Business-Viertel in Rekordzeit hochzuziehen. Einer der Wolkenkratzer soll nach seiner wohl noch in diesem Jahr bevorstehenden Fertigstellung 385 Meter hoch sein, womit er das höchste Gebäude in Afrika wäre. Mehr als 18.500 Kubikmeter Beton und 5000 Tonnen Stahl waren allein nötig, um das Fundament zu gießen.

Nicht nur bei den neuen Büroflächen, sondern auch beim Aufbau der Infrastruktur sind chinesische Staatsfirmen involviert. So finanziert die Exim Bank of China für 1,2 Milliarden Dollar eine Zug-Anbindung zwischen Kairo und dem neuen Verwaltungszentrum.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi spricht im Zusammenhang mit seiner neuen Stadt von der „Geburt eines neuen Staates“. Damit meint er auch ein Ägypten, das so enge Verbindungen mit China pflegt wie nie zuvor in seiner Geschichte. Nah waren sich Peking und Kairo fast immer.

Unter dem nationalistischen Führer Gamal Abdel Nasser erkannte Ägypten 1956 als erstes Land im Nahen Osten und in Afrika die Volksrepublik China an. Der frühere Präsident Hosni Mubarak war einer der ersten ausländischen Führer, der nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens 1989 Peking besuchte.

Die engen Beziehungen wurden unter dem derzeitigen Präsidenten el-Sisi weiter vertieft. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2014 hat er sechs Reisen nach Peking unternommen, nachdem ein Staatsstreich den ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes, Mohamed Morsi, gestürzt hatte.

Peking hat seine Investitionen seit der Machtübernahme von Sisi im Jahr 2014 erheblich erhöht. Laut einer Studie des Afrika-Zentrums der Johns Hopkins Universität erhielt das Land zwischen 2015 und 2019 fast fünf Milliarden US-Dollar an chinesischen Geldern, verglichen mit lediglich rund 280 Millionen Dollar zwischen 2002 und 2014.

Das chinesische Geld sprudelt und die neue Hauptstadt ist längst nicht das einzige Projekt, in das Peking involviert ist. Eine Schlüsselrolle spielen chinesische Firmen auch bei der Entwicklung einer neuen Wirtschaftszone am Suezkanal. Der Transportweg ist für China in der Region von großer strategischer Bedeutung, um seine Exporte nach Europa verschiffen zu können.

Für Peking spielen politische Faktoren eine Rolle bei der großzügigen Kreditvergabe an andere Staaten. China hofft, seinen Einfluss in Nordafrika und im Nahen Osten durch die Nähe zur ägyptischen Regierung stärken zu können. Da wäre es gar nicht so schlimm, wenn sich nicht jede Investition auszahlt. Im Falle Ägyptens können die Chinesen jedoch in Zukunft nicht nur mit der Gunst der Regierung, sondern auch mit einer sicheren Rendite rechnen.

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Denn Ägypten bleibt überhaupt nichts anderes übrig, als neue Städte zu bauen und die Infrastruktur massiv auszuweiten. So wird erwartet, dass die Bevölkerung allein bis 2030 von derzeit etwa 100 Millionen um mehr als 30 Millionen Menschen wachsen wird. Jährlich müssen Wohnraum und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Bauboom geht also weiter und China, dessen eigenen Bevölkerung altert und immer langsamer wächst, ist dabei.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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